TSV 1860 München:Schwere Kost in Rostock

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Wieder was gelernt: Der junge Schiedsrichter Konrad Oldhafer sorgte für viele Diskussionen, hier mit 1860-Stürmer Sascha Mölders. (Foto: Andy Buenning/imago images)

Die Löwen erkämpfen sich in einem intensiven und zerfahrenen Spiel einen Punkt beim Hansa Rostock und bleiben Tabellenführer der dritten Fußball-Liga.

Von Markus Schäflein

Es passte zum Spiel, dass 1860-Trainer Michael Köllner und Hansa-Sportvorstand Martin Pieckenhagen nach dem Schlusspfiff noch heftig aneinander gerieten. Vielleