1860 - Bochum:Kopf, Hand und Pfosten

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Tim Hoogland köpft für Bochum gegen den chancenlosen 60er-Torwart Stefan Ortega. (Foto: MIS)

Ein irreguläres Tor besiegelt das Pokal-Aus von 1860 München gegen Bochum - die Löwen-Funktionäre fordern nun Geld für Verstärkungen von Investor Ismaik.

Von Philipp Schneider, München

Die gute Nachricht an diesem Abend ereilte die Freunde des TSV 1860 München kurz vor Anpfiff. Hasan Ismaik war wieder da. Tatsächlich. Drei Wochen nach seinem letzten Besuch in München. Dem Vernehmen nach hatte Ismaik vor dem Anpfiff sogar eine Aufsichtsratssitzung abgehalten und sich bereits mit Präsident Peter Cassalette ausgetauscht. Am Abend dann aber saß der Jordanier auf einer harten Sitzschale im Vip-Bereich der Fröttmaninger Arena, und durch den hartnäckigen Nieselregen an einem beachtlich warmen Dezemberpokalabend in München erblickte er: den sportlichen Hilfeschrei einer Mannschaft, die ja auch seine ist. Ismaik sah mit an, wie der VfL Bochum den TSV 1860 im Achtelfinale mit einem 2:0 (2:0) aus dem Pokal beförderte. Er sah ein blitzschnell vorgetragenes Solo von Janik Haberer zum 1:0 (39.), er sah ein irreguläres 2:0, das Tim Hoogland mit dem Unterarm erzielte. Aber letztlich sah Ismaik: einen chancenlosen TSV 1860 München.

"Das ist zu wenig, viel zu wenig", sagte Sechzigs Sportchef Oliver Kreuzer nach der wettbewerbsübergreifend dritten Heimniederlage in Serie: "Spielerisch zu wenig. Vom Tempo her. Und physisch." So sah das auch Trainer Benno Möhlmann: "Unterm Strich sind wir verdient raus!"

Dass der arme Klub mehr als eine Million Euro zusätzliche Einnahmen hätte verbuchen dürfen, wenn die Mannschaft das Viertelfinale erreicht hätte, das hatte diese Partie aus Münchner Sicht mit existenzieller Bedeutung aufgeladen. Die von Möhlmann ersehnten Winterzugänge ("zwei, drei Handwerker") werden nun kaum zu finanzieren sein. Denn Ismaik hatte zwar im September Anteile einer jordanischen Immobilienfirma erworben und überraschend sein Interesse an Stadionprojekten auf Giesings Höhen bekundet. Anstelle von neuen Spielern hatte er vorgeschlagen, den kostengünstigen "Weg, auf unsere Talente zu setzen, konsequent weiter zu gehen". Nun wird man sehen, ob er diesen Weg bis ans Ende schreiten wird.

"Im Winter müssen Verstärkungen her", forderte Kreuzer: "Ich hoffe, dass das jetzt alle so sehen, nicht nur die Sportliche Leitung."

Dass es nach zehn Minuten noch 0:0 steht, gleicht aus Münchner Sicht einem Wunder

Im Vergleich zu der Mannschaft, die zuletzt 1:3 gegen den FSV Frankfurt verloren hatte, änderte Möhlmann vier Positionen; seine Aufstellung war ein Dokument des Zorns. Wie geplant rotierte Stefan Ortega anstelle von Vitus Eicher ins Tor. In Marius Wolf und Fejsal Mulic rückten aber beide Flügelspieler auf die Bank, für sie spielten links Richard Neudecker, rechts Daylon Claasen. Und Stefan Mugosa lief im Sturm auf neben Rubin Okotie: Es war eine deutlich offensivere Ausrichtung zum Preis des Verzichts auf Spielmacher Michael Liendl.

Die erste Chance hatten die Gäste nach drei Minuten: Claasen ließ Marco Terrazino passieren, ein Pass auf Peniel Mlapa, Außennetz. Die Szene geriet zum Auftakt eines Sturmlaufs des Tabellensechsten der Zweiten Liga. Die Münchner verloren fast alle Zweikämpfe in Strafraumnähe, warfen sich aber immerhin noch in die Schüsse: Claasen blockte einen Schuss von Timo Perthel, Ortega parierte einen Freistoß von Terrazino, Ortega fing einen Kopfball von Patrick Fabian. Dass es nach zehn Minuten noch 0:0 stand, glich einem Wunder.

Sechzig zog sich weit in die eigene Hälfte zurück, und Bochum drängte immer weiter. Einmal drückte Mugosa einen Kopfball aufs Tor. Er drückte ihn aber direkt in die Arme von Manuel Riemann (19.). Nach 25 Minuten geschah etwas Kurioses: Bochum stellte seine Spielgestaltung ein, zog seine Reihen zurück, nur Mlapa lauerte auf Höhe der Mittellinie. Fast brachte sich Neudecker nach Doppelpass mit Mugosa in aussichtsreiche Position, fast hätte er den finalen Pass erlaufen (30.). Sechzig wurde mutiger, forsch passte Mugosa auf Adlung, frech zog der ab, Riemann klärte (39.). Dann aber brach die Löwen-Welt zusammen, innerhalb von nur fünf Minuten. Zunächst ließ Yegenoglu Haberer ungestört durchs Zentrum marschieren und treffen (39.) Kurz vor der Pause brachte dann Hoogland auf irreguläre Weise einen Freistoß im Tor unter (44.). "Ich springe hoch, berühre den Ball mit dem Kopf. Die Hand war auch mit dabei, der Pfosten auch", gestand Hoogland, meinte aber: "Der Ball wäre so oder so rein." Das sah Kreuzer anders. An der Seitenlinie applaudierte er mit höhnischer Geste in Richtung von Schiedsrichter Marco Fritz.

Die zweite Halbzeit begann mit einer Überraschung, denn Möhlmann änderte: nichts. Immerhin drängte seine unveränderte Mannschaft auf den Anschlusstreffer. Einen Distanzschuss von Adlung kurz nach Wiederanpfiff wischte Riemann in höchster Not mit den Fingern aus dem Winkel. Für Bochumer, das sich mit einer höflich-distanzierten Abwehr begnügte, schoss Hoogland noch einmal aufs Tor (68.). Für große Aufregung sorgte ein Schuss von Okotie im Strafraum an die Hand von Gilano Wijnaldum; Fritz ließ weiterspielen (87.), obwohl man auch hier auf Handspiel eines Bochumers hätte entscheiden müssen - und damit Elfmeter.

Im Pokal hatten die Münchner die Bundesligisten Hoffenheim und Mainz besiegt, der Pokal war so etwas wie ihr letzter Rückzugsort im Abstiegskampf gewesen. Auch von dort wurden sie nun vertrieben.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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