Süddeutsche Zeitung

Fußball:1860 München: Weder Kontakt zum Investor, noch Million für Wintertransfers

  • Die Verantwortlichen von Fußball-Zweitligist 1860 München wären bereit zuzustimmen, wenn Investor Hasan Ismaik seine Anteile verkaufen will.
  • Ismaik setzt den Verein unter Druck: Bislang hat er wohl weder Darlehen in Genussscheine umgewandelt, noch versprochenes Geld für Winter-Neuzugänge überwiesen.
  • "Entweder er muss verkaufen oder investieren", sagt der Verwaltungsrats-Vorsitzende. Die Lage für 1860 wird mit jedem Tag ernster.

Von Philipp Schneider

Das Wirtshaus Donisl am Marienplatz in München. In der hintersten Ecke sitzen vier Männer an einem Tisch. Und in der Luft liegt der Geruch von frischem Holz. Hier wurde renoviert, viel Geld investiert, ein Restaurant, das etwas in die Jahre gekommen war, wieder aufgehübscht. Es riecht also ein bisschen nach Neuanfang in dem Gasthaus, das einst Karl-Heinz Wildmoser führte, der Patriarch und ehemalige Präsident des TSV 1860 München. Doch manchmal täuschen die Sinne.

"Wir würden uns nicht sperren, wenn Hasan Ismaik verkaufen möchte"

Die vier Männer sind zwar Wildmosers Erben, aber am Montag sind sie hier, um über den drohenden Untergang des Fußball-Zweitligisten zu reden. Und über ihren unberechenbaren Partner, den jordanischen Investor Hasan Ismaik, der ihnen in den Tagen vor Weihnachten über die Presse hatte ausrichten lassen, dass er dem finanziell unselbstständigen Klub keine weiteren Darlehen mehr gewähren mag. Im März benötigt 1860 erneut etwa fünf Millionen Euro. Ansonsten drohen Lizenzentzug und Insolvenz. "Wir würden uns nicht sperren, wenn Hasan Ismaik verkaufen möchte", sagt Karl-Christian Bay: "Es gibt im Kooperationsvertrag die Notwendigkeit, dass wir zustimmen. Und das würden wir mutmaßlich tun."

Bay ist der Vorsitzende von Sechzigs Verwaltungsrat, der ranghöchste Vereinsvertreter; neben ihm sitzen Präsident Peter Cassalette und seine Stellvertreter Peter Helfer und Hans Sitzberger. Erstmals reden sie öffentlich über das Übernahmeangebot einer Münchner Investorenfamilie, von dem auch sie gehört haben. 18 Millionen sollen die Investoren geboten haben für die 60 Prozent Klubanteile (davon 49 Prozent stimmberechtigt) Ismaiks, für die er einst 18,4 Millionen Euro inklusive dem Startdarlehen zahlte. Zu wenig, findet der Jordanier, der 38,3 Millionen fordert. Ismaik will auch die Darlehen zurück, alle Unterhaltskosten, das ganze Geld, das er in den vergangenen vier Jahren in den chronisch defizitären Klub investiert hat. "Es stellt sich die Frage, ob der genannte Verkaufspreis realistisch ist", sagt Bay. "Und ob wir dafür einen neuen Investor begeistern können."

1860s Verantwortlichen bereitet die Lage "große Sorge"

Ob Bay glaube, dass Ismaik mit der Androhung des Zahlungsstopps die interessierten Käufer unter Druck setzen wolle, damit sie ihr Angebot erhöhen? "Wahrscheinlich", sagt Bay. "Große Sorge" bereite die Lage. "Entweder muss Ismaik verkaufen, oder er muss investieren."

