Türkei:Erdoğan braucht die Fußball-EM

Türkei: Großer Sport in Schweden: Emre Akpaba sicherte der Türkei mit zwei späten Toren einen 3:2-Sieg.

Großer Sport in Schweden: Emre Akpaba sicherte der Türkei mit zwei späten Toren einen 3:2-Sieg.

(Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)
  • In der Endphase der Bewerbung um die Fußball-EM versuchen sowohl die Deutschen als auch die Türken, negative Schlagzeilen zu vermeiden - das gelingt beiden aber nicht.
  • Beim Länderspiel gegen Russland entrollten Aktivisten ein Transparent, auf dem zu lesen stand: "Share Together: "Shame Forever". Es ist ihr Protest gegen Korruption im Verband.
  • Angesichts der Krise im Land wäre eine erfolgreiche EM-Kampagne ein Befreiungsschlag für Präsident Erdoğan.

Von Tobias Schächter

Emre Akbaba hat dem türkischen Fußball endlich mal wieder positive Schlagzeilen beschert: Die Türken gewannen Montagnacht in Stockholm durch zwei späte Tore des Offensivspielers von Galatasaray Istanbul das Nations-League-Spiel in Schweden nach 0:2-Rückstand noch 3:2. Nach dem 1:2 zum Auftakt in Trabzon gegen Russland hat die Mannschaft des rumänischen Trainers Mircea Lucescu also weiterhin Perspektiven in ihrer Gruppe. Ob sich die Türken für die EM 2020 qualifizieren, steht aber erst im Spätherbst 2019 fest - doch schon in gut zwei Wochen, am 27. September, wird bekannt sein, ob die Türkei oder Deutschland die folgende EM 2024 ausrichten. Denn dann entscheiden die 18 Mitglieder des Uefa-Exekutivkomitees, welcher der beiden Bewerber den Zuschlag bekommt.

In der Endphase der Bewerbung versuchen beide Seiten, negative Schlagzeilen zu vermeiden. Das aber gelingt weder den Deutschen noch den Türken. Zum ersten Mal seit mehr als acht Jahren fand vorigen Freitag wieder ein Länderspiel in Trabzon statt. Das war für den Türkischen Fußball Verband heikel. Der Verein Trabzonspor liegt mit dem TFF seit dem großen Manipulationsskandal von 2011 im Streit.

Damals erkaufte sich Fenerbahce Istanbul den Meistertitel, Aziz Yildirim, der Präsident von Fenerbahce, wurde zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt. Während die Uefa daraufhin Fenerbahce zwei Jahre für internationale Wettbewerbe sperrte, erkannte der türkische Verband Fenerbahce den Titel bis heute nicht zugunsten des damaligen Zweiten Trabzonspor ab. Der Strafrechtsprozess gegen die Verurteilten wurde aufgrund von Gesetzesänderungen neu aufgerollt, Yildirim und andere Funktionäre wurden freigesprochen. Trabzon klagt vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas, unter anderem gegen den TFF, Aktivisten kämpfen "für Gerechtigkeit und gegen Korruption im Verband".

Bei jeder Gelegenheit wird Präsident Erdoğan für die Kampagne eingespannt

Beim Länderspiel gegen Russland entrollten Aktivisten ein Transparent, auf dem zu lesen stand: "Share Together: "Shame Forever" - Match Fixing is supported by Turkish Football Federation." Aus dem offiziellen Claim der türkischen EM-Bewerbung "Share Together" (Gemeinsam teilen) machten die Aktivisten eine "Schande für immer" - und ergänzten: "Manipulation wird vom Türkischen Fußball Verband unterstützt." Einige der Banner-Gestalter wurden vorübergehend festgenommen, ihnen drohen Stadionverbote.

Die Erfolgsaussichten der türkischen Bewerbung werden derzeit aber vor allem durch die Währungskrise im Land getrübt. Die Lira hat seit Jahresbeginn rund 40 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren. Das stürzt die ohnehin notorisch verschuldeten türkischen Fußballklubs in existenzielle Nöte, weil die ihre Spieler sowie Kredite bei Banken vor allem in Euro und Dollar bezahlen müssen. Wirtschaftsexperten prognostizieren keine schnelle Verbesserung der Lage, eher eine Verschärfung. Ob die Uefa ihre größte Geldvermehrungsmaschine, die EM, an ein Land in einer massiven Wirtschaftskrise vergibt, ist insofern eine spannende Frage.

Die Türkei glaubt, einfach mal dran zu sein

Die EM 2016 in Frankreich brachte dem Kontinentalverband einen Gewinn von 800 Millionen Euro. Um die Bilanzen zu maximieren, fordert die Uefa vom Staat des ausrichtenden Landes Garantien, unter anderem Steuerfreiheit. Nach der Bid-Book-Abgabe der Türken zitierte die Uefa den TFF-Chef Yildirim Demirören in einer Pressemitteilung so: Die Türkei verspreche "eine noch nie da gewesene Unterstützung, alle Garantien wurden ohne jeden Vorbehalt gegeben, inklusive einiger zusätzlicher Garantien, die den wirtschaftlichen Erfolg des Turniers absichern".

Welche "zusätzlichen Garantien" das sind, ist bisher nicht bekannt. DFB-Präsident Reinhard Grindel erklärte dazu auf der Sportbusinessmesse "SpoBis" im vergangenen Februar: "Bei allen Staatsgarantien, die die Uefa verlangt, ist mein Eindruck so, dass Herr Erdoğan auch im großen Stil geneigt ist, diese zu unterstützen."

Die Türkei glaubt, einfach mal dran zu sein mit der Ausrichtung eines großen Turnieres, mehr als zwei Dutzend neue Stadien wurden in jüngster Zeit gebaut. Auch der Rücktritt Mesut Özils aus der deutschen Nationalelf nach dem Wirbel um die Fotos von Özil und İlkay Gündoğan mit Erdoğan spricht aus türkischer Sicht nicht für eine EM-Vergabe nach Deutschland.

Doch angesichts des Verfalls der Lira setzt die Türkei auf die harten Faktoren. Jüngst verschickte der TFF ein 74 Seiten dickes Hochglanzmagazin zur Bewerbung an europäische Medienvertreter. In diesem ist neben einem großen Bild von Erdoğan zu lesen: "Unser Präsident zeigt seinen starken Willen, die türkische EM-Bewerbung zu erleichtern und unterstützt unsere Kandidatur auf ganzer Linie."

Angesichts der Krise im Land wäre eine erfolgreiche EM-Kampagne ein Befreiungsschlag für Erdoğan. Die zwei späten Tore von Emre Akbaba in Stockholm wären dagegen nur eine Marginalie.

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