Die einzig gute Nachricht zuerst: Das Regionalliga-Spiel von Türkgücü München gegen den 1. FC Nürnberg II am Samstag kann wie geplant stattfinden (14 Uhr, Anlage des SV Heimstetten). Wobei schon die Formulierung „wie geplant“ bei Türkgücü riskant ist: Der Fußballverein lebt nur noch von Tag zu Tag und ringt ums sportliche Überleben. Das war in den vergangenen Jahren zwar selten anders, denn Türkgücü verfügt über kein eigenes Stadion und hat oft improvisieren müssen. Dieses Jahr aber steckt der Klub zum einen im Abstiegskampf: Zusammen mit Eintracht Bamberg und der SpVgg Hankofen-Hailing liefert man sich nun ein Fernduell um einen Relegationsplatz – bei zwei Absteigern. Türkgücü ist derzeit Vorletzter, jeder Punkt ist also wichtig. Und Türkgücü zahlt tausende Euro drauf, wenn sie nicht antreten, und noch einiges mehr für Stadionmieten.
Vor allem aber hat die Problematik diesmal eine Dimension angenommen, die auch andere Vereine mit hineinzieht, denn diesmal findet fraglos eine Wettbewerbsverzerrung statt. Hauptproblem dabei ist das Fehlen eines zuverlässig zur Verfügung stehenden Stadions für sogenannte Risikospiele. So fand Türkgücü für das Heimspiel gegen den FC Schweinfurt keine Spielstätte, der designierte Meister aus Unterfranken erhielt die drei Punkte am Grünen Tisch. Dann fiel auch noch das Spiel gegen Wacker Burghausen aus, gegen das Urteil – wie gegen Schweinfurt Wertung für den Gegner sowie 3000 Euro Strafe – will Türkgücü laut Präsident Taskin Akkay jetzt Einspruch einlegen.
In Heimstetten kostet ein Heimspiel Türkgücü bis zu 17 000 Euro Miete, Präsident Akkay spricht von „Willkür“
Türkgücü findet, dass man eine Stunde vor Ablauf der Frist zur Stadionbenennung eine ausreichende Anzahl an verletzten und erkrankten Spielern nachweisen konnte. Das sah der Bayerische Fußball-Verband (BFV) nach Prüfung der Atteste anders. Für die beiden verbleibenden Heimspiele der Saison, gegen Nürnberg II und gegen Aschaffenburg, steht kein Münchner Stadion mehr zur Verfügung. Die Mietkosten in Heimstetten sind hoch, bis zu 17 000 Euro kann eine Partie kosten. Akkay sagt: „Wir werden uns dagegen wehren“, denn der Betrag habe „vertraglich keine Basis, das ist Willkür.“ Akkay deutet auch an, kurz einmal darüber nachgedacht zu haben, die letzten beiden Heimspiele nicht mehr auszutragen. Dann wäre man insgesamt viermal nicht angetreten, der Verein würde ans Tabellenende gesetzt und alle Partien aus der Wertung genommen. Und: Türkgücü müsste in der untersten Liga neu starten. Da ist ein sportlicher Abstieg zwar teurer, würde aber zumindest die fünftklassige Bayernliga ermöglichen.
Ganz nebenbei wartet der Münchner Verein auch noch auf das Urteil des Schiedsgerichts im Fall Schwaben Augsburg. Vier Vereine hatten in dem Rechtsstreit, der schon seit Oktober wegen einer nicht beachteten U23-Regel der Schwaben im Gang ist, die nächste Instanz angerufen. „Vielleicht denken sie ja, das Ganze löst sich von selbst, sie haben auch ihr Kalkül“, sagt Akkay mit Blick auf den Verband. Wobei das „auch“ in seinem Satz viel verrät über die Beziehungen der beteiligten Parteien. Die Beteiligten rechnen damit, dass die Punkte bei Schwaben Augsburg bleiben, die Entscheidung könnte in der kommenden Woche bekanntgegeben werden.

