Turnen:Mini-EM ohne Nguyen und Co.: Motivationsprobleme bei Turnern

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Vermisst due Wettkämpfe: Turn-Ass Marcel Nguyen. Foto: Christoph Schmidt/dpa (Foto: dpa)

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Düsseldorf (dpa) - Wenn Europas Turn-Elite im türkischen Mersin an die Geräte geht, sind die deutschen Asse bestenfalls Zuschauer am Livestream.

Wie zahlreiche Topnationen - darunter auch Rekordsieger und Titelverteidiger Russland - verzichtet der Deutsche Turner-Bund (DTB) auf die Entsendung seiner Athleten zur Europameisterschaft. "Wir stellen die Gesundheit über eine sportliche Teilnahme", sagte DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam vor der Donnerstag beginnenden EM.

Nachdem er schon die Heim-WM in Stuttgart im Vorjahr wegen einer Schulter-Verletzung verpasst hatte, ist die EM-Absage für Marcel Nguyen ein weiterer Rückschlag. Auch die deutschen Meisterschaften im November waren wegen der Corona-Pandemie kurzfristig ausgefallen. So wäre der Olympia-Zweite von 2012 bei der EM gern dabei gewesen, zeigt aber auch Verständnis. "Als Turner möchte man Wettkämpfe machen. Man möchte zeigen, was man im Training vorbereitet hat. Aber zurzeit gibt es wichtigere Dinge. Daher stehe ich voll hinter meinem Verband."

Der Unterhachinger ist bereits 33 Jahre alt, viel Zeit bleibt ihm da als Turner auf höchstem Niveau nicht mehr. Momentan hat er noch zwei große Ziele: die Mehrkampf-EM in Basel im nächsten April und die Olympischen Spiele in Tokio drei Monate später. Nguyen gibt offen zu, dass ihm die Motivation im Training nicht immer leicht fiel. "Das ist ein Problem, weil man ja nie weiß, wann wo oder ob überhaupt noch der nächste Wettkampf stattfindet. Deswegen ist es mit der Motivation ein bisschen schwieriger", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Nguyen bleibt nur die Hoffnung, dass nach dem verflixten Corona-Jahr 2020 wieder alles nach Plan läuft. "Ich gehe einfach mal davon aus, dass es nächstes Jahr funktioniert mit Olympia. Und dass unsere Europameisterschaft in Basel stattfindet, die auch noch mal eine Olympia-Qualifikation ist. Das ist das nächste Ziel, und es laufen jetzt langsam die Vorbereitungen darauf", betonte Nguyen, der in seiner Wahlheimat Stuttgart zumindest regelmäßig in die Halle kann. "Wir können zweimal am Tag normal trainieren. Das passt soweit."

Sein Freund Andreas Toba kämpft zuweilen mit ähnlichen Problemen, sich täglich stundenlang zu schinden. "Die Motivation oben zu halten, ist wirklich schwierig, aufgrund des Mangels an Wettkämpfen. Ich muss mich so darauf konzentrieren, als wären die Olympischen Spiele ganz normal, als würden sie stattfinden im nächsten Jahr. Darauf bereite ich mich vor und davon gehe ich aus", sagte der Hannoveraner.

Da auch die EM der Frauen vom 17. bis 20. Dezember in Mersin ohne DTB-Beteiligung stattfindet, musste Top-Turnerin Elisabeth Seitz ihre Pläne ebenfalls umschmeißen und langfristig ausrichten. "Weil wir aus der Normalität raus sind. Die Normalität ist, dass wir uns immer auf Wettkämpfe vorbereiten und diese dann auch bestreiten. Das gibt es aktuell nicht", sagte die Stuttgarterin.

Neben der starken russischen Riege um Weltmeister Nikita Nagorni und den deutschen Assen verzichten zwölf weitere Nationen auf die Reise in die Türkei. So bleibt eine Mini-EM mit fraglichem sportlichen Wert. Vor Ort müssen Trainer, Turner, Offizielle und Kampfrichter strenge Corona-Regeln beachten und bewegen sich in einer Blase zwischen Hotel und desinfizierten Turngeräten.

© dpa-infocom, dpa:201209-99-627089/2

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