TSV 1860 München:Die magische 18

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Fünf Buden in zwölf Minuten: Raphael Ott schrammt beim 18:0 des TSV 1860 München im Toto-Pokal-Spiel in Oberfranken knapp an einem doppelten Hattrick vorbei. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Drei neu geholte Mittelstürmer treffen seit vier Spielen nicht ins Tor. Dann erzielt der 18 Jahre alte Raphael Ott aus der eigenen Jugend fünf Treffer innerhalb von zwölf Minuten – beim höchsten Pflichtspielsieg der Vereinsgeschichte.

Von Korbinian Eisenberger

18 Tore in fünf Spielen, eine super Bilanz! Tatsächlich hat der Fußballklub TSV 1860 München bei seinen vergangenen fünf Auftritten im Schnitt 3,6 Tore pro Partie erzielt. So eine Quote hatte der Verein lange nicht – und die Fußballer der Münchner Löwen hätten dafür eine Extraprämie verdient, gäbe es nicht dieses kleine, aber wichtige Detail: Alle 18 Tore der Sechziger fielen in nur einem Spiel. Und der Gegner hieß am Dienstagabend SSV Kasendorf, angesiedelt in der Kreisklasse Bayreuth-Kulmbach 4 (das Bezirksliga-Team, das sich für den Toto-Pokal qualifiziert hatte, wurde aufgelöst). Anders gesagt: Man hätte dem Drittligisten 1860 genauso gut elf Stammtischbrüder aus dem Löwenstüberl vorsetzen können.

Dem Vernehmen nach haben die Kasendorf-Besieger aus München für ihre 18 Hütten beim Toto-Pokal-Erstrundenspiel in Oberfranken also keine Extraprämie erhalten. Denn wer weiterrechnet, muss zu dem Ergebnis kommen, dass dem Team von Trainer Argirios Giannikis in ihren vorangegangenen vier Partien kein einziger Treffer gelungen war: 0:0 beim österreichischen Zweitligisten First Vienna FC, jeweils 0:2 bei den deutschen Zweitligisten Karlsruhe und Kaiserslautern – gefolgt von einer 0:1-Heimniederlage beim Drittligastart gegen den 1. FC Saarbrücken. Und so stellt sich nun die Frage, welches Gesicht die Münchner Löwen am Sonntag bei der zweiten Mannschaft des VfB Stuttgart zeigen werden: das Keintor- oder das Kasendorf-Gesicht?

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Dem TSV 1860 wurden vor dem Drittligastart von manchen gute Aufstiegschancen eingeräumt. Nach der 0:1-Heimniederlage am ersten Spieltag gegen Bayern-Schreck Saarbrücken ist die Euphorie gedämpft.

Aus dem Stadion von Korbinian Eisenberger

Um Torflauten-Geraune vorzubeugen, beteiligte sich der Münchner Klub auffällig aktiv am Transfermarkt. 19 Spieler verließen den Verein, elf neue wurden nach Giesing gelotst, darunter drei neue Mittelstürmer: Fabian Schubert vom Schweizer Klub FC St. Gallen sowie Patrick Hobsch aus Unterhaching und Maximilian Wolfram vom SC Verl, von Ligakonkurrenten also. Hinzu kommen vier Kicker aus der klubeigenen Nachwuchsabteilung, darunter ein 18-Jähriger, dem in Kasendorf ein Kunststück von lewandowskem Ausmaß gelang.

Linksaußen Raphael Ott stand in dieser ersten Partie des Toto-Pokals (der zur Qualifikation für den DFB-Pokal dienen kann) von Beginn an auf dem Feld, war dort zunächst Zeuge der Tore eins bis fünf, eher er sich für eine Trendwende entschied – und zwischen der 32. und der 44. Minute höchstselbst fünf Tore in Serie erzielte. Somit schaffte er beinahe einen doppelten Hattrick.

Das erinnerte fast an einen Münchner Klub mit roten Trikots, in dessen Diensten am 22. September 2015 der polnische Stürmer Robert Lewandowski fünf Tore in neun Minuten erzielte. Mit dem Unterschied, dass es sich damals um ein Bundesligaspiel handelte und der Gegner nicht SSV Kasendorf hieß, sondern VfL Wolfsburg. Der Name Ott ist jedenfalls hinterlegt in den 1860-Statistikbüchern, das 18:0 war der höchste Pflichtspielsieg der Vereinsgeschichte. Der bisherige Rekord stammte aus dem Jahr 1942, ein 15:1 im Tschammerpokal gegen SS Straßburg.

„Wir müssen am Übergang in die allerletzte Zone arbeiten“, sagt Vollath

Bei der Selbstanalyse der 0:1-Pleite Tage zuvor gegen den ambitionierten Bayern-Pokal-Schreck aus Saarbrücken hatten sich die Spieler kritisch mit Spielhälfte zwei befasst. Für den – ebenfalls aus Unterhaching – neu verpflichteten Keeper René Vollath „haben wir da die entstehenden Aktionen nicht sauber zu Ende gespielt“. Ähnlich wie in den vorangegangenen torlosen Auftritten: „Wir hatten das auch in Lautern, das sieht dann sehr chancenarm aus“, so Vollath. „Aber wenn man sich im Detail die Szenen ansieht, wo wir auf die Kette zulaufen“, sagte er, „dann kann da was richtig Großes entstehen.“

Das Problem, welches in diesen Momenten die Löwenangriffe verwässere: „Dass wir dann eine falsche Entscheidung treffen.“ Also: ein Pass zum nicht ganz exakten Zeitpunkt, ein unsauber abgestimmter Laufweg, eine zu hohe oder zu flache Flanke. „Wir müssen am Übergang in die allerletzte Zone arbeiten“, sagte Vollath. „Wenn wir da richtig im Detail sind und dann die richtige Entscheidung treffen, dann werden wir auch unsere Tore machen.“

Die kleinen, aber wichtigen Details: Darum soll es also gehen, wenn am Sonntag um 16.30 Uhr (Magentasport) der Liganeuling VfB Stuttgart II die Löwen in Aspach an einem Ort mit dem eindrücklichen Namen WirmachenDruck-Arena empfängt. Sehr wahrscheinlich wird trotz der Torgala nicht Ott in der Startelf stehen, sondern Hobsch, der im Pokalspiel für Ott kam, auch noch zweimal traf und ankündigte, in der Liga „nicht den Kopf in den Sand zu stecken und auch nicht schwarzzumalen“. Beim VfB II, so Hobsch, handele es sich um ein Ensemble, das „schwer einzuschätzen“ sei. Stabiler als der SSV Kasendorf dürften sie jedenfalls sein.

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