Turnerin Pauline Schäfer:Belohnt für die Lust am Risiko

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Alles im Blick: Pauline Schäfer turnt im WM-Finale jene Übung, die ihr die Bronzemedaille sichert. (Foto: Ben Stansall/AFP)
  • Balkenturnen ist für die Deutschen seit Jahrzehnten eine Mischung aus Athletik und Zittern vor dem Absturz.
  • Pauline Schäfer dagegen stemmte sich früh gegen diese Haltung, sie reizt das Risiko gerade.
  • Bei der WM in Glasgow gewinnt sie Bronze.

Von Volker Kreisl, Glasgow

Die deutschen Zuschauer warteten, die Betreuer warteten, die Medienleute warteten, aber er kam nicht. Der "Schäfer", das Spezialelement blieb aus - und wie sich später herausstellte war es die richtige Entscheidung.

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Das gab es 34 Jahre nicht mehr: Mit Pauline Schäfer holt nach ewiger Zeit wieder eine deutsche Turnerin eine Medaille am Schwebebalken. Fabian Hambüchen und Andreas Bretschneider kommen ins Stolpern.

Pauline Schäfer, die 18-jährige Saarländerin vom TV Pflugscheid-Hixberg ist auch so in die Erfolgslisten ihres Sports vorgedrungen. Sie hat auf ihr schweres Element der Kategorie E und damit auf zusätzliches Risiko verzichtet - und ihr Ziel trotzdem erreicht. Vor 21 Jahren stand die bislang letzte Deutsche in einem WM-Finale am Schwebebalken.

Nun war Schäfer nicht nur in den Kreis der Besten vorgerückt, sondern hat auch noch eine Bronze-Medaille geholt, die erste für den Deutschen Turnerbund (DTB) seit 34 Jahren. "In's Finale, und dann gleich auf Platz drei - ich kann's nicht in Worte fassen", sagte sie hinterher. Nebenher erhielt sie als Medaillengewinnerin automatisch einen Startplatz für die Olympischen Spiele 2016 in Rio.

Balkenturnen ist für die Deutschen seit Jahrzehnten eine Mischung aus Athletik und Zittern vor dem Absturz. Schäfer dagegen stemmte sich früh gegen diese Haltung, sie reizt das Risiko gerade. Ein Gerät, von dem man mit der falschen Technik und zu viel Angst herunterfällt, ist für sie eine Herausforderung. Schäfer gefällt es, "weil man herunterfallen kann".

Schon am Tag zuvor war eine Turnerin des DTB in einem Finale gestanden, die Chemnitzerin Sophie Scheder landete am Stufenbarren auf Platz acht, auch sie hat eine Übung fürs Podium im Programm. Doch Scheder patzte, und so wurde aus Sicht der Frauen dieses Wochenende ein Anschauungsmodell dafür, wo es noch hapert, und gleichzeitig, wie man es verbessern kann. Bundestrainerin Ulla Koch bemängelt allgemein die "Wettkampfhärte", aber Schäfer kann sie da nicht meinen.

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Schweben, flattern, wirbeln: Der Mehrkampf der Frauen bei der Turn-WM in Glasgow ist eine atemberaubende Show.

Im Milieu der zierlichen und in ihrem Anzug und mit Schminke glitzernden Turnerinnen kursiert der Begriff "Wettkampfsau". Das soll entsprechend krass ausdrücken, worum es geht: Hart im Nehmen sein, keine Angst vor den Anderen haben und: Lust auf Rampenlicht. Ein Vorbild als Wettkampfsau ist im deutschen Team auch seit jeher die ehemalige Mannheimerin und heutige Stuttgarterin Elisabeth Seitz. Sie hat das am Freitag im Mehrkampffinale gezeigt: In der Qualifikation war sie am Bodenbelag hängengeblieben, hatte sich den kleinen Zeh ausgekugelt, ließ diesen tapen, und wurde dann Zehnte.

Scheder, die mit viel Feingefühl und Eleganz turnen kann, hatte ihr Trauma aus der Qualifikation mit zwei Balkenstürzen und einem Blackout am Boden zwar überwunden, aber im Barrenfinale am Samstag doch noch zu viel Respekt vor dem Gegner: "Sophie hat einen Riesendruck verspürt und die Konkurrenz als fast zu stark empfunden. Vielleicht konnte sie deshalb nicht richtig angreifen", sagte Koch. Zeitlich gesehen machte Scheder fast alles richtig: Sie turnte ihren Vortrag samt freiem Hindorff sauber durch, doch dann öffnete sie ihre Beinhaltung beim Abgang zu früh, geriet in Vorlage und musste ihre Übung durch drei Schritte nach vorne ergänzen.

Womöglich wäre es Schäfer ähnlich ergangen in einem Finale, in dem das Kampfgericht bis zu zehn Minuten brauchte, um eine Note zustande zu bringen. Das Warten wurde für die nächste Turnerin auf der Matte jeweils zur zusätzlichen Schwierigkeit. Schäfer aber hatte ihren teuren Salto zur Sicherheit ohnehin gestrichen, es war ein taktischer Poker, der auch schiefgehen hätte können, doch sie lag richtig: Simone Biles (USA) gewann wie erwartet souverän, die Niederländerin Sanne Wevers (Silber) und Schäfer blieben sicher, der Rest ruderte, wackelte oder fiel.

Keine Probleme mit ihren Nerven hatten am Samstag die meisten von Sophie Scheders Konkurrentinnen gezeigt. Ihr Finale endete mit einem Rekord - mit vier Weltmeisterinnen auf einmal, sämtlich mit der Note 15,336. Auf dem Podium wurde es eng, Schäfer hatte einen Tag später genügend Platz.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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