TSV 1860 München:Die Löwen glauben wieder an sich

TSV 1860 München - Dynamo Dresden

Erlösung: Levent Aycicek (r.) erzielt das 1:0 zum Sieg der Löwen gegen Dresden.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

In der Schlussminute gelingt den Münchner Löwen der 1:0-Siegtreffer gegen das lange überlegene Dynamo Dresden. Es ist ein sehr glücklicher Erfolg in einem sehr seltsamen Spiel.

Von Christopher Gerards, München

Das Spiel ging auf sein Ende zu, und eigentlich hatten die Zuschauer in der Münchner Arena schon genug Zweikämpfe gesehen. Sascha Mölders hatte sich in ein paar hübsche Kopfballduelle geworfen, Kai Bülow hatte vorgeführt, welche Grätschen er so im Repertoire führt. Aber in der 89. Minute gab es nochmal ein Duell, und so eins hatte das Spiel bis dahin auch noch nicht gesehen.

In der Kategorie Wettjubeln trat auf der einen Seite 1860-Trainer Daniel Bierofka an, auf der anderen Flügelspieler Levent Aycicek. Bierofkas Versuch war gar nicht schlecht, er zeigte einen starken Antritt und lief durch die Coaching-Zone, ehe ihn einige Untergebene stellten. Ein ordentlicher Lauf war das, aber gegen Aycicek hatte er letztlich keine Chance. Erst kurz vor der Nordtribüne hielt Maximilian Wittek ihn auf, da hatte Aycicek schon einen weiten Weg hinter sich gebracht. Sein Lauf hatte am Strafraum des Gegners begonnen - genau an dem Punkt, an dem Aycicek in der 89. Minute das 1:0-Siegtor für 1860 München gegen Dynamo Dresden geschossen hatte.

Erster Löwen-Sieg seit fünf Wochen

Ein seltsames Zweitligaspiel ist das gewesen am Samstagnachmittag. Gut, es ist nicht annähernd so seltsam gewesen wie die vergangenen Wochen beim TSV 1860 München. Aber als normal ging es halt auch nicht durch. Zum einen, weil derart viele Fans aus Dresden nach München gereist waren (schätzungsweise 25 000), dass 1860 mit 43 400 Zuschauern einen vereinsinternen Saisonrekord aufstellte - bis dahin sahen im Schnitt 24 200 Menschen die Spiele der Löwen. Zum anderen, weil das Spiel recht entscheidungsschwach war. Gut 65 Minuten schien es fest entschlossen, 0:0 auszugehen. Danach war das Spiel noch fester entschlossen, 1:0 für Dynamo Dresden auszugehen, jedenfalls schickte es andauernd einen Dresdner Angreifer vor das Münchner Tor.

Aber weil keiner dieser Angreifer traf, überlegte das Spiel es sich nochmal anders. Es schickte dann halt Aycicek nach vorne. Der spielte ein paar Gegenspieler aus, schoss aus 17, 18 Metern aufs Tor, und weil Dresdens Torwart Marvin Schwäbe den Ball zwar berührte, aber nicht abwehrte, rannte Aycicek jubelnd über den Platz. 1:0 gewonnen, erster Sieg seit Ende Oktober, 15 Punkte - das war die Bilanz am Ende dieses seltsamen Nachmittags.

"Überlebenswichtig" sei der Sieg - diesen Satz hat 1860-Trainer Bierofka hinterher gesagt. Er nahm wieder die von der Deutschen Fußball-Liga vorgeschriebene Pressekonferenz wahr, seine Spieler äußerten sich wegen des Presseboykotts nur im Fernsehen. Der Sieg sei auch für die Mannschaft wichtig, "weil sie wieder an sich glaubt", sagte Bierofka noch. Auf drei Positionen hatte er sein Team umgebaut nach der 1:2-Niederlage gegen Eintracht Braunschweig: Michael Liendl, Filip Stojkovic und Levent Aycicek begannen für Sascha Mölders, den gelb-gesperrten Daniel Adlung und Fanol Perdedaj, der im Kader fehlte.

Dresden vergibt Chancen im Minutentakt

Bierofkas Plan sah vor, Dresden möglichst früh zu attackieren. Immer wieder störten die Offensivspieler Ivica Olic, Stefan Aigner und Aycicek Dresdens Verteidiger im Spielaufbau. Schon nach zwei Minuten hatten die Löwen ihre erste Chance, Aycicek setzte einen Freistoß knapp übers Tor. Sieben Minuten später warf sich Olic im Strafraum in eine Flanke von Filip Stojkovic, seinen Volleyschuss blockte aber Fabian Müller. "Wir sind schwer ins Spiel reingekommen", fand Dresdens Niklas Kreuzer, der Sohn des ehemaligen 1860-Managers Oliver Kreuzer.

Als Dresden dann im Spiel ankam, war es so, dass mal hier und mal dort jemand aufs Tor zu rannte - aber lange kam kaum noch so etwas wie eine Torchance zustande. Es war ein intensives Spiel, wie das im Reporterdeutsch heißt: viele Zweikämpfe, viele Fouls, viel Bemühen, aber halt auch viele Fehler. Erst nach mehr als einer Stunde folgte die Phase, in der nicht nur Dresdens Trainer Uwe Neuhaus "einen Angriff nach dem anderen" von seiner Mannschaft sah. Zunächst hatte Schwäbe noch einen Freistoß von Aycicek pariert (66.). Aber dann stand alle paar Minuten ein Dresdner Angreifer vor Münchens Torwart Ortega, und zwar derart frei, dass Dresden etwa eins bis drei Tore hätte schießen können, eher: müssen. Die drei besten Szenen - 78. Minute: Akaki Gogia spielt Stefan Kutschke frei, der schießt aus spitzem Winkel Ortega an. Die 84. Minute: Ortega pariert einen Flachschuss von Pascal Testroet. Die 87. Minute: Testroet schießt aus kurzer Distanz vorbei. "Da haben die Kräfte nachgelassen, und dann haben wir auch ein Quäntchen Glück gehabt", sagte 1860-Trainer Bierofka. Und kurz darauf hatte seine Mannschaft: Levent Aycicek.

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