TSV 1860 München und Investor Ismaik:Wer zahlt, ist naiv

Hasan Ismaik Dieter Schneider TSV 1860 München

Da war die bayerisch-arabische Welt noch in Ordnung: Investor Hasan Ismaik und 1860-Klubpräsident Dieter Schneider auf dem Oktoberfest.

(Foto: imago sportfotodienst)

Das erste arabische Investment im deutschen Profifußball ist eine Geschichte des Missvergnügens: Das Präsidium des Zweitligisten TSV 1860 München und Geldgeber Hasan Ismaik haben sich hoffnungslos zerstritten. Weil der Investor offenbar die 50+1-Regel nicht verstanden hat, muss er fürchten, 27 Millionen Euro im maroden Klub versenkt zu haben.

Von Thomas Hummel

In Bayern gibt es ein Sprichwort: "Wer zahlt, schafft an." Das existiert so oder so ähnlich wohl in der ganzen Welt, heutzutage auch in der arabischen, wo sich mancherorts so viel Geld ansammelt, wie selbst in den Märchen aus Tausendundeiner Nacht kaum zu erträumen war.

Wer das Geld überweist, fällt die Entscheidungen im Betrieb: Daran glaubte auch Hasan Abdullah Mohamed Ismaik, als er in den TSV 1860 München investierte. Im Falle des deutschen Fußball-Zweitligisten wäre demnach also er es, der die Entscheidungen treffen könnte.

Am Montagabend musste der 36-Jährige aus Abu Dhabi erfahren, dass das mit dem Anschaffen in einem deutschen Profiklub nicht so einfach wie das Zahlen ist. Hasan Ismaik war eingeflogen, er hatte seinen Cousin Basha, einen Bruder und seinen Münchner Statthalter Hamada Iraki mitgebracht. Er wollte endlich für klare Verhältnisse in seinem Sinne sorgen und die Verantwortlichen des Klubs aus den Entscheidungsgremien drängen. Doch die wollten nicht so, wie er wollte.

Der deutsche Fußball macht seine ersten Erfahrungen mit einem arabischen Investor. Derzeit muss man sagen: Die Erfahrungen sind zu einer Geschichte gegenseitigen Missvergnügens geworden. Es ist auch die Geschichte vom Zusammenprall zweier Kulturen. Doch von vorne.

50+1 heißt: Der Verein hat das Sagen

Hasan Ismaik schwebte im Mai 2011 wie auf einem fliegenden Teppich in München ein. Der TSV 1860, der wegen des überdimensionierten Stadionprojekts und des Abstiegs in die zweite Liga im Jahre 2004 ständig darbende Fußball-Zweitligist, stand vor dem Konkurs. Niemand, kein Gönner à la Dietmar Hopp, keine heimische Firma à la VW und auch kein Erzherzog von Bayern wollte diesem Verein noch Geld geben.

Der Deutsche Meister von 1966, dem immer noch eine erstaunlich große Anhängerschar folgt, stand vor dem Niedergang in die Amateurliga. Der Klub sendete noch einen öffentlichen Hilferuf: Jeder Geldgeber, "an den wir noch nicht gedacht haben", möge sich doch bitte in der Grünwalder Straße im Münchner Süden melden.

Es meldete sich Hasan Ismaik. Der Kontakt kam über den Investmentbanker Iraki zustande. Ismaik zahlte dem Klub 13 Millionen Euro für 60 Prozent Anteil der Profiabteilung KGaA, 49 Prozent mit Stimmrecht, elf Prozent ohne. Denn die Deutsche Fußball Liga stellt mittels einer 50+1-Regel sicher, dass der Verein das Sagen hat. Ein Investor darf im deutschen Profifußball nicht der Entscheider sein. Heute fragt man sich, ob Hasan Ismaik dies auch wirklich verstanden hat, als er damals die vielen Millionen auf den Tisch legte.

Ismaik hat über weitere Darlehen inzwischen mehr als 27 Millionen Euro in den strukturell defizitären Klub gepumpt. Warum er das tat, ist nicht ganz klar. Er sagt, er habe sein Geld in Öl- und Immobiliengeschäften verdient, das Investment bei 1860 sei ein eher kleines. Bei seiner Antrittsrede sprach er davon, in zehn Jahren auf einer Stufe mit dem FC Barcelona stehen zu wollen. Er träumt von Derbys mit dem FC Bayern München. Doch sein Klub, der TSV 1860 München, ist Tabellensechster der zweiten Liga, hat im DFB-Pokal 0:3 gegen den VfL Bochum verloren. Es deutet wirklich überhaupt nichts Richtung große, glitzernde Fußballwelt.

Was bleibt Ismaik?