Blöd nur, dass der schwerreiche Geschäftsmann das anders sieht; er hat sich auf den Standpunkt zurückgezogen, dass er gar nichts mehr tun muss. Offenbar will er in diesem Jahr auch keine Darlehen in Höhe von 3,5 Millionen Euro in Genussscheine umwandeln. Dieser Zahlentrick muss stets vor Silvester durchgeführt werden, ansonsten verschlechtert sich die Eigenkapitalquote des Klubs, was eine Geldstrafe der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nach sich zöge. Bay schätzt, dass 750 000 Euro Strafe fällig werden. Ob Ismaik umwandelt, sei alleine dessen unternehmerische Entscheidung, sagt Bay: "Mir ist nur wichtig, dass er diese Entscheidung in Kenntnis aller Rahmenbedingungen trifft." Eine höfliche Umschreibung dafür, dass Ismaik wissen sollte, dass er seiner eigenen Firma schadet, wenn er nicht umwandelt. Die Strafe "dürfte unsere Erfolge im DFB-Pokal konsumieren", schätzt Bay. Allerdings bestehe noch immer eine "Resthoffnung", sich mit Ismaik zu einigen.

Der Kontakt der Vereinsvertreter zu Ismaik ist mal wieder fast vollständig abgebrochen

Doch die Hoffnung schwindet mit jedem Tag. Zumal während des Gesprächs im Donisl recht deutlich wird, dass der Kontakt der Vereinsvertreter zu Ismaik mal wieder fast vollständig abgebrochen ist. Präsident Cassalette sagt, er habe am Tag vor Heiligabend mit Ismaiks Bruder Abdelrahman gemailt. Aber thematisch sei es dabei auch nicht um die Darlehen zur Existenzsicherung gegangen, sondern um die erwartete Überweisung einer Summe (angebliche eine Million Euro) für Wintertransfers. Das Geld sei noch nicht eingetroffen auf dem Konto der KGaA. Dessen ungeachtet stand Sportchef Oliver Kreuzer am Montag dem Vernehmen nach kurz vor einer Einigung mit dem FC Augsburg über ein Leihe von Stürmer Sascha Mölders. "Wir gehen davon aus, dass die Million kommt", sagt Vizepräsident Helfer: "Er hat die Aussage ja öffentlich getätigt."

Dass Ismaik eine Woche zuvor ohne Wissen des Vereins drei Journalisten nach London lud, um in der geräumigen Suite eines feinen Hotels über die jahrelange Misswirtschaft bei 1860 zu klagen, kam bei den Funktionären nicht gut an. Und seither rätseln sie auch über die konkrete Forderung ("Entweder spürbare Veränderungen, oder keine Investitionen"), die Ismaik zur Grundlage weiterer Zahlungen gemacht hatte. "Wir wüssten gerne, was er unter spürbaren Veränderungen versteht", sagt Cassalette: "In der Vergangenheit hat das ja oft mit irgendwelchen Personen oder Gremien zu tun gehabt. Ich persönlich habe aber überhaupt keine Ahnung."

Es geht nur noch darum, auf welche Weise diese Beziehung enden wird

Möglicherweise geht es in diesem nunmehr seit vier Jahren währenden Missverständnis zwischen Ismaik und 1860 längst nicht mehr um einzelne Personen oder die Frage, ob sich die Streitparteien noch einmal aussöhnen. Es geht nur noch darum, auf welche Weise diese Beziehung enden wird. Ismaik hat in London auch darüber geklagt, dass ihn die an seinen Anteilen interessierte Investorenfamilie nur über Mittelsmänner kontaktiert hat - und nicht persönlich. Und er hat die Verschwörungstheorie aufgestellt, dass die Vereinsvertreter seinen Vertrauensmann Ulrich Bez auf ihre Seite gezogen hätten, um ihn zu einem Verkauf zu drängen. "Derartige Vorgänge sind uns nicht bekannt", sagt Bay: "Und sie entbehren auch jeglicher Grundlage. Wenn es eine Verschwörung gegeben haben sollte, wäre sie von der falschen Seite initiiert worden. Der Vorschlag, Bez in die Gremien zu berufen, kam von Ismaik." Er habe dem Vorschlag allerdings zugestimmt, weil er Bez schon vorher gekannt habe, sagt Bay. "Welche Kommunikation Dr. Bez mit Hasan Ismaik hatte, während er Gremienmitglied war, das entzieht sich schlicht meiner Kenntnis."

Anschuldigungen in London, Rechtfertigungen in München. Zwei ehemalige Partner, die kaum noch miteinander reden. Der Vorgang lässt sich auch ganz simpel interpretieren: Die Verhandlungen über den Kaufpreis ziehen sich hin.

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SZ vom 29.12.2015/max
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