Turnen:Stark in der Lücke

Gymnastics World Challenge Cup Brazil 2015 - Day 1

"Man weiß, was man an ihm hat": Seine Trainer schenken Lukas Dauser ihr Vertrauen.

(Foto: Friedemann Vogel/Getty Images)

Turner Lukas Dauser aus Glonn hat eine wichtige Rolle im Nationalteam: dort zu überzeugen, wo andere Probleme haben.

Von Anna Carina Bauerdorf

Lukas Dauser schreit sonst nicht, er ist ein stiller Turner. Wenn er einmal laut wird, die Faust ballt und zur Hallendecke reckt, dann hat das einen besonderen Grund. In São Paulo zum Beispiel ist das neulich geschehen. Mit seiner gelungenen Übung hatte Dauser soeben den Challenge Cup am Barren gewonnen. Aber nur für einen Moment hatte er seinen Gefühlen freien Lauf gelassen, dann war er wieder der gewohnte Lukas Dauser. Als er nach 30 Stunden Rückreise aus Brasilien in Berlin ankam, ging er in die Turnhalle, zum Trainieren.

Der Barren ist sein Lieblingsgerät, doch derzeit übt er am Seitpferd

Auch wenn er wieder zurück ist in seinem stillen Alltag, so hat er längst einen wichtigen Schritt geschafft. Der 21-Jährige aus Glonn in Oberbayern, der beim TSV Unterhaching als Turner groß wurde, ist ein Bestandteil im Nationalteam von Bundestrainer Andreas Hirsch. Fünf Monate vor der WM in Glasgow ist er sogar ein sehr wichtiger Bestandteil. Die Mannschaft muss im Mehrkampf mindestens Platz acht belegen, um sich schnell und unkompliziert für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu qualifizieren. Dausers Vorteil: "Er ist ein solider Mehrkämpfer, er hat an keinem Gerät großartige Schwächen", sagt sein Trainer Sebastian Faust. Der Barren ist eigentlich sein stärkstes Gerät, doch derzeit übt er verstärkt am Seitpferd, an dem die deutsche Mannschaft oft Probleme hat. Hier könnte Dauser sich besonders für Olympia empfehlen.

Was Bundestrainer Hirsch gefällt, sind junge Athleten, die ein Ziel haben und bereit sind, dafür ihr Leben zu verändern. Dauser hat vieles verändert. 2011 zog er nach Berlin, an den Olympiastützpunkt, denn die Bedingungen sind dort besser. Er kannte dort fast niemanden, auch nicht im Stadtteil Hohenschönhausen, wo seine neue Wohnung liegt. Aber Dauser wollte eben unbedingt Profi-Turner werden. In Berlin fand er sich in einer größeren Trainingsgruppe wieder, so etwas kannte er aus Unterhaching nicht. "Außerdem gibt es acht Trainer, anstatt nur einen für alle Altersklassen", sagt Dauser. Nun muss er dem Bundestrainer und der Öffentlichkeit nur noch beweisen, dass sein Sieg in São Paulo, der für viele überraschend kam, kein Zufall war, sondern das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Faust ist jedenfalls davon überzeugt: "Ich sage, er schafft das mit der Olympia-Qualifikation. Er ist ein hochtalentierter Turner."

Schon vor dem Wechsel nach Berlin hatte Dauser fast jede freie Minute neben der Schule in der Halle verbracht. Jetzt genießt er die Sportförderung in der Bundeswehr und hat genügend Zeit zum Training. 35 Stunden in der Woche arbeitete Dauser an seinem Ziel, und mehr denn je wurde ihm in Berlin klar, dass das Leben als Leistungssportler vor allem eins ist: voller Verzichte. Seine Familie in Glonn besucht er zweimal im Jahr, an den Wochenenden geht um halb sieben der Flieger, der ihn zu Bundesliga-Wettkämpfen bringt. Faust sagt: "Man weiß, was man an ihm hat, man kann sich auf ihn verlassen."

Der Barren ist sein Lieblingsgerät, das mag auch an seinem Unterhachinger Trainer Kurt Szilier liegen, der bereits Marcel Nguyen an den Parallelholmen die technischen Grundlagen beigebracht hat. Nguyen wurde Europameister und gewann 2012 Silber bei den Olympischen Spielen in London. Dauser erfand ein Element am Barren, der "Dauser" steht seit Januar im Regelwerk des Weltturnverbandes FIG. Am Barren hat er die beste Chance, einmal ein Gerätefinale bei einer großen Meisterschaft zu erreichen, und dennoch muss er in den kommenden Wochen seine Kräfte einteilen. An allen sechs Geräten hat er zwar ansprechende Ausgangswerte, aber er will sie noch um entscheidende Zehntel aufbessern. "Ich kann überall noch ein paar Prozente rausholen", sagt Dauser.

In Berlin lernt er, dass das Leben als Sportler voller Verzichte ist

Seine spezielle Vorbereitung auf die wichtige WM in Glasgow beginnt in diesen Tagen. Ein Trainer am Berliner Stützpunkt, der eigentlich für die Gewichtheber arbeitet, hat ihm einen besonderen Trainingsplan für den Kraftaufbau geschrieben. Denn will er die letzten Prozente herausholen, muss Dauser noch einmal sein Muskelkorsett stärken. Die kommenden Wochen werden also hart und entbehrungsreich, aber daran hat er sich ja gewöhnt.

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