Ein gutes Jahr lang hielt sich Ismaiks Seite still, der Investor selbst war kaum in München, der Klub erlebte eine Zeit der Ruhe wie zuletzt wohl im Jahre 1859. Mittels Ismaiks Darlehen leistete sich die sportliche Leitung vor der Saison ein paar ordentliche Fehleinkäufe. Recht graumäusig wurschtelte die Mannschaft dahin, zuerst unter dem stoischen Trainer Reiner Maurer, dann unter dem ehemaligen Jugendtrainer Alexander Schmidt. Das alles führte im fernen Abu Dhabi wohl zu aufgeregten Gesprächen. Denn Ismaik vollzog einen schrillen Sinneswandel.

Ismaik verkehrt offenbar in arabischen Königskreisen und ist mit Mansour bin Zayed Al Nahyan, dem Scheich von Manchester City, bekannt. Dann traf er Sven-Göran Eriksson, ehemaliger englischer Nationaltrainer. Der wäre doch was für 1860! Den kennt man auch in Katar! Ismaik wollte Eriksson installieren, der regte wohl auch den Kauf einiger Spieler an.

Doch 1860 will weder Eriksson noch dessen Spieler. 1860 will auch keine neuen Millionen, die als nachrangige Darlehen der Kommanditgesellschaft des Klubs (KGaA) und damit auch dem eingetragenen Verein als Anteilseigner aufgebürdet werden. Die müssen zwar erst zurückgezahlt werden, wenn 1860 Gewinn erwirtschaftet, doch den Verantwortlichen ist ob der Schuldenlast nicht mehr ganz wohl. Sie zweifeln auch daran, dass der teure Eriksson und dessen Spieler so einfach den lang ersehnten sportlichen Erfolg mitbringen.

Nach einer Krisensitzung auf dem Klubgelände am Montagabend brausten Ismaik und sein Gefolge wütend ab. Er wolle mit den Herren des Klubs nicht mehr zusammenarbeiten, sagte er. Die Klub-Seite mit Präsident Dieter Schneider an der Spitze beruft sich auf die 50+1-Statuten der DFL: Ismaik habe "personelle Einflussnahmen gefordert, die weit über das von der DFL erlaubte Maß hinausgehen", sagte er.

Die Navitität des Investors

Ismaik ist nun sauer und beleidigt. Wieso gibt er Millionen aus und darf dann nicht einmal den Trainer einsetzen? Wieso kann ein Vereinspräsidium bestehend aus einem 65-jährigen Autohausbesitzer und Kunststoff-Fabrikanten aus dem Ort Röhrmoos (Präsident Dieter Schneider), einem Politiker (Franz Maget von der SPD) sowie einem Polizeihauptmeister (Wolfgang Hauner) ihm die Stirn bieten? Er wolle sich nun bei der DFL nach seinen Rechten erkundigen. Letzteres ist die eigentliche Pointe.

Es wirkte am Montagabend in München, als würde Hasan Ismaik die Konsequenzen der 50+1-Regel noch nicht wirklich kennen, die ihm den Einfluss auf den täglichen Arbeitsprozess eines deutschen Profi-Klubs untersagt, zumal, wenn es um Personalentscheidungen nach Gutdünken geht.

Insofern war es auch mehr als naiv von ihm, am Montagmittag aus dem Flugzeug zu steigen und den erstbesten Journalisten mitzuteilen, dass er nicht mehr mit Präsident Schneider zusammenarbeiten wolle. Auch das öffentliche Ansinnen des Trainerwechsels war keine gute Strategie. Der Klub konnte am Ende gar nicht anders, als sich gegen Ismaiks Forderungen zu wehren, sonst hätte die DFL wohl eingreifen müssen.

Ismaik muss auf das Überleben von 1860 hoffen

Der Jordanier teilte nun mit, alle vereinbarten Zahlungen auszusetzen. 1860 will deshalb mittels eines "Plan B" seine Finanzen auch ohne Ismaiks Millionen für die kommende Saison planen. Wie das plötzlich gelingen soll, ist angesichts der immer noch hohen Kosten für Stadionmiete und Spielerkader unklar.

Ismaik hofft nun, dass der Klub ihm einen anderen Aufsichtsrat als Partner zur Seite stellt. Im März wählen die Vereinsmitglieder ein neues Präsidium, das dann ihre Mitglieder in den Aufsichtsrat der Profiabteilung entsendet. Ob allerdings die Boxer, Skifahrer, Leichtathleten oder Turner des Klubs Interesse daran haben, dass sich ihr Verein aufgrund der Fußballer noch einmal enorm verschuldet, darf bezweifelt werden.

Bleibt der Klub geschlossen und beugt sich nicht Ismaiks Wünschen, stellt sich die Frage: Ist er tatsächlich so reich, dass es ihm egal ist, 27 Millionen Euro in einem maroden deutschen Arbeiterklub zu versenken? Und lässt er den TSV 1860 einfach pleitegehen? Oder hat er Glück, und der TSV 1860 München schafft es künftig auch ohne seine Millionen in die erste Liga. Nur in diesem Fall hätte er die Aussicht, sein Geld wiederzubekommen.

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