TSV 1860 München:Aufbruchstimmung und Ablehnung

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Prädikat besonders auffällig: Soichiro Kozuki trifft zum 2:0 für den TSV 1860 München. (Foto: Oliver Zimmermann/foto2press/IMAGO)

Dem TSV 1860 München gelingt in Sandhausen ein überraschender 3:0-Erfolg, der eine Initialzündung für den Saisonverlauf sein könnte. Allerdings heizt intern bereits der nächste Schwelbrand die Lage auf.

Von Christoph Leischwitz

Seinen bedeutsamsten Auftritt hatte Marco Hiller schon vor dem Spiel. Als der Torwart des TSV 1860 München zum Aufwärmen auf den Rasen lief, wurde er von den wieder einmal zahlreich erschienenen Gästefans beklatscht, „Hiller, Hiller, Hiller“ riefen sie. Der 27-Jährige spielt seit der Kindheit für die Löwen, doch zu Beginn der Saison hatte er den Fünfmeterraum räumen müssen, für den erfahrenen Zugang René Vollath. Der hatte zuletzt aber glücklos gespielt, und in Trainer Argirios Giannikis war nach vier Spielen ohne Sieg und mit zwölf Gegentoren das Gefühl gewachsen, irgendetwas ändern zu müssen.

Nicht aus taktischen Gründen, denn Vollath waren „keine Fehler anzukreiden“, wie der Trainer selbst sagte. „Das sind Sachen, die nicht erklärbar sind, es geht um Energie, um Psychologie“, erklärte Giannikis nach dem überraschenden 3:0-Erfolg beim SV Sandhausen. Bei Magentasport war daraufhin das Wort „Initialzündungspotenzial“ zu hören: Gar nicht auszuschließen, dass Hillers Rückkehr Aufbruchsstimmung erzeugt. Und das nicht, weil er der bessere Torwart ist. Sondern aus Gründen, die so irrational sind wie der ganze Verein, der es auch an solch einem Nachmittag wieder schaffte, Unfrieden zu säen.

Rein physisch war Hillers Präsenz sekundär. Denn es wurde, vor allem nach dem 1:5-Debakel sechs Tage zuvor in Cottbus, völlig überraschend ein Spiel, in dem der Löwen-Keeper wenig zu tun bekam. Zwei, drei Mal faustete Hiller den Ball aus der Gefahrenzone, doch die gefährlichsten Schüsse wurden geblockt, ein Mal hatten die Löwen auch Glück, als Sandhausens Dominic Baumann mit einem Seitfallzieher nur die Latte traf (68.). Dass Sechzig deutlich siegte, auch noch zu null, „das lag nicht an mir“, fand auch Hiller selbst, der ansonsten viel darüber sprach, wie gut das alles gerade tue.

Giannikis hatte auch die Viererkette fast komplett umgestellt, an der Marschroute aber nichts geändert. Wie schon in Cottbus suchte die Mannschaft schnell den Weg vor das gegnerische Tor und war schnell erfolgreich: Der wieder in die Startelf gerückte Innenverteidiger Max Reinthaler traf nach einer Kopfballverlängerung durch den wieder in die Startelf gerückten Florian Bähr nach neun Minuten zur Führung. Besonders auffällig spielte der Japaner Soichiro Kozuki, der seine Leistung mit einem sehenswerten Schlenzer krönte (33.). Den Schlusspunkt setzte der eingewechselte David Philipp in der Nachspielzeit (90.+3). Sie hatten ähnlich gespielt wie in Cottbus, ein paar entscheidende Fehler weniger gemacht – das genügte. „Im Fußball“, findet Hiller, „muss man nicht alles erklären können.“

Investor Hasan Ismaik hat den Klub wieder einmal gerettet. Es ist nur so, dass sich viele Fans gar nicht von Ismaik retten lassen wollen

Sicher ist aber, dass bei 1860 auch die vielleicht beste Saisonleistung nicht bewirken kann, dass Gräben zugeschüttet werden. Schon kurz nach dem 1:0 der Sechziger stimmten die Fans das sogenannte „Scheichlied“ an, laut und gut vernehmbar, zeitgleich zeigten sie ein Transparent, auf dem der Name des designierten Finanz-Geschäftsführers zu lesen war: Anton Hiltmair wurde seine in den sozialen Medien verbreitete Vergangenheit als Sympathisant des verhassten FC Bayern München vorgeworfen. Er solle deshalb, gelinde gesagt, von einer Anstellung bei 1860 München Abstand nehmen. Unter der Woche hatte Investor Hasan Ismaik die Löwen finanziell gerettet, wieder einmal, indem er millionenschwere Darlehensverträge unterschrieben hatte. Dafür forderte die Investorenseite aber auch, den neuen Geschäftsführer zu benennen:  Hiltmair.

Es ist nur so, dass sich viele Fans gar nicht von Hasan Ismaik retten lassen wollen. Einigen wäre sogar eine Insolvenz lieber als das. Aus der Kurve in Sandhausen war sinngemäß zu hören, es könne doch nicht sein, dass Ismaik-Unterstützer wieder so viel Einfluss erhielten, während sie auf der Mitgliederversammlung im vergangenen Juni mit ihren Kandidaten für den Verwaltungsrat klar gescheitert waren.

Insofern passten auch die Ereignisse auf dem Rasen diesmal zum Wimmelbild namens 1860 München: Marco Hiller steht für Vereinsliebe, die Verpflichtung von René Vollath steht für größere Ambitionen. Aus Sicht der Eingefleischten hat Sechzig-Fußball immer mit Bodenständigkeit erfolgreich zu sein, große Ambitionen führten fast immer zu Abstürzen. Vielleicht haben sie Hiller auch deshalb so zugejubelt, bevor er überhaupt eine Minute in dieser Saison gespielt hatte.

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