Süddeutsche Zeitung

Türkgücü München:Prozess aus Prinzip

Der Münchner Drittligist kommt nicht zur Ruhe, ein Gerichtstermin jagt den nächsten: Der frühere Trainer Reiner Maurer klagt wegen seiner Aufstiegsprämie. Ein weiterer Rechtsstreit wurde dagegen offenbar gerade noch verhindert.

Von Thomas Gröbner und Christoph Leischwitz

In diesen Tagen taucht Türkgücü München häufiger in den Gerichtssälen auf als in den Strafräumen der dritten Fußball-Liga. Einen Tag nach der Niederlage vor einem Schiedsgericht in Nürnberg, das Türkgücü das Spielrecht im DFB-Pokal gegen Schalke verwehrte und es dem Regionalligisten FC Schweinfurt zusprach, stand schon der nächste Termin an. Diesmal war der Schauplatz das Arbeitsgericht in München, der Kläger: Türkgücüs Aufstiegstrainer Reiner Maurer, 60.

Er hat schon viel gesehen im Fußball. Er war Trainer bei 1860 München, auf Kreta und Rhodos. Aber so etwas wie bei Türkgücü, sagt er, das habe er nicht einmal im skandalumtosten griechischen Fußball erlebt.

Maurer war verpflichtet worden, um den ambitionierten Regionalligisten in die dritte Liga zu hieven, ausgestattet mit einem Vertrag über nur ein Jahr. Nachdem die Regionalliga corona-bedingt unterbrochen worden war und der souveräne Spitzenreiter Türkgücü zum Aufsteiger erklärt wurde, hatte Maurer eigentlich seine Mission erfüllt - und möchte nun eine Aufstiegsprämie ausgezahlt bekommen. Die Krux: Eine schriftliche Vereinbarung dieser von Maurer auf 20 000 Euro netto angegebenen Summe existiert nicht. Die Prämie sei aber laut Maurer mündlich vereinbart worden mit Türkgücüs allmächtigem Präsidenten Hasan Kivran. In der Auseinandersetzung geht es nun um die Frage, ob das Gericht diese Vereinbarung anerkennt.

Doch für Maurer geht es inzwischen um mehr als nur Geld. Schon vor der Verhandlung hatte er angekündigt, er sei gewillt, es durchaus auf einen Prozess ankommen zu lassen. Er freue sich darauf, "dann wird alles auf den Tisch kommen", es gehe ihm mittlerweile "ums Prinzip". Kivran mache seine Geschäfte auf die "übelste Art", so Maurer, das wolle er ihm nicht durchgehen lassen. Beide Parteien konnten sich nicht einigen, das Angebot von Türkgücü über 15 000 Euro brutto wollte Maurer nicht annehmen. Man wird sich wohl wiedersehen vor Gericht, vermutlich im März 2021.

BFV will kein "Fußabstreifer für hochmütige Geschäftsführer" sein

Der Pokal-Rechtsstreit und die Güteverhandlung mit Maurer sind derzeit nicht die einzigen Betätigungsfelder für Türkgücüs Anwälte. So hatte auch der ehemalige Geschäftsfüher Robert Hettich, der Ende Februar zurückgetreten war, auf die Auszahlung einer Aufstiegsprämie gewartet. Der Unterschied zu Maurer: Diese Prämie war vertraglich festgehalten worden. Trotzdem wollte Türkgücü zunächst nicht zahlen, der Betrag wurde mit drei Monaten Verspätung überwiesen. Jetzt geht es noch um die von Hettich vorgeschossenen Anwalts- und Gerichtskosten im niedrigen vierstelligen Bereich. Die diesbezügliche Güteverhandlung sollte ebenfalls am Mittwoch stattfinden. Sie wurde allerdings wegen Erkrankung des Richters verschoben.

Ein weiterer Rechtsstreit konnte offenbar gerade noch verhindert werden. Nach SZ-Informationen gibt es mindestens zwei Spieler, die vom Verein freigestellt worden waren. Die Freistellung erfolgte Anfang Oktober, die Spieler fanden keinen anderen Verein mehr - das Transferfenster schloss am 5. Oktober. Die sich teilweise widersprechenden Begründungen dafür, dass die Spieler nicht mehr dem Kader angehören, haben in mindestens einem Fall dazu geführt, den Beschäftigungsanspruch durchsetzen zu wollen. Bei zumindest einem Spieler war dies erfolgreich, die Freistellung wurde nach vier Wochen widerrufen.

Ob und wie sich Türkgücü im Pokal-Rechtsstreit weiter positioniert, war am Mittwoch noch offen. Nach der Urteilsverkündung am Dienstag hatte Geschäftsführer Kothny gesagt, man prüfe weitere Schritte. Sein Kommentar bezüglich des "Micky-Maus-Gerichts", das ein Urteil "dahingerotzt" habe, zog einen Kommentar des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) nach sich. "Wer anerkennenswerterweise bei seinen Spielen großflächig für Respekt und Toleranz wirbt, sollte dies auch selbst vorleben", sagt Vizepräsident Reinhold Baier. Gerichte und Verbände seien "gewiss nicht der Fußabstreifer für hochmütige Geschäftsführer". Wer sich derart despektierlich im Ton vergreife und ein neutrales, unabhängiges Schiedsgericht nicht respektiere, schade "nicht nur sich selbst", sondern "nachhaltig dem Ansehen des Sports".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5096741
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.10.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.