Türkgücü München:Instinktsache

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Zusammen 25 Scorerpunkte in elf Ligaspielen: Türkgücus Angreifer Petar Sliskovic und Sercan Sararer (rechts). (Foto: Gabor Krieg/Picture Point/Imago)

Der Aufsteiger verfügt in Sercan Sararer und Petar Sliskovic über das beste Stürmerduo der 3. Liga.

Von Christoph Leischwitz

Gut angefangen hatte die Sache ja ganz und gar nicht für Petar Sliskovic. Am ersten Spieltag, gegen den FC Bayern München II, hatte er Chancen für mehrere Spiele vergeben, mehrmals schlug er die Hände über den Kopf zusammen damals, und später ärgerten sie sich beim Drittliga-Aufsteiger Türkgücü München, dass sie zum Profiauftakt nur 2:2 gespielt hatten. Bei einem Stürmer, heißt es gerne, hängt ja viel vom Selbstvertrauen ab. Aber schon eine Woche später war das Problem behoben. Zehn Tore hat Sliskovic mittlerweile erzielt in elf Partien, und nicht weniger als sieben davon hat ihm derselbe Spieler aufgelegt: Sercan Sararer.

Die Fähigkeiten des mittlerweile 31-jährige Spielmachers und ehemaligen Bundesligisten waren von Beginn an offensichtlich. Dreimal in Serie wurde er damals vom Kicker zum Spieler des Spieltags gewählt, das gab es davor überhaupt erst einmal, ligaübergreifend, Toni Kroos war das mal gelungen. Seitdem spielt Sararer nicht mehr ganz so spektakulär, zumindest nicht mehr immer. Und Schwächen waren auch schon auszumachen beim Kapitän. Defensiv arbeitet er nicht immer mit, er scheint sich manchmal die Kräfte zu sparen für seine Offensivsprints oder die nächste Eins-gegen-eins-Situation. Und er hat einen starken Hang zu gelben Karten, gerne auch mal wegen einer Schwalbe.

Aber dann begann Sliskovic auch, Sararers viele Vorlagen regelmäßig zu verwerten. Wenn es läuft, dann läuft es richtig: Vier Mal ist Sliskovic schon ein Tor-Doppelpack gelungen. Drei Mal gelang den beiden schon ein Assist-Doppelpack (beim 4:4 in Mannheim legten sie sich gegenseitig jeweils einen Treffer auf), zuletzt beim Derby gegen 1860 München (2:2). Etwas viele Gegentore bekommt Türkgücü freilich, trotzdem könnten sie dank ihrer starken Offensive am Mittwochabend (19 Uhr) die Sechziger in der Tabelle überholen und damit die beste Münchner Mannschaft sein. Und das Spiel bei Hansa Rostock ist auch nur das erste von zwei Corona-bedingten Nachholspielen.

Auch die Schlüsselspieler müssen sich ihre Kräfte einteilen: Innerhalb von 18 Tagen stehen fünf Partien an

"Das hat sich so herauskristallisiert", sagt Trainer Alexander Schmidt auf die Frage, warum es vor allem mit diesem Angriffsduo so gut läuft. Auf vielen Positionen herrscht eine hohe Fluktuation in der Startelf, der Konkurrenzkampf ist enorm. So war das ja auch gedacht: Dem neuen Trainer wurden für sein Projekt viele Mosaiksteinchen zur Verfügung gestellt. Die meisten schiebt er regelmäßig hin und her, manche lässt er auch mal komplett weg, er kann stets entscheiden, welche Steine am besten zusammenpassen.

Die Frage sei ihm in den vergangenen Wochen oft gestellt worden, sagt wiederum Sliskovic. Der 29-jährige Angreifer, der jetzt schon genauso viele Tore erzielt hat wie in den beiden Spielzeiten davor für Duisburg und den VfR Aalen zusammen, verweist gerne auf Sararer. "Er ist ein intelligenter Spieler. Manche Sachen kann man nicht trainieren, er hat es einfach. Und er checkt meine Laufwege." Sararer bestätigt: "Ich habe seine Laufwege für mich abgespeichert." Das bedeutet allerdings, dass er eine ziemlich große Festplatte haben muss. Denn die Tore fallen auf höchst unterschiedliche Weise: nach einem schnell ausgeführten Freistoß, flache Hineingabe von links, flache Hereingabe von rechts, Flanke von links, Flanke von rechts.

Natürlich hilft viel Training, um die nonverbale Kommunikation zwischen Spielern zu fördern. Aber vieles davon, was auf dem Platz passiert, sei spontan. "Ich bin ja sowieso ein Instinktfußballer", sagt Sararer dazu. Und Spontaneität hin oder her, merkt Sliskovic an, wenn es so oft passiere wie zurzeit, "dann ist das irgendwann einfach die Qualität". Und das ist die schlechte Nachricht für die Gegner: So richtig einstellen kann man sich auf dieses Duo nicht. Sararer hat im Spiel nach vorne so viele Freiheiten, dass dem Sturm und Drang des Aufsteigers nicht mit einem festen Defensivkonzept beizukommen ist, eher schon mit denselben Waffen: Instinkt und Qualität.

Doch der Kader mag noch so groß sein, auch bei Türkgücü wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wie gut sich die Schlüsselspieler die Kräfte einteilen können: fünf Spiele in 18 Tagen stehen nun an. Am Wochenende steht das vorerst letzte Heimspiel im Olympiastadion an, das dritte Derby - gegen die SpVgg Unterhaching. Es soll eine weitere Offensivkraft verpflichtet werden, ist zu hören, es soll sich um den gebürtigen Münchner Mehmet Ekici oder um den früheren Dresdner Baris Atik handeln. Das dürfte eine schlechte Nachricht sein für Spieler wie etwa Ünal Tosun, die regelmäßig um Startelf-Einsätze kämpfen müssen. Sararer und Sliskovic dürften sich davon hingegen nicht aus der Ruhe bringen lassen - eher wird ihnen eine weitere Verstärkung nur noch mehr Freiheiten bescheren.

© SZ vom 02.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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