TSV 1860 München:Als ganz Giesing vor Glück taumelte

Vor fünfzig Jahren wurde der TSV 1860 München zum ersten und einzigen Mal Deutscher Fußball-Meister - mit einem König im Tor und einem Auftaktsieg gegen den Erzfeind.

Von Dominik Fürst

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(Foto: imago sportfotodienst)

Zeitsprung ins Jahr 1965: Die Fußball-Bundesliga gibt es gerade seit zwei Jahren, neu dazugekommen sind die Aufsteiger FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach, Bundeskanzler ist ein gewisser Ludwig Erhard von der CDU. Viel wichtiger aber: Am Ende der Saison wird der TSV 1860 München Deutscher Meister sein, zum ersten und bislang einzigen Mal in der Geschichte der Bundesliga. Während die Nachfolger der Meisterlöwen im Jahr 2016 mal wieder gegen den Abstieg aus der 2. Bundesliga kämpfen, jährt sich dieser größte Vereinstriumph nun zum 50. Mal. Ein Blick zurück in den Twitter-Account @loewenhistory, der den Triumph der Sechziger nacherzählt, zurzeit aber leider inaktiv ist: "Die Bundesliga ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Jetzt dürfen sogar schon die Roten mitspielen..." Im Bild die Meistermannschaft, wie sie am 3. Spieltag im Grünwalder Stadion gegen Hannover antritt, von links: Peter Grosser, Petar Radenkovic, Otto Luttrop, Hans Reich, Manfred Wagner, Rudolf Brunnenmeier, Timo Konietzka, Bernd Patzke, Hans Rebele, Alfred Heiss und Zeljko Perusic.

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Die Saison beginnt 1965 verheißungsvoll: Am 1. Spieltag trifft der TSV im 150. (!) Münchner Stadtderby auf den FC Bayern. 44 000 Menschen sehen die Blauen gegen die Roten im Stadion an der Grünwalder Straße, das Spiel gewinnen die Löwen. Timo Konietzka, der eigentlich Friedhelm heißt und vor der Saison von Borussia Dortmund gekommen ist, erzielt das Tor des Tages, während sein Gegenspieler, ein gewisser Franz Beckenbauer, nur zuschauen kann. Dass Beckenbauer, ein Giesinger, ursprünglich selbst mal für den TSV 1860 spielen sollte, ist eine andere Geschichte.

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Ob es sich bei den jungen, biertrinkenden Herrschaften um Anhänger des TSV 1860 oder des FC Bayern handelt, kann heute nicht mehr zweifelsfrei ermittelt werden. Sollten es Löwen-Fans sein, dürfen sie am 2. Spieltag schon wieder jubeln: Der TSV besiegt im nächsten bayerischen Derby vor 62 000 Zuschauern im Städtischen Stadion den 1. FC Nürnberg mit 4:1. Damit übernimmt 1860 die Tabellenführung, die der Klub außerdem vom 8. bis zum 22. Spieltag durchgehend innehaben wird: ein Rekord, der bis ins Jahr 2005 Bestand hat.

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Der König: Der Jugoslawe Petar Radenkovic hütet das Tor der Löwen an allen 34 Spieltagen der Meistersaison. Mit Ironie, Gesangstalent und Ausflügen in die gegnerische Hälfte des Spielfelds wird er zu einem der populärsten Bundesligaspieler seiner Zeit. "Bestes Torwart von Welt" nennt er sich selbst. Einmal fängt er einen Schuss, wirft den Ball dem gegnerischen Stürmer vor die Füße und lässt ihn es nochmal versuchen: "Radi" pariert erneut. Über den modernsten Torhüter der 1960er Jahre gäbe es viel zu erzählen. Am besten kann er das selbst.

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Meistertrainer mit Peitsche in der Hand: Max Merkel coacht den TSV seit 1961, zuvor hat er bereits die niederländische Nationalmannschaft und Borussia Dortmund trainiert. Die Menschenführung des Österreichers ist nicht unumstritten, sein Spielführer Peter Grosser wird später sagen: "Meister sind wir trotz Merkel geworden". Nichtsdestotrotz wird der größte Erfolg in der Klubgeschichte stets mit Merkels Namen verbunden bleiben. Merkel wird am 16. Spieltag der Folgesaison entlassen, in den Siebzigerjahren kommt er für eine Spielzeit noch einmal zum TSV 1860 zurück. Nach seiner denkwürdigen Trainerkarriere macht er als Bild-Kolumnist von sich reden.

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(Foto: imago/Horstmüller)

Es läuft der 32. Spieltag der Bundesligasaison 1965/66 und der TSV 1860 ist noch nicht Meister. Tabellenführer ist Borussia Dortmund, Sechzig ist Zweiter, dahinter lauert der FC Bayern. Gut, dass der TSV einen wie Timo Konietzka in seinen Reihen hat: Der trifft auch beim 3:3 gegen Borussia Mönchengladbach und zeigt danach den für die Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahre stilprägenden Jubelsprung in die Luft. Am Ende der Saison werden 26 Tore auf Konietzkas Konto stehen. Besser ist nur Lothar Emmerich vom BVB, der 31 Mal trifft.

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Die Saison entscheidet sich am letzten Spieltag, der Hamburger SV ist zu Gast in Giesing. Kapitän Uwe Seeler schüttelt Kapitän Peter Grosser noch die Hand, dann wird gespielt. "Man erwartete ein Schützenfest, stattdessen mussten die erstaunten Zuschauer gleich zu Anfang erleben, wie die Hamburger selbst König Radi in Verlegenheit brachten", heißt es im Spielbericht der Wochenschau. Am Ende wird trotzdem gejubelt: Obwohl es nur zu einem 1:1 reicht, wird 1860 Deutscher Meister, weil der FC Bayern in Bremen ebenfalls nur Unentschieden spielt und Dortmund in Frankfurt sogar verliert. Der Bundesliga-Titel ist zum ersten Mal in München.

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(Foto: SZ)

1860-Spieler Zeljko Perusic hält die Meisterschale in den Händen, ganz Giesing taumelt vor Freude. Bundeskanzler Ludwig Erhard beglückwünscht die Mannschaft von der Tribüne aus. Es folgen: ein Autokorso durch München und der Empfang durch Bürgermeister Hans-Jochen Vogel im Rathaus am Marienplatz. Ja, der Marienplatz: Dort wimmelt es von 1860-Fans, lange bevor der FC Bayern seine obligatorische Meisterfeier auf dem Balkon etablieren wird. Aber auch das ist ein anderes Thema.

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