Süddeutsche Zeitung

TV-Auftritt in den USA:Armstrong und die Kunst der Wahrheit

Der US-Amerikaner war der perfideste, dreisteste und vermögendste Doper der Sport-Geschichte. Warum will Lance Armstrong nun über Doping reden? Seine Audienz in der Primetime des US-Fernsehens dürfte einzig der Imagepflege dienen. Und Armstrong wird, wie immer, bestens vorbereitet sein.

Ein Kommentar von Andreas Burkert

Knapp fünf Jahre ist es her, dass Jan Ullrich den Rücktritt vom Leistungssport erklärte, an dem er freilich wegen Dopings gar nicht mehr hätte teilnehmen können. Eingeräumt hat der Rostocker, mit dem die Deutschen einst den Tour-Juli verbrachten, nichts; Fragen waren nicht erlaubt. Abends ist er dann ins Fernsehstudio gegangen, so unvorbereitet wie all die Jahre ins Radsportjahr. Und hat immerzu gestammelt, zu seinem Blutmischer Fuentes und all diesen Dingen dürfe er "nichts sagen". Es ging da wohl ums Geld. Voriges Jahr hat Ullrich dann im Rahmen dessen, was seine Berater sicher als Imageoffensive verstehen, in Nebensätzen und Allgemeinplätzen angedeutet, dass er mitgemacht habe beim großen Schwindel seines Sports. Ach.

Allerdings ist es sicher einfacher, mit Ullrichs jetzt fast 40 Jahren nach Alpe d'Huez hochzusprinten - als Freunden, dem Publikum und dem Typen, der morgens im Spiegel erscheint, die Wahrheit zu sagen: Ich war jahrelang ein Doper. An dieser Aufgabe sind viele gescheitert, denn es gehört viel Mut dazu, dies haben die Beispiele von Kronzeugen wie Tyler Hamilton oder Jörg Jaksche gezeigt. Sie waren wie Ullrich aufgeflogen, das schon. Aber sie nahmen eben mit der schonungslosen Offenbarung die Ächtung durch das System auf sich. Der gewöhnliche Ertappte verschanzt sich ja mit Kalkül hinter Floskeln ("keinen betrogen") oder schweigt. Damit er vielleicht bald wieder mitfahren, -laufen oder -springen kann.

Ullrichs früherer Rivale Ivan Basso hat etwa nach seiner Enttarnung als Fuentes-Kunde mit Italiens Instanzen "kooperiert", heißt es heute im Rückblick. Dabei bestätigte er nur das, was bereits bekannt war: dass seine Blutbeutel in Fuentes' Kühlfach lagen. Benutzt habe er sie aber nicht. Auch Luxemburgs einstiger Held Frank Schleck räumte nur Erwiesenes ein, in seinem Fall Überweisungen an den spanischen Arzt Fuentes, dem übrigens Ende Januar tatsächlich der Prozess gemacht wird. Das Geld sei für Trainingspläne gewesen - die er aber nie genutzt habe. Ehrenwort!

Gegen Lance Armstrong haben sie trotzdem alle nie eine Chance gehabt. Er war der perfideste, mutigste, dreisteste, vermögendste Doper, der König der Verschwörer. Warum will er nun über Doping reden? Bis zum Beweis des Gegenteils dürfte seine Audienz in der US-Primetime einzig der Imagepflege eines Egomanen dienen. Er wird, wie immer, bestens vorbereitet sein. Doch ein Geständnis mit ein paar Floskeln, eines ohne die Ausleuchtung eines offenbar korrupten Systems aus Verbandsfunktionären, Ärzten, Kontrolleuren und womöglich gar der Politik, auch eines ohne Entschuldigungen bei Leuten wie Hamilton würde diese TV-Show mit seinen sieben Tour-Siegen gleichsetzen: inszeniert und wertlos.

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SZ vom 10.01.2013/ebc
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