Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Weit im Kopf

Der TSV 1860 siegt zum Auftakt der dritten Liga beim SV Meppen und erlebt eine Premiere: die Online-Mitgliederversammlung.

Von Markus Schäflein

So richtig wohl fühlten sich die Präsidiumsmitglieder des TSV 1860 München vor den Kameras im Studio zunächst nicht. "Ich weiß, dass Sie da draußen sind und mir zuhören, aber ich kann Sie nicht spüren", sagte Präsident Robert Reisinger; ihm fehle "das Gemurmel" in einer Halle. Bei der Totenehrung bat er darum, "virtuell kurz innezuhalten". Dazu gab es zu Beginn der Online-Mitgliederversammlung am Sonntag kleine technische Probleme. "Scheiß Internetz", schimpfte Reisinger, der gut ausgeleuchtet war: "Gebt mir mal ein Handtuch, ich schwitze." Und bei der Ehrung der Rollerderby-Mannschaft für die deutsche Mannschaft stellte Vizepräsident Hans Sitzberger fest: "Die Gail Wilcoxen ist ein bisschen schwer auszusprechen." Zu seinem Ungemach folgte dann auch noch eine Sabine Wilcoxen, über die Sitzberger erneut stolperte, "wahrscheinlich die Schwester", stellte er fest.

Dann allerdings nahm die Versammlung doch Fahrt auf, und die Tagesordnungspunkte - sämtliche Wahlen und Entlastungen wurden auf die nächste Präsenzveranstaltung verschoben - wurden zügig abgearbeitet. Bei seiner Stellungnahme zur Lage der Profifußball-KGaA lobte Reisinger, es sei "gelungen, die aktuelle Situation zu meistern". Trotz der Corona-Pandemie ist das Budget der Drittliga-Fußballer für zwei Jahre gesichert, Reisinger bedankte sich dafür sowohl bei allen Sponsoren als auch bei Investor Hasan Ismaik.

Mitgesellschafter Ismaik habe seinen "Kommunikationsstil verändert", lobt Reisinger

"Das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern hat sich verbessert", sagte Reisinger; das liege vor allem daran, dass "der Mitgesellschafter seinen Kommunikationsstil verändert" habe. Er erinnerte daran, dass es auch schon andere Zeiten gab, wobei der e.V. versucht habe, sachlich zu bleiben: "Wir haben uns nur gegen die allerschlimmsten Zumutungen zur Wehr gesetzt, ansonsten wäre das Verhältnis irreparabel zerrüttet gewesen." Nun aber, siehe da, kündigte Reisinger gar ein persönliches Treffen mit Ismaik an, "bei seinem nächsten Besuch in München", das sei schon ausgemacht.

Zur allgemein guten Laune trug natürlich der Auftritt der Drittliga-Mannschaft am Tag zuvor in Meppen bei. Sie siegte beim Saisonauftakt 3:1 (1:0), Ismaik schrieb bei Facebook: "Das war großartig und macht uns allen Lust auf die nächsten Wochen." Trainer Michael Köllner fand den Auftritt nicht ganz so großartig, er stellte angesichts des soliden Auftritts aber fest: "Wir sind im Kopf weiter als in den Füßen." Geistig nicht anwesend waren hingegen zunächst die Meppener, schon in der 3. Minute durfte Stefan Lex die Löwen nach Vorlage des starken Kapitäns Sascha Mölders in Führung bringen. "Ich reg' mich über die ersten Minuten auf, da waren wir ein bisschen ängstlich", sagte Meppens neuer Trainer Torsten Frings bei Magenta Sport. Allerdings hatten die Münchner auch noch weitere Chancen. Es sei "sicherlich ein Makel, dass wir nur 1:0 geführt haben", meinte Köllner, "da müssen wir die Dinge im letzten Drittel so erledigen, dass es zu Halbzeit 2:0 oder 3:0 steht."

Im zweiten Durchgang sah Frings seine Meppener dann "drückend überlegen", wohingegen Mölders ein "reines Kampfspiel" diagnostizierte und Köllner versicherte: "Da haben wir Meppen gezwungen, zu spielen, was sie eigentlich nicht können - mit langen Bällen." Egal, welcher Sichtweise man folgte - das 1:1 durch einen Flugkopfball von Dejan Bozic (54.) war dem Spielverlauf angemessen, das erneute Führungstor der Sechziger fünf Minuten später durch einen abgefälschten Freistoß von Quirin Moll "glücklich", wie auch Köllner zugab: "Da brauchen wir nicht drüber zu reden." Danach brachten die Münchner die Partie über die Zeit, und als Köllner Mölders gerade auswechseln wollte, erzielte der beste Spieler der Partie das herrliche 3:1 per Volleyschuss (90.+2). "Solche Tore habe ich schon öfters gemacht", berichtete der 35-Jährige wahrheitsgemäß: "Der Trainer wollte mich rausnehmen, da dachte ich, dann mach' ich noch schnell das 3:1."

Dann war Schluss, viel länger als die Partie in Meppen dauerte auch die Mitgliederversammlung im Internet am nächsten Tag nicht - sie war schon nach zwei Stunden zu Ende, in der Halle zog sie sich manchmal über sieben Stunden. Reisinger fehlten diesmal "der Applaus oder vielleicht auch die Buhrufe", er meinte aber nach einer Weile: "Mir gefällt das Format mittlerweile ganz gut." Er überlegte, zusätzlich zur Präsenzversammlung künftig vorab eine Online-Informationsveranstaltung anzubieten.

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SZ vom 21.09.2020
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