TTBL:Neben der Welle

TTBL: Eine Winzigkeit fehlt: Ioannis Sgouropoulos vom TTC Neu-Ulm im Heimspiel gegen Mühlhausen.

Eine Winzigkeit fehlt: Ioannis Sgouropoulos vom TTC Neu-Ulm im Heimspiel gegen Mühlhausen.

(Foto: Andreas Liebmann)

Der TTC Neu-Ulm unterliegt dem Post SV Mühlhausen - auch weil Zugang Ioannis Sgouropoulos zurzeit nicht ganz mit der Euphorie seiner Teamkollegen mithalten kann.

Von Andreas Liebmann

Ioannis Sgouropoulos dachte kurz nach. Es hätte sein Tag werden können. Der TTC Neu-Ulm hatte auf ihn als Nummer eins vertraut im Ligaspiel gegen den Post SV Mühlhausen, und nun war er es, von dem die Journalisten etwas hören wollten. Die kleine Tribüne war bereits fast leer, sein Blick ging vorbei an den Gesprächspartnern mit ihren Schreibblöcken und blieb an jener Platte hängen, an der er zuvor seine beiden Einzel verloren hatte. Es war nun doch nicht sein Abend. Was falsch gelaufen sei in seinen Spielen? Ob er etwas hätte anders machen sollen? Nach einer Weile drehte Sgouropoulos den Kopf zurück und antwortete mit festem Blick: "Nichts. Ich habe alles versucht."

21 Jahre jung ist Sgouropoulos, man vergisst das manchmal, wenn man ihn sieht. Weil er schon seine dritte Saison spielt in der Tischtennis-Bundesliga (TTBL), und vielleicht auch, weil er ein bisschen älter aussieht. 2:3 hatte sein Team verloren an diesem Freitagabend, es ist nun Fünfter. Dabei hatte alles so gut begonnen. 11:5 und 13:11 hatte er in der Auftaktpartie gegen Steffen Mengel geführt, und das ist ja nicht irgendwer: Mengel, der deutsche Nationalspieler, stand mal auf Rang 25 der Weltrangliste. 2013 war er deutscher Einzelmeister, nach einem Finalsieg gegen Timo Boll. Zwei Sätze lang hatte Sgouropoulos alles im Griff, wusste immer die bessere Antwort, regelte vieles über kluge Platzierung seiner Bälle, blockte ein paarmal clever mit der Rückhand und war mit der Vorhand zur Stelle, wenn Mengel zu harmlos angriff. Spielerisch leicht sah das aus, er ließ Mengel, zwölf Jahre älter und mit 1,95 Metern zwanzig Zentimeter größer als er, fast unbeweglich wirken.

Im Finale der Team-EM stand Deutschland fast der kompletten Neu-Ulmer Trainingsgruppe gegenüber

Dreimal in Serie war der Grieche Europameister, in der Jugend und in der U21. Zwei Jahre spielte er für Grenzau, ehe der TTC Neu-Ulm im Februar seine Verpflichtung bekannt gab. Als Sgouropoulos dann ankam in Neu-Ulm, da stellten die Verantwortlichen verblüfft fest, dass sie viel weniger Sgouropoulos für ihr Geld bekamen als angenommen - allerdings war das kein Reklamationsgrund: Der Neue hatte im Sommer 15 Kilo abgenommen, wirkte durchtrainiert. 3:11 und 6:19 lauteten seine Saisonbilanzen in Grenzau, nun hielt es Klubchef Florian Ebner gar für möglich, dass Sgouropoulos bald die neue Nummer eins sein könnte im Kader.

