Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Schwierige Zweckgemeinschaft

1860-Trainer Reiner Maurer war bekanntermaßen nicht die Wunschlösung von Sportchef Miroslav Stevic. Nun beginnt das Verhältnis endgültig zu bröckeln - mit noch unbekannten Folgen.

Gerald Kleffmann

Wann immer Reiner Maurer im vergangenen halben Jahr gefragt wurde, wie er mit dem ganzen Theater wegen der Finanzkrise und sonstiger Aufreger bei 1860 München klarkomme, hatte er eine Standardantwort parat. "Meine Zeit in Griechenland hat mich ruhiger gemacht", erklärte der Löwen-Trainer dann lächelnd. Über vier Jahre hat der jetzt 50-Jährige nach seiner Entlassung bei 1860, als er erstmals den bayerischen Traditionsklub verantwortet hatte, im Süden Europas gearbeitet, "da erlebt man einiges mit". Diese Zeit hat ihn abgehärtet, sollte das stets heißen. Bei den Sechzigern kommt ihm diese Fähigkeit zugute. Heute mehr denn je.

Maurer muss sein eigenes Schaffen zunehmend rechtfertigen. In den vergangenen sieben Partien gelang 1860 nur ein Sieg (Hertha). Der Druck erhöht sich auf ihn, auch intern. Am Dienstag trafen sich Geschäftsführer Robert Schäfer, Vizepräsident Dieter Schneider, Sportchef Miroslav Stevic und der offenbar hinzuzitierte Maurer, um die Pleite gegen Bochum und Grundsätzliches zu klären.

"Ich freue mich immer über einen runden Tisch", sprach Maurer vorab gelassen, "dann weiß ich, dass meine Meinung gehört wird." Man muss dennoch kein Pessimist sein, um zu dem Schluss zu gelangen: Bei weiteren Niederlagen könnte es bald eng werden für den Allgäuer. Im Misserfolg ist ein Trainer das schwächste Glied. In seinem Fall besonders.

Erstaunlich zumindest ist das Tempo dieser Entwicklung. Bis zum vorletzten Spiel schien die Welt sportlich halbwegs in Ordnung zu sein. Dann enttäuschte 1860 zum Hinrundenende gegen Paderborn und verlor den Anschluss zum Verfolgerfeld in der Tabelle. Beim Rückrundenstart gegen Bochum überzeugte die Elf wieder nicht.

Stevic soll daraufhin, so berichtete die tz, gegenüber Fans sein Unverständnis geäußert haben, dass Maurer mit Lauth nur eine echte Spitze aufgeboten habe. Die Rückendeckung für den Trainer scheint zu schwinden, wobei viele wissen, dass das Verhältnis zwischen Stevic und Maurer eh nicht gut ist. Geschlossenheit sieht anders aus.

Vor Weihnachten hatte Stevic die Paderborn-Niederlage benutzt, um "zu wenig fachlichen Austausch" mit Maurer zu beklagen und darauf zu verweisen: "Das Verhältnis könnte besser sein." Wie aus dem Nichts kam diese direkte Kritik, dabei hätte - wie Stevic selbst erkannte - 1860 mit einem Sieg gegen Paderborn die beste Hinrunde seit Jahren hingelegt. Vizepräsident Schneider sprang als Mediator ein und schlichtete. Bezeichnend freilich: Es bedarf offenbar Dritter, um Stevic und Maurer an einen Tisch zu bringen, man hört nie davon, dass sich die zwei eingeschlossen hätten, um gemeinsame Analysen zu erarbeiten.

Mit Ewald Lienen, der Wunschtrainer von Stevic gewesen war, ehe er im Sommer ging, präsentierte sich der Sportchef stets als Einheit. Lienen bezeichnete Stevic einmal als "Ehrenmann". So ein Lob kam Maurer bisher nicht über die Lippen. Er sagte zum Thema Kommunikationsprobleme: "An mir liegt es nicht. Ich bin immer gesprächsbereit." Stevic wiederum hat sich nach seiner Kritik vor Weihnachten erstmal zurückgehalten.

Sein Kommentar vor den Fans zeigt indes: Sie gären weiter, die wie auch immer gearteten Dissonanzen, die sich längst wie ein roter Faden durch diese Saison ziehen. Im Juni enden beider Verträge. Es ist nicht vorstellbar, dass Stevic und Maurer nochmals eine Zweckgemeinschaft eingehen. Wenn nicht vorher schon etwas passiert.

Maurer war bekanntermaßen nicht der Wunschtrainer von Stevic. Maurer, als U23-Trainer vorgesehen, wurde aufgrund des "Preis-Leistungs-Verhältnisses" befördert, wie der damalige Geschäftsführer Manfred Stoffers verriet. Andere Kandidaten - Marcel Koller etwa - waren zu teuer. Auffallend früh zeigte sich, wie reserviert sich Stevic gegenüber Maurer gab. Als der installiert wurde, sprach er: "Reiner Maurer ist ein fleißiger, akribischer Fußballlehrer. Wir sind überzeugt, dass er unsere vielen jungen Spieler weiterentwickeln wird." Angeblich soll der Job von Maurer nach dem verpatzten Saisonstart mit zwei Niederlagen in drei Spielen schon gefährdet gewesen sein, wie jemand im Klub einmal andeutete. 1860 gewann das vierte Spiel in Düsseldorf und fing sich in Liga zwei.

Am sechsten Spieltag, nach dem tollen Sieg beim FC Augsburg, lagen sich Stevic und Maurer immerhin fest in den Armen. Näher beisammen hat man die beiden seitdem kaum mehr erlebt. Geht man diverse Sätze durch, die von beiden gesprochen wurden, lässt sich eine Art Muster erkennen. Der Trainer verweist bei Themen, die nicht unmittelbar seine Arbeit auf dem Platz betreffen, gerne darauf, dass er "nicht der richtige Gesprächspartner" sei. Stevic vertritt eine Meinung, wie er sie im September äußerte: "Ich bin überzeugt, dass 1860 nur wegen zu lascher Einstellung scheitern kann, niemals aber wegen der Qualität."

Ein geschickter Satz, schwingt doch mit, dass der Kader gut sei und es vor allem am Trainer liege, wenn der nicht die Fähigkeiten der Spieler zum Vorschein bringe. Dabei ist Maurer schon der vierte Trainer unter Stevic' Ägide (Kurz, Wolf, Lienen, Maurer), seit Februar 2009. Wie viel Trainer wohl noch ihr Glück beim TSV versuchen dürfen?

Allmählich sollte bei 1860 zumindest die Debatte erlaubt sein, ob nicht zu viel in die Fähigkeiten mancher der geholten und gehaltsmäßig stattlich bezahlten Profis interpretiert wird. Zudem: Eine Mannschaft spürt, wenn die sportliche Führung - Sportchef und Trainer - nicht harmoniert. Aufbruchstimmung erzeugt das nicht.

Von außen sieht es aus, als wolle sich keiner eine Blöße geben, wobei sich Maurer aufgrund der sportlichen Stagnation in der deutlich schlechteren Lage befindet. Er muss jetzt weniger darauf achten, das Richtige zu tun. Er muss darauf achten, nicht das Falsche zu tun. Gerade denkt er darüber nach, den jungen Tarik Camdal statt Stefan Aigner zu bringen sowie Ignjovski als linken Verteidiger spielen zu lassen. Wenn das am Freitag in Osnabrück aufgehen sollte, ist erst mal Ruhe. Wenn nicht, wird er wieder angreifbar sein. Selbst wenn er fachlich alles begründen kann.

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SZ vom 20.01.2011/ebc
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