TSV 1860 München:Nette Gesten

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"Jetzt muss ich nicht mehr klingeln, wenn ich rein will": Der neue Präsident Peter Cassalette freut sich über ein eigenes Zimmer und einen Schlüssel. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Ob der neue Präsident Peter Cassalette bald in den Beirat rückt, ist offen. Es gibt Überlegungen, dass der abgelöste Siegfried Schneider seinen Platz behalten soll.

Von Philipp Schneider

Am Morgen nach seiner Wahl zum neuen Löwenpräsidenten erlebte Peter Cassalette die nächste schöne Überraschung. Diesmal allerdings auf der Geschäftsstelle des TSV 1860 München. Anders als er es erwartet hatte, durfte Cassalette tatsächlich jenes Zimmer in der dritten Etage beziehen, in dem schon seine Amtsvorgänger residierten, weswegen sich der Raum mit dem schönen Ausblick auf die Trainingsplätze einen Namen erworben hatte als: Präsidentenzimmer.

Doch weil beim Fußball-Zweitligisten nach diesen Tagen des personellen und strategischen Umbruchs ohnehin nichts mehr sein wird wie vorher, hatte es Sechzigs Geschäftsführung zuletzt erwogen, Oliver Kreuzer im Präsidentenzimmer einzuquartieren. Damit es sich einen Namen machen kann als: Sportdirektorenzimmer.

"Wie in der DDR!", schimpft ein Mitglied - künftig sollen mehrere Kandidaten möglich sein

Jetzt aber kommt doch wieder alles anders. "Der Empfang war gut, das Präsidentenzimmer wurde für mich geräumt", verkündete der Präsident am Montag. "Der Herr Kreuzer ist umgezogen, er sitzt jetzt in einem Zimmer der Pressestelle. Das ist eine nette Geste, ich hatte darauf ja nicht bestanden." Dann verlieh Cassalette im Scherz seiner Freude Ausdruck, einen eigenen Schlüssel für die Räumlichkeiten an der Grünwalder Straße 114a ausgehändigt bekommen zu haben. "Jetzt muss ich nicht mehr klingeln, wenn ich rein will."

Zugegeben, wer mit nur 66 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt wird, der kann sich schon auch mal über ein eigenes Zimmer und einen eigenen Schlüssel freuen. Zumal die Vereinsmitglieder am Sonntag im Anschluss an die Präsidentenwahl noch einen Antrag auf künftige Umsetzung einer Satzungsänderung verabschiedet hatten, der sich wie ein nachträgliches Misstrauensvotum gegen Cassalette lesen lässt. Sie beschlossen, dass "der Verwaltungsrat nicht nur jeweils einen Präsidiumskandidaten vorschlagen darf, sondern bei vorliegender Zulässigkeit auch mehrere eventuell vorhandene Kandidaten für das Amt zur Wahl stellen kann". Das gab es in Sechzigs langer Geschichte bisher nicht.

Bisher gab es, auch in den seligen Zeiten von Karl-Heinz Wildmosers Delegiertensystem, immer nur einen Kandidaten. Der wurde dann entweder abgelehnt (Hep Monatzeder) - oder bestätigt (alle anderen). "Es kann nicht sein wie in der DDR, dass nur ein Kandidat aufgestellt wird", rief ein aufgebrachtes Mitglied am Sonntag, und nach ein paar hitzigen Wortgefechten wurde dem Antrag mit knapper Mehrheit stattgeben. Präsidium und Verwaltungsrat müssen bis zu einer eigens zu diesem Zweck einberufenen (!) außerordentlichen Mitgliederversammlung, die bis Ende Januar 2016 stattfinden soll und in der Regel etwa 20 000 Euro kostet, prüfen, inwiefern sich das Wahlverfahren so gestalten lässt, dass es weniger an die DDR erinnert.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer Machtverschiebung innerhalb der Profifußball-KGaA, in der der Präsident weniger mitreden wird. "Dass ich mich nicht ins operative Tagesgeschäft einmische, ist in meiner Aufgabenbeschreibung ganz klar definiert", kündigte Cassalette vor seiner Wahl an, womit sich womöglich die vielen Gegenstimmen erklären lassen.

Die Kontrolle der Geschäftsführer Noor Basha und Markus Rejek obliegt also künftig mehr als bislang dem Beirat. In dem vierköpfigen Gremium sitzen der meist nur in der Theorie physisch anwesende Hasan Ismaik und sein Münchner Vertrauensmann Ulrich Bez, der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Aston Martin. Die Rechte des Vereins soll der Vorsitzende des Verwaltungsrats Karl-Christian Bay wahren sowie bisher der ehemalige Übergangspräsident Siegfried Schneider, der am Sonntag verkündete: "Ich gebe mein Übergangspräsidium zurück."

Offen ist nach SZ-Informationen allerdings noch, wie bald Schneider auch seinen Sitz im Beirat zurückgeben wird. An seinen Nachfolger, der immerhin schon nicht mehr klingeln muss. Dem Vernehmen nach soll Cassalette auf eine Mitgliedschaft in dem Gremium fast so wenig bestehen wie auf das Präsidentenzimmer. Zumindest gibt es vereinsintern die Überlegung, die bald mal wieder anstehende Umwandlung von Darlehen Hasan Ismaiks in sogenannte Genussscheine nicht durch Personalfluktuationen im Beirat zu gefährden und mindestens bis dahin auf Cassalettes Mitwirken zu verzichten. Hintergrund ist eine Vorschrift der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die besagt, dass sich die Eigenkapitalquote der Klubs im Vergleich zum Vorjahr nicht verschlechtern darf. Und da 1860 jedes Jahr auf frisches Geld von Ismaik angewiesen ist, um seinen Haushalt auszugleichen, hat der Jordanier seine Darlehen (die als Schulden die Eigenkapitalquote von Sechzig verschlechtern würden) regelmäßig in Genussscheine umgewandelt. Das Geld war für ihn also so gut wie verloren. Theoretisch müsste Ismaik auch diesmal interessiert sein, den kleinen Finanztrick durchzuführen. Ansonsten drohen der Fußballfirma, die auch seine ist, Strafzahlungen an die DFL, für die indirekt wieder Ismaik aufkommen müsste.

Es sei denn natürlich, der Jordanier plant den baldigen Verkauf seiner Anteile. Dann nämlich wäre es aus seiner Sicht nicht gerade ratsam, noch vor Abschluss des Deals weitere Darlehen zu verschenken, die ihm die neuen Investoren ansonsten abkaufen müssten.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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