TSV 1860 München vor der Relegation:"Die Mannschaft ist völlig kaputt"

15 05 2014 TSV1860 Training Fussball 15 05 2015 TSV 1860 Training Grünwalderstrasse München Sport im

Wie Pech und Schwefel: Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner (l.) und Investoren-Vertreter Noor Basha (r.), hier im Büro mit Chefscout Necat Aygün.

(Foto: Philippe Ruiz/imago)
  • Die Löwen zerfleischen sich selbst: Vor den Relegationsspielen gegen Kiel wächst bei 1860 der Unmut gegen den Sport-Geschäftsführer
  • Der Widerstand reicht von der Mannschaft bis zum Präsidium.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Grätscht ein Spieler einen anderen um, der Umgegrätschte steht auf und schlägt dem Umgrätscher mit der Hand ins Gesicht. Klassische Ohrfeige. Unschöne Geschichte. Und doch: nichts skandalös Unerhörtes im ruppigen Fußballgeschäft. Zumal wenige Tage vor der Relegation im Abstiegskampf der zweiten Liga, in der sich ja Umgrätscher Stefan Ortega und Ohrfeigenverteiler Rodri seit Sonntag befinden.

Gleichwohl verdichten sich die Anzeichen, dass die Rangelei zwischen Ersatztorwart und Stürmer, die sich beim TSV 1860 München am Montag beim Reservistentraining abspielte, eine tiefere Bedeutung hat. So etwas sei "normal in dieser Phase. Alle sind enttäuscht, da liegen die Nerven blank", sagte Trainer Torsten Fröhling zwar, aber aus dem Mannschaftskreis sickerte die Botschaft durch, das Motiv hinter dieser Watschn sei "auf der Geschäftsstelle" zu erfragen. Doch der Reihe nach.

Am Sonntagabend war Christopher Schindler nach dem wahrlich trostlosen 0:2 gegen Karlsruhe vor die Presse getreten, um zu einer regelrechten Wutrede anzusetzen: "Wenn du so in Kiel auftrittst, bekommst du auf die Fresse", sagte der Kapitän vor dem am Freitag anstehenden ersten Relegationsspiel: "Wir können auch ein ganz anderes Gesicht zeigen, aber dafür muss jeder Einzelne bereit sein, sein Ego hintenan zu stellen."

Den Vortrag schloss er noch mit der Zuspitzung: "Das kotzt mich an, das sage ich ganz ehrlich." Damit war eine Ego-Debatte in der Welt, und die Frage: Hatte einer der Münchner Profis absichtlich schlecht gespielt? Ach was, sagte Fröhling: "Das ist eine junge Mannschaft. Kann mir keiner sagen, dass es Wittek, Bandowski oder Kovac absichtlich machen." Das mochte sein, doch seit einer Woche stellt sich die Frage, ob es dem einen oder anderen womöglich an Motivation im Abstiegskampf mangeln könnte.

Fröhling selbst hatte ja die Diagnose angestellt, die den Diskurs erst eröffnete: indem er vor dem Spiel gegen den KSC anmerkte, er wolle jedem Spieler tief "in die Augen schauen", um zu erforschen, ob dort der nötige Wille zu erkennen sei. Und indem er anschließend die Spanier Edu Bedia, Ilie Sanchez und Rodri vom Training ausschloss, weil sie "müde" seien, und dann zwei von ihnen aus dem Kader strich. Rodri allerdings nicht.

Rodri, der in der 68. Minute mangels Alternativen für Okotie eingewechselt wurde und mal wieder wirkungslos blieb. Rodri, der Ortega tags darauf eine Ohrfeige gab.

Nachdem die zwei schon am Vortag nach dem Schlusspfiff in der Kabine aneinander geraten waren, wie nun zu hören ist. Weil es nicht länger auszuhalten sei, dass Sportchef Gerhard Poschner, der bei der Rangelei in der Kabine ebenfalls anwesend war, seine "schützende Hand" über "seine Spanier" halte, wie ein wichtiger Mitarbeiter sagt.

Das Problem sei inzwischen: "Die Mannschaft ist völlig kaputt." Auch wie Poschner im Winter einige Spieler regelrecht wegekelte, um im Budget Platz für Krisztian Simon (spielte kaum) und Anthony Annan (spielte nie) zu machen, soll vielen Kollegen sauer aufgestoßen sein. Insgesamt 34 Spieler wurden in dieser Saison eingesetzt, was belegt, dass keiner der bereits drei Trainer wusste, was er mit Poschners Kaders anfangen sollte.

Dass das Präsidium des TSV 1860 um Gerhard Mayrhofer die Lage nicht erkannt hätte, kann man ihm nicht vorwerfen. Allerdings sieht es offenbar keine Möglichkeit einzugreifen - und die eigene Entmachtung zugeben will es offenkundig auch nicht, womöglich auch wegen der 50+1-Regel der Deutschen Fußball-Liga. Diese besagt, dass die Vereine auch bei einem Investoreneinstieg das letzte Wort haben müssen - bei Sechzig ist das längst blanke Theorie.

"Viele Dinge ergeben sich über eine Saison, die man in unserer Konstellation, wie wir sie bei den Sechzigern haben, dann offensichtlich nicht so leicht regeln kann", sagte Mayrhofer in Karlsruhe dem Bayerischen Rundfunk, und es bedurfte keiner großen Dechiffrierungskunst, um dies zu verstehen.

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