TSV 1860 München:Besuch vom Li-La-Launebär

Der Streit bei Zweitligist 1860 München ist längst längst nicht vorbei: Kommen Präsident Dieter Schneider und Investor Hasan Ismaik zusammen, prallen Welten aufeinander - Geschäftsführer Robert Schäfer steht dazwischen.

Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am 30. Mai 2011 ist die Welt des TSV 1860 München noch in Ordnung gewesen. Mittlerweile ist es längst in Vergessenheit geraten, mit welchem Überschwang und mit welch großen Worten alle Beteiligten vor sechs Monaten die finanzielle Rettung des Fußball-Zweitligisten feierten.

Hasan Ismaik Dieter Schneider 1860 München 2011

Da prallen Welten aufeinander: Investor Hasan Ismaik und Präsident Dieter Schneider.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der Vertrag, den Dieter Schneider, der Präsident des e.V., und Hasan Ismaik, ein Geschäftsmann aus Abu Dhabi, damals unterzeichneten, war überschrieben mit einem wohlig klingenden Wort: "Kooperation". Unter diesem Schlagwort waren beide Seiten nicht nur ein Versprechen und eine Verpflichtung eingegangen. Sie hatten auch ein Vertragswerk unterzeichnet, in dem zum damaligen Zeitpunkt so viele Probleme ungelöst blieben, dass beide Seiten auch in Zukunft auf Kooperation angewiesen sein würden.

Im ungelösten Zwist vor dem Münchner Finanzamt um das Jugendleistungszentrum ist nun offenkundig geworden, dass der Vertrag so unzulänglich ist, dass er sich vortrefflich zu einem Konfrontationsvertrag zweckentfremden lässt.

Denn obwohl 1860-Vizepräsident Franz Maget am Montag beim Finanzamt einen zeitlichen Aufschub aushandelte, ist die Gefahr einer Insolvenz des e.V. nicht gebannt. Die Behörde benötigt zur endgültigen Klärung des Problems einen Vorschlag, dem beide Gesellschafter der KGaA zustimmen. Der Verein möchte das Jugendinternat am liebsten in den e.V. zurückführen.

Investoren-Berater Hamada Iraki, ein Investmentbanker, lehnt diesen Vorschlag noch immer ab und hat eine mögliche Zustimmung an Forderungen geknüpft, die wiederum das Präsidium des e.V. ablehnt. Wie der Verein am Dienstag in einer Mitteilung an seine Mitglieder schrieb, benötigt er 1,9 Millionen Euro, damit ließe sich das Gebäude nachträglich "dinglich absichern". Dass der e.V. dieses Geld nicht aufbringen kann, kommt dem Investor im Machtkampf mit Präsident Dieter Schneider gelegen.

Das Präsidium des e.V. muss sich vorwerfen lassen, das Problem der Gemeinnützigkeit nicht rechtzeitig, vor dem Einstieg eines Investors, gelöst zu haben - und es erkannte zu spät die Gefahr, dass der Investor die drohende Insolvenz des e.V. zu einem Machtinstrument in seinen Händen umwandeln könnte.

Doch Ismaiks Berater Hamada Iraki, der die Welt des Investmentbankings gewohnt ist und sich auf Wirtschaftsprüfungsgutachten und Paragrafen stützt, hat den Turn- und Sportverein München von 1860 noch nicht verstanden. Der TSV ist keine Schraubenfabrik. Hier wird Umsatz nicht mit der Herstellung von Gegenständen generiert - sondern mit der Herstellung von Gefühlen. Die Menschen, die alle 14 Tage in die Arena strömen, empfinden diesen Verein als Teil ihres Lebens. In ihren Köpfen existiert auch keine Trennlinie zwischen e.V. und dem abstrakten gesellschaftsrechtlichen Gebilde KGaA. Sie sehen beides als eins.

Stippvisite bei den Meisterlöwen

Daher ist es ihnen auch leidlich egal, dass die KGaA wohl fortbestehen würde im Falle eines vorübergehenden Insolvenzverfahrens des e.V. Für die Fans wäre die Insolvenz ihres Vereins der größte anzunehmende Unfall. Sollten Ismaik und Iraki nun, und diesen Eindruck könnte man gewinnen, eine solche Insolvenz als gangbares Szenario betrachten, dann bewegen sie sich zwar rechtlich im erlaubten Rahmen, aber sie verhalten sich denkbar ungeschickt - und unterschätzen auch die möglichen Schäden für die Außenwirkung des Vereins, die auch Sponsoren abschrecken könnten. Hinzu kommen die nicht wenigen Anhänger des TSV, die damals dem Investor einen Neuanfang in der Bayernliga vorgezogen hätten.

Die Unterstützung dieser Fans kann Ismaik bei einem solchen Geschäftsgebaren auch nicht dadurch gewinnen, dass er alle paar Wochen als Li-La-Launebär in der Arena erscheint ("Ich bin hierher gekommen, um Leute glücklich zu machen"). Es hilft dann auch wenig, wenn er auf einer Stippvisite mit den Meisterlöwen von 1966 plaudert.

Robert Schäfer, der Geschäftsführer der KGaA, muss derzeit nicht nur ein 2,3-Millionen-Loch im Etat rechtfertigen, das er gegenüber der SZ bestätigte. Die nicht zustande gekommenen Transfers der Spieler Rukavina und Rakic seien dafür hauptverantwortlich, erklärte Schäfer. Er befindet sich zudem im Streit zwischen e.V. und Investor zwischen den Stühlen - schon allein juristisch darf er den Wunsch des e.V. nach Rückführung des Juniorengebäudes nicht erfüllen, solange Ismaik als der andere Gesellschafter der KGaA nicht mitspielt.

Thomas Etzel, Münchner Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, erklärte auf SZ-Anfrage, dass es sich dabei um eine "unzulässige Rückführung von Einlagen" nach Paragraph 57 des Aktiengesetzes handeln könnte. Das Weisungsrecht, das der e.V. dem Kooperationsvertrag gemäß gegenüber dem KGaA-Geschäftsführer hat, "endet bei gesetzlichen Verboten", erklärte Etzel: "Ein Speditionsunternehmer darf seine LKW-Fahrer auch nicht anweisen, die Ruhepausen zu missachten, um schneller anzukommen."

Dass sich Schäfer eher auf die Seite der Investoren geschlagen hat, mag auch damit zu tun haben, dass er eher auf einer Wellenlänge mit Iraki liegt als mit dem 64-jährigen Mittelstandssanierer Schneider aus Markt Indersdorf. Doch so einfach sind die Dinge nicht - damit Schäfer der Rückführung des Gebäudes wirklich nicht mit seiner Unterschrift zustimmt, soll ihm Iraki auch schon eine Klage angedroht haben. Sicher ist sicher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: