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Snookerspieler Ronnie O'Sullivan:"Das härteste Match, das ich je erlebt habe"

Ist der Knöchel wirklich gebrochen? Egal. Nach dem gewonnenen Finale des UK Championships sieht Ronnie O'Sullivan richtig lädiert aus. Weil seinem 14 Jahre jüngeren Gegner eine der größten Aufholjagden der Snooker-Geschichte gelingt.

Von Carsten Eberts

Die Snookerwelt ist grenzenlos für Ronnie O'Sullivan, nun hat er also auch ein Turnier mit gebrochenem Knöchel gewonnen. Nicht irgendein schummriges Turnier in einem britischen Pub, sondern eines der drei wichtigsten weltweit, das UK Championship in York. Am späten Sonntagabend siegte der Brite in einem aufreizenden Finale 10:9 gegen Judd Trump.

Damit ist O'Sullivan nicht nur der jüngste Spieler, der je bei einem Ranglistenturnier siegte und derjenige mit dem bislang schnellsten Maximum Break. Sondern auch der Spieler, der mit nur einem Bein eines der drei Triple-Crown-Turniere gewonnen hat.

Um O'Sullivans Knöchel ist viel geschrieben worden während der 13 Turniertage. Manch einer hatte leise gezweifelt, ob er wirklich mit gebrochenem Gelenk angetreten war. O'Sullivan hatte sich sehr schnell erholt, in den ersten beiden Runden war er noch ungelenk um den Tisch gehumpelt, danach spielte er aber so dominant, als wäre nichts gewesen.

O'Sullivan hatte jedenfalls Spaß daran, mit seinem Joggingunfall zu kokettieren. Er postete bei Twitter lustige Bilder von seinem angeschwollenen Knöchel, gab launige Interviews, lobte darin seinen Physiotherapeuten. Während der Spiele kam es vor, dass er sein Bein hochlegte; das hatte es im Gentleman-Sport Snooker noch nicht gegeben. Und dann, nur zwei Tage später, im Achtelfinale gegen Matthew Selt, zauberte er das 13. Maximum Break seiner Karriere auf den Tisch.

In den Minuten nach dem Finale am Sonntagabend sah O'Sullivan dann wirklich lädiert aus. Das lag aber an seinem Gegner, dem famosen Judd Trump. Im Modus "Best-of-19" hatte O'Sullivan bereits 9:4 geführt, ein einziger Sieg noch, und er hätte frühzeitig seinen fünften Sieg beim UK Championship klargemacht. Trump, 25, hatte wie ein frisch geschlüpfter Welpe auf seinem Stuhl gesessen. So hilflos, weil ihm nichts gelang. O'Sullivan enteilte mühelos. Bei den langen Bällen hatte "The Rocket", wie sie ihn nennen, zeitweise eine Quote von 95 Prozent, was atemberaubend ist. "Er hat mich demoralisiert", sollte Trump später sagen.

Doch dann kippte das Spiel. Im Wissen, dass er nun keinen Frame mehr verlieren durfte, spielte Trump zwei Century Breaks, jeweils über 100 Punkte in Serie. Erst ging es um Schadensbegrenzung, dann konnte er dieses Match tatsächlich noch gewinnen. In einer der größten Aufholjagden, die diese Sportart in einem Finale je erlebt hat, glich Trump aus. 9:9. "Ich hätte auch eine Niederlage akzeptiert", sagte O'Sullivan, "er hat alles gelocht, ich war erledigt, ich war raus." Während des Spiels wischte er sich mehrfach den Schweiß mit einem weißen Taschentuch aus dem Gesicht. O'Sullivan litt.

Dann der finale Frame, ein kompliziertes Bild auf dem Tisch, hohe Breaks schienen unmöglich. Wer zuerst patzt, würde verlieren. O'Sullivan gelang eine herausragende Safety mit Weiß hinter Grün, ein sogenannter Snooker. Trump musste über die lange Bande spielen, verpasste die roten Kugeln in der Mitte um wenige Zentimeter - ein Foul. O'Sullivan nutzte die Chance, die einzige, die Trump ihm bot.

"Der Superheld unseres Spiels"

"Das war das härteste Match, das ich je erlebt habe", hechelte O'Sullivan. Und wünschte sich, bei den kommenden Turnieren nicht allzu oft gegen Trump antreten zu müssen. Steve Davies, der alte Held der Sportart, sagte bei der BBC, er habe "zwei Krieger gesehen". O'Sullivan sei nach diesem Sieg endgültig "der Superheld unseres Spiels". Dessen lädierter Knöchel war da längst kein Thema mehr.

Trump konnte sich damit trösten, dass er die Zuschauer begeistert hat - und dass er einer derjenigen ist, denen die Zukunft gehört. Er ist erst 25, aber ein Typ, der polarisiert. Er trägt Lackschuhe mit weißen Nieten auf der Oberseite, liebt schnelle Autos, kauft sich von seinen Siegprämien schon mal einen Ferrari. "Als Belohnung", wie er sagt. Er spielt mit links, obwohl er eigentlich Rechtshänder ist, so wurde es ihm antrainiert. Und er liebt es, auf Risiko zu spielen.

Auch O'Sullivan spielte einst mit links, auch um seine Gegner zu verhöhnen und ihre Chancenlosigkeit aufzuzeigen. Diese Zeiten sind vorbei. O'Sullivan ist 39 Jahre alt geworden, die jüngere Generation klopft deutlich hörbar an. Doch ganz bereit für die Wachablösung sind die Trumps seiner Sportart noch nicht. Das hat O'Sullivan mit seiner letzten Safety hinter Grün allen bewiesen.

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