TSV 1860 München:"Ein bisschen surreal"

TSV 1860 München

Oberlöwe in Feierlaune: Trainer Daniel Bierofka widmet dem Drittliga-Aufstieg ein Tänzchen.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Ein Jahr nach dem Absturz in den Amateurbereich darf 1860 schon wieder gegen den 1. FC Kaiserslautern spielen. Der Klub kehrt an den Betzenberg zurück, wo vor vier Jahren sein Niedergang begann.

Von Philipp Schneider

Gabor Kiraly stand im Tor. Davor eine Viererkette mit Christopher Schindler, Gui Vallori, Ilie Sanchez und Gary Kagelmacher. Auf der Doppelsechs: Edu Bedia und ein gewisser Julian Weigl. Im offensiven Mittelfeld: Bobby Wood, Daniel Adlung und Leonardo Vitor Santiago, des Trainers Lieblingsbrasilianer, von aller Welt schlicht "Leonardo" gerufen. Und ganz vorne, meist sehr allein im Strafraum, Rubin Okotie.

Überfällt da jemanden Schwermut beim Anblick jener Aufstellung, die der TSV 1860 München bei einem seiner letzten Besuche auf dem Betzenberg auf den Rasen schickte?

"Letztes Jahr waren wir Favorit, jetzt können wir die Jäger sein", sagt Trainer Daniel Bierofka

Falls ja, dann empfiehlt sich als Kur der Blick auf die Ersatzbank, auf der an jenem 4. August 2014, als in Kaiserslautern ein erinnerungswürdiges Zweitligaspiel ausgetragen wurde, außer Maximilian Wittek und Daylon Claasen noch zwei weitere Männer in Trainingsanzügen saßen. Der Niederländer Ricardo Moniz, halb Trainer halb Satiriker. Und Gerhard Poschner, der vor und nach seiner Zeit bei 1860 Spielerberater war. Der aber während seiner Zeit bei 1860 beim Klub als Sportchef angestellt war. An jenem Montagabend im August 2014 führte eine Löwenelf mit 2:0 gegen Kaiserslautern, nach Rot für Tobias Sippel spielte Sechzig in Überzahl. Dann trafen Srdjan Lakic zweimal und Philipp Hofmann einmal. Es war dieser Augustabend am Betzenberg, als der Zweitligist TSV 1860 in seiner bisherigen Form auseinanderbrach.

Noch in derselben Saison verließen Gabor Kiraly und Bobby Wood den Klub. Ein Jahr später gingen Julian Weigl und Marius Wolf. Und irgendwann war auch Poschner weg. Mitsamt der guten Laune bei den Löwen. Die Jahre, die bis zum Abschied aus der zweiten Liga folgten, waren letztlich ein Siechtum, das nur noch final beschleunigt wurde in jener Abstiegssaison, in der der Irrsinn kulminierte und so viele zugleich schlechte als auch teure Spieler importiert wurden, als gelte es den Beweis anzutreten, dass Geld Eigentore schießt.

Vier Jahre später. Die gute Laune ist zurück. Sie hat nur einen Umweg genommen über die vierte Liga. Der Trainer Daniel Bierofka sitzt an einem ohnehin heißen Julitag im noch heißeren Pressestüberl an der Grünwalder Straße. Sicher, sagt Bierofka. 2:3 verloren nach 2:0-Führung. "Klar kann ich mich erinnern. Der Trainer hieß Moniz. Da hatte ich gerade die Karriere beendet. Ich war im Urlaub." Vielleicht war das sogar das größte Problem von 1860 in der Saison 2014/15. Ansonsten, was gibt es zu sagen zum Betzenberg? "Hab' da nur gute Erinnerungen dran", sagt Bierofka. "Wir haben da mal 3:1 gewonnen."

Es umweht diese Partie, diese Rückkehr des TSV 1860 München an den Betzenberg an diesem Samstag (14 Uhr), durchaus etwas Unwirkliches. Zwei Traditionsklubs mit enormer Anhängerschaft, die beide deutscher Meister waren, begegnen sich in einer Liga, in die sie beide nicht gehören. Kaiserslautern musste erst absteigen, Sechzig wieder aufsteigen. "Letztes Jahr saßen wir hier, dann sind wir nach Memmingen gefahren, da waren 5000 Zuschauer", erinnert sich Bierofka. "Wenn wir jetzt nach Kaiserslautern fahren, auf den Betzenberg, ist das fast ein bisschen surreal. Letztes Jahr noch Eichstätt, Buchbach, ohne das jetzt irgendwie negativ zu bewerten... aber rein vom Namen her!"

Nicht nur rein vom Namen erwartet Bierofka und die Mannschaft eine andere Größenordnung. Mehr als 40 000 Zuschauer werden am Samstag ein Drittligaspiel im Stadion verfolgen. Eine Begegnung zweier Teams, da legt sich Münchens Trainer fest, in der es eine recht klare Hierarchie geben wird. "Wir können als Aufsteiger gleich mal zeigen, wo wir stehen", sagte Bierofka: "Letztes Jahr waren wir der Favorit, jetzt können wir die Jäger sein. Das ist auch mal schön."

Nicht weniger schön ist auch die neue Konkurrenzsituation im Kader - zumindest aus Bierofkas Sicht. Markus Ziereis wurde nicht nominiert, Christian Köppel, Simon Seferings, Semi Belkahia und Nicholas Helmbrecht auch nicht. Verletzt fehlen Nono Koussou, Aaron Berzel und Noel Niemann. Auf der Torwartposition hat Bierofka Marco Hiller, 21, gestrichen, den tadellosen Schlussmann aus der Aufstiegssaison. Ins Tor rückt der drei Jahre ältere Hendrik Bonmann, der schon für Borussia Dortmunds zweite Mannschaft in der dritten Liga gespielt hat. Die Entscheidung gelte vorerst für das Spiel in Kaiserslautern, kündigte der Trainer an. "Ansonsten ist das ein offener Kampf. Marco ist hintendran. Und Henne muss jetzt zeigen, dass er zurecht im Tor steht."

Henne kann zwar nicht argumentieren, dass er zuerst da war. Aber er sei halt "einen Tick stabiler in der Vorbereitung" gewesen, sagte Bierofka. Bonmann habe in der Vergangenheit "auch auf der Bank einen Riesenjob gemacht". So etwas funktioniert wahrhaftig nur, wenn die gute Laune zurückgekehrt ist in eine Mannschaft.

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