TSV 1860 München:Sechs goldene Punkte

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Erfolgreicher Abschluss eines nicht regelkonformen Angriffs: Stefan Lex erzielt nach einem ungeahndeten Foul von Aaron Berzel das 1:0 für 1860.

(Foto: imago/Matthias Koch)

Der TSV 1860 München spielt sich innerhalb von fünf Tagen auf Platz sieben der dritten Liga. Beim Sieg gegen Cottbus genügen zwei clevere Konter.

Von Philipp Schneider

Zwei tiefe Kratzer zeichneten seine rechten Wange, das Blut auf einem von ihnen sah aus wie gerade erst frisch getrocknet. Der überdies sehr traurige Cottbuser Torwart Kevin Rauhut bot also ein Bild des Jammerns, als er sich nach Spielende im Stadion der Freundschaft dazu bereit erklärte, seine jüngsten sportlichen Erlebnisse in Worte zu fassen. Er stand auf dem Rasen, von den Rängen dröhnten in diesem Moment die Gesänge der Fans, die seinen Namen skandierten. An ihm, Rauhut, hatte es nicht gelegen, dass Cottbus nach einem 1:2 (0:0) gegen den TSV 1860 München auf den vorletzten Tabellenplatz der dritten Liga gefallen war. Rauhut war ratlos. "Wir sind wieder in Rückstand geraten aus aktuell unerklärlichen Gründen für mich", sagte er. "Am zweiten Pfosten steht Mölders frei. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht, weil er keinen Bock hatte sich zu bewegen, oder weil er für so was halt ein Näschen hat."

Nun müsste sich die sagenhafte Effizienz des Stürmers Sascha Mölders, die sich manchmal lediglich im Gewande der Faulheit tarnt, ligaübergreifend längst herumgesprochen haben. Andererseits war es dem Schlussmann Rauhut in diesem speziellen Fall offenbar entgangen, dass Mölders vor seinem Torschuss einen beachtlichen Sprint von der Mittellinie gezeigt hatte. In jener rasanten Szene, die exemplarisch gelten darf für die Cleverness der Münchner, mit der sie am Samstag ihren ersten Auswärtssieg seit August herausspielten. Es waren zwei Konter, die den Löwen in einer ansonsten von zähen Zweikämpfen geprägten Partie genügten: in der 63. Minute schob Stefan Lex den Ball über die Linie, nachdem Rauhut den Ball nach Mölders Versuch zur Seite gelenkt hatte; vier Minuten vor Schluss erhöhte Winterzugang Prince-Osei Owusu auf 2:0. Beiden Toren vorausgegangen waren Konter über den flinken Nico Karger auf dem linken Flügel.

"Das war ein wichtiger Dreier", sagte Stefan Lex. "Wir haben ja letzte Woche schon einen wichtigen Dreier geholt gegen Aalen - und den wollten wir heute vergolden." Angesichts einer tatsächlich eingetretenen Vergoldung kann einer schon einmal mit den Wochentagen durcheinander geraten, schließlich datiert der Sieg gegen Aalen vom Montag dieser Woche. Diese innerhalb von fünf Tagen erspielten sechs Punkte genügten Sechzig nun, um auf Platz sieben in der Tabelle zu klettern. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem es mal wieder Unruhe gibt bei 1860, diesem Klub, in dem das Sportliche traditionell sehr gerne mal von der Politik überlagert wird.

Am Tag vor der Siegesserie war eine Sitzung des Aufsichtsrates ohne Annäherung der Gesellschafter zu Ende gegangen. Seither gibt es die Gewissheit, dass sich das Präsidium des Vereins dazu entschieden hat, dass der Klub keine weiteren Gelder von Investor Hasan Ismaik mehr annehmen wird. "Das Wirtschaften auf Pump frisst den Klub sonst auf", hatte das Präsidium noch vor der Sitzung mitgeteilt. "Das schließt Fremdmittel nicht für alle Zeiten aus. Unter bestimmten Bedingungen kann Fremdkapital dazu beitragen, unternehmerische Ziele auf kürzerem Weg zu erreichen, aber auch das ist irgendwann verzinst zurückzubezahlen. Wer glaubt, es wäre egal, wie viel Schulden das Unternehmen hat, folgt einem vergifteten Traum."

In jedem Fall hat sich die Aussicht auf den anstehenden "knallharten Konsilidierungskurs", von dem Geschäftsführer Michael Scharold gesprochen hatte, nicht leistungshemmend ausgewirkt gegen Cottbus. Torschütze Lex grinste und sprach: "Cottbus musste heute, wir konnten."

Etwas Glück war dann schon nötig, ehe sich die Münchner nach einer zähen ersten Halbzeit belohnten. Dem Konter über Karger und Mölders ging eine Balleroberung von Aaron Berzel voraus, die Anleihen beim Ultimate Fighting genommen zu haben schien. Berzel legte seinen Unterarm auf dem Nacken von Lasse Schlüter ab, dann drückte er ihn gegen das Genick. Schlüter fiel auf Höhe des Münchner Strafraums hin, dann ging alles sehr flott. Wobei: Berzel selbst zögerte noch eine Weile, ehe er den Ball weiterleitete zum Konter, er konnte wohl selbst nicht recht glauben, dass Schiedsrichter Arne Aarnink nicht gepfiffen hatte. Kurz darauf mochten neutrale Beobachter gleichermaßen Verständnis aufbringen für den an der Seitenlinie tobenden Cottbus-Trainer Claus-Dieter Wollitz und Schiedsrichter Aarnink, der Wollitz dafür auf die Tribüne verbannte.

In der Schlussphase spielten die Cottbuser noch ihre letzte Karte, sie brachten Stürmer Moritz Broschinski für Mittelfeldmann Daniel Bohl, der sich zuvor noch als Wellenbrecher verdient gemacht hatte. Und das rächte sich, als der mitgelaufene Owusu nach einem mundgerechten Querpass von Karger zum 2:0 einschoss. Zwar gelang den Gastgebern in der Nachspielzeit nach einem Treffer von Felix Geisler noch der Anschluss, aber es war zu spät. Sechzigs Trainer Daniel Bierofka, der in diesen Tagen an der Sportschule Hennef seine Abschlussprüfungen zum Fußballlehrer bestehen muss und sich so einer gewissen Doppelbelastung gegenübersieht, war selbstredend zufrieden. Nicht nur mit dem frischen Konterfußball in der zweiten Hälfte. "Auch mit der ersten Halbzeit, in der wir sehr gut verteidigt und hinten wenig zugelassen haben", sagte er. Dann verabschiedete er sich an den Schreibtisch. "Am Sonntag muss ich lernen. Am Dienstag habe ich mündliche Prüfung. Mittwoch steht Trainingswissenschaft an, dann gibt es noch eine Lehrprobe mit einer U19. Dann habe ich es, Gott sei Dank, oder hoffentlich, geschafft".

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