Es geht aber gar nicht nur darum, ob Türkgücü die aktuelle Saison noch übersteht. An diesem Freitag endet die Frist für eine spezielle Vorgabe an Türkgücü: Der Verein muss seine uneingeschränkte Stadionverfügbarkeit für die kommende Spielzeit nachweisen, früher als sonst. Dem Vernehmen nach werden diesmal auch keine administrativen Hintertürchen offengehalten, wie es früher schon einmal der Fall war – wenn etwa Bescheide oder Mietverträge nachgereicht werden mussten. Akkay sagt: „Wir werden zwei Stadien benennen und die Fristen einhalten“, und zwar zwei Stadien in München. Hier wird Akkay in seiner Kritik besonders deutlich, denn um die Verfügbarkeiten zu erhalten, sei eine Ochsentour nötig. Er bekomme das Gefühl, dass seitens des zuständigen Sportamts „ganz prinzipiell langsam gemacht“ werde, damit Türkgücü die Auflagen für die kommende Saison nicht erfüllen kann. Man sei förmlich gezwungen, „alle Hebel in Bewegung zu setzen, also auch auf der politischen Ebene“. In diesem Zusammenhang schwingt auch der Vorwurf der Diskriminierung mit.
Dass an diesem Wochenende das Dantestadion nicht zur Verfügung steht, war allerdings klar abgesprochen. Ursprünglich sollte die Arena wegen der dort ansässigen Footballer und Leichtathleten gar nicht zur Verfügung stehen, dann schaffte Türkgücü es auch hier, seine Füße auf den Rasen zu bekommen, nicht aber für Risikospiele. Für die Stadt bedeutet der zusätzliche Gast fraglos erheblichen Mehraufwand. Jetzt fragt Akkay, warum die zweite Mannschaft der Munich Cowboys ihr Heimspiel nicht um einen Tag verschieben kann, und warum Football und Fußball nicht am selben Wochenende stattfinden können. „Man findet immer Sonderlösungen, wenn man will“, sagt er. Doch wenn man sich in der Sportstadt umhört, schwindet schlicht dieser Wille. Es habe schon zu viele Sonderlösungen für Türkgücü gegeben, heißt es immer wieder.
In der Bayernliga könnte Türkgücü alle Heimspiele auf der heimischen Bezirkssportanlage austragen
Fakt ist auch, dass die Behörden und der Verband über Jahre viele Augen zugedrückt haben. So hat Türkgücü aus früheren Spielzeiten beispielsweise noch lange nicht alle Stadionmieten beglichen, die Schulden sollen sich auf einen sechsstelligen Betrag belaufen – und dies sind laut SZ-Informationen noch lange nicht die einzigen Verbindlichkeiten, die den Verein drücken sollen. Das Problem ist, dass die Lizenzierung für die vierte Liga in Sachen Stadion- und Sicherheitsvorgaben sehr streng ist, eine Finanzprüfung aber nicht stattfindet. Ob er denn das Gefühl habe, die Stadt mache die Schuldentilgung zur Bedingung für künftige Verfügbarkeiten? Dieses Thema werde besprochen, sagt Akkay, aber „entscheidend für die Verfügbarkeit einer Spielstätte müssen andere Sachen sein“.
Vielleicht klappt es diesmal noch, dass Türkgücü die Lizenz für die nächste Regionalligasaison erhält. Vielleicht erreichen sie auch noch den Relegationsplatz und schaffen den sportlichen Verbleib in der vierten Liga. Doch so optimistisch wie früher hört sich der Präsident nicht mehr an: „Langsam ist man müde, nächstes Jahr wird es noch härter“, prophezeit er. Wenn Türkgücü eine Spielstätte hätte, die um die 1500 Euro pro Heimspiel kostet, so wie bei den meisten anderen eben, sähe er Türkgücü langfristig in der Regionalliga. „Aber zu den jetzigen Bedingungen, wo alle nur versuchen, sich an uns zu bereichern, da sehe ich keine Regionalliga-Tauglichkeit mehr.“
In der Bayernliga übrigens könnte Türkgücü problemlos alle Heimspiele auf der heimischen Bezirkssportanlage an der Heinrich-Wieland-Straße austragen.