Dann kam alles ein bisschen anders. Zu Saisonbeginn hatte Kay Stumper einen Lauf, Neu-Ulms Jüngster: 4:1 TTBL-Siege hat der 18-Jährige mit seiner frechen Spielweise in der noch jungen Saison schon geholt. Im August war er Jugend-Europameister geworden, durfte dann sogar mit der A-Nationalmannschaft zur Team-Europameisterschaft reisen, bei der Deutschland vor wenigen Tagen den Titel holte. Und dann geriet das Finale der Team-EM ja zu einer Art Klassentreffen, weil die Deutschen auf drei junge Heißsporne aus Russland trafen: Vladimir Sidorenko, 19, Lev Katsman, 20, und Maksim Grebnev, 19 - fast die komplette Neu-Ulmer Trainingsgruppe, der sich Sgouropoulos im Sommer angeschlossen hatte (Grebnev tritt in der Liga für Bad Königshofen an). "Natürlich bin ich stolz", sagte Trainer Dmitrij Mazunov dazu, "wenn das vorher einer gesagt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt." Nun dürfe hier aber niemand in Euphorie verfallen: "Die Gegner werden uns jetzt noch mehr studieren - es bleibt harte Arbeit."

Sgouropoulos jedenfalls war in der Liga bisher kaum eingesetzt worden von Trainer Mazunov. Nun aber war der Rest des Teams nicht nur voller Selbstvertrauen, sondern auch erkältet aus dem rumänischen Cluj heimgekehrt - für Sgouropoulos der perfekte Tag, um den eigenen Wert im Team zu unterstreichen. Vielleicht dachte er bei der späteren Fragerunde an die letzten Ballwechsel gegen Mengel: 9:7 führte Sgouropoulos im fünften Satz, in den Mengel sich hineingekämpft hatte, verlor dann einen rasanten Schlagabtausch aus der Halbdistanz - und hatte bis zum 9:11 gleich dreimal Pech mit der Netzkante. Wie so oft in der besten europäischen Liga entschieden Winzigkeiten.

Katsman pushte sich gegen Habesohn, er brüllte. Sgouropoulos passt deutlich weniger ins Rollenbild der jungen Wilden

Das galt im Anschluss auch für Katsman und Tiago Apolonia, die Neu-Ulm mit ihren 3:2-Siegen gegen Daniel Habesohn und Irvin Bertrand in Führung brachten. Tiago und die jungen Wilden - etwa nach diesem Motto ist der TTC-Kader zusammengestellt. Katsman pushte sich gegen Habesohn, er brüllte, er wehrte Matchbälle ab und setzte sich durch. Apolonia, 35, bot seine ganze Routine auf, dann reckte er die Faust Richtung Klubchef Ebner, der auf der halbvollen Tribüne saß - weil die 3G-Regel zu kurzfristig kam, hatte der Verein keine Tickets verkauft. Sgouropoulos aber mag nicht recht ins Rollenbild der "Wilden" passen. Auch sein zweites Einzel gegen Habesohn verlor er, diesmal etwas klarer, stiller. Der Österreicher unterstrich hernach den Unterschied zwischen seinen Gegnern. "Ich war gut schlagbar heute", gab er zu. Katsman habe das genutzt, "er ist auf so einer Welle". Und Sgouropoulos? "Es ist viel möglich mit Kampfgeist; wenn du deinem Gegner zeigst, dass du willst", dozierte Habesohn, 35. "Das habe ich nicht gesehen, und das war in diesem Spiel tödlich."

Körpersprache also. Tatsächlich war auch Coach Mazunov gar nicht unzufrieden mit Sgouropoulos: "Er hat es gut gemacht. Aber er hat wenig Selbstvertrauen und zieht sich mit jedem schlechten Ball runter." Man habe die eigenen Chancen nicht genutzt, schließlich hätte ein glücklicheres Ende des Auftakteinzels leicht einen 3:0-Heimsieg bedeuten können. Erfahrungen, die ein derart junger Kader eben machen muss, das hatten die Neu-Ulmer durchaus einkalkuliert. Sgouropoulos müsse nur mal "die Zähne zeigen".

Auch der junge Grieche fand noch selbst die Antwort darauf, was er anders machen müsse. "Ich muss an mich glauben."

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