TSV 1860 München:Toilettengang ins Glück

25 10 2016 Fussball DFB Pokal 2016 2017 2 Runde Würzburger Kickers TSV 1860 München in der Fl

"Das war ein Abnutzungskampf", sagt 1860-Trainer Kosta Runjaic - seine Spieler hatten nach dem Elfmeterschießen noch die Kraft zum Feiern.

(Foto: MIS/imago)

"In der Gesamtsumme haben wir keine Startelf": Trainer Kosta Runjaic setzt bei 1860 in der Not auf Kampfgeist und Basisdemokratie. Für das wichtige Spiel gegen Aue hofft er auf Andrade und Ivica Olic.

Von Philipp Schneider

Sicher, man könnte die Situation auch anders einschätzen als Kosta Runjaic. Thomas Tuchel beispielsweise wäre wohl anderer Meinung als der Übungsleiter des TSV 1860 München. Der Trainer von Borussia Dortmund hatte Ende Mai nach der Niederlage im Pokalfinale gegen Bayern München die ganze Schuld auf sich geladen. Er habe vor dem Elfmeterschießen die falsche Entscheidung getroffen, sagte Tuchel, er hätte Sven Bender und Sokratis nicht schießen lassen dürfen, zumindest nicht in dieser Reihenfolge. "Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Manni und Papa als Zweiter und Dritter schießen, deshalb nehme ich die beiden voll auf meine Kappe", sagte Tuchel damals.

"Taktisch gut", "clever" und "beachtlich": Debütant Felix Uduokhai bekommt viel Lob

Kosta Runjaic musste am Dienstagabend nichts auf seine Kappe nehmen. Seine Mannschaft hatte ja mit 4:3 gewonnen gegen die Würzburger Kickers. Doch selbst wenn er in der Phase kurz vor dem Elfmeterschießen auf dem Rasen gewesen wäre und nicht auf der Toilette, weil er in den 120 torlosen Minuten "gefühlt acht Liter Wasser" getrunken hatte, wie er anschließend erzählte - Runjaic hätte seinen Spielern und Assistent Tuncay Nadaroglu die Schützenwahl sowieso nicht abgenommen. "Das müssen die Spieler selber entscheiden, das kann kein Trainer machen, das ist jedenfalls nicht mein Führungsanspruch", sagte Runjaic am Tag danach. Und dieser basisdemokratische Ansatz hatte ja wunderbar funktioniert.

So wie auch die übrigen Elemente von Runjaics Plan. Insbesondere die Nominierung des jungen Innenverteidigers Felix Uduokhai, dem außer einem nahezu fehlerfreien Debüt in der Profimannschaft ein sehenswertes Elfmetertor gelang. Eine "beachtliche Leistung" attestierte ihm Runjaic, zumal er nach neun Minuten bereits mit Gelb vorbelastet war und daher die übrigen 111 Minuten "taktisch gut" und "clever" gespielt habe. Der 19-Jährige hat sich nun mit seiner Leistung auch für das Ligaspiel an diesem Freitag (18.30 Uhr) gegen Erzgebirge Aue beworben, der angeschlagene Rodnei droht als Alternative mal wieder auszufallen.

Es war kein schönes Spiel gegen Würzburg, eher eine typische Zweitligapartie mit wenig Eleganz und viel Kampf. Da waren sich fast alle einig. Das schöne Spiel sei in dieser Phase auch nicht wichtig, sagte Runjaic, der vor allem mit Blick auf den Abstiegskampf in der Liga befand, "wir müssen ein Stück weit ergebnisorientiert spielen". Wenngleich Sportchef Thomas Eichin die Beobachtung, das Spiel habe den Sinn des Beobachters für Ästhetik kaum befriedigt, ein wenig missfiel. Er "lasse das nicht gelten", sagte Eichin, immerhin "hatten wir auch schon Spiele, da hieß es, das war spielerisch alles supersuper, aber Punkte haben wir keine geholt." Lange her alles.

Die ansehnlichen Spiele gab es bei Sechzig zuletzt in der Frühphase der Saison, bevor es plötzlich losging, dass sich ein Spieler nach dem nächsten verletzte. "In der Gesamtsumme haben wir keine Startelf", hat Runjaic nun festgestellt. Nach einer dreieinhalbstündigen Heimreise im Bus aus Würzburg und einer "sehr kurzen Nacht", wolle er "mal schauen, wer welche Wehwehchen hat", sagte der Trainer. "Das war gestern ein Abnutzungskampf. Und das hat man heute in der Kabine auch gesehen: dass viele ein bisschen am humpeln sind."

Der Brasilianer Andrade war schon während des Spiels gehumpelt. Nachdem er erst in der zweiten Halbzeit eingewechselt worden war, musste er nach wenigen Minuten schon wieder mit einer Knieprellung vom Feld. Mittwochnachmittag unterzog er sich einer Magnetresonanztomographie. Auch bei Rechtsverteidiger Filip Stoijkovic sei abzuwarten, wie gut er die Strapazen des Pokalspiels verkraften werde, sagte der Trainer. "Wir hoffen, dass er fit bleibt. Aber diese Art von Belastung hat er in den vergangenen Wochen nicht gehabt." Zumindest beim zeitgleich verletzten und wegen illegaler Fußballwetten gesperrten Ivica Olic besteht die Hoffnung, dass er gegen Aue wieder fit und spielberechtigt sein wird. "Ich gehe davon aus, dass er eine echte Option für uns ist", sagte Runjaic, dem nach der kurzweiligen Euphorie im Pokal die Ernüchterung im Ligabetrieb droht. Was ihm bleibt, das ist die große Lehre aus dem Spiel in Würzburg: "Im Fußball darf man auch mal punkten, wenn man weniger gut spielt", sagt Runjaic. Und das klingt doch nach einem geeigneten Plan im Abstiegskampf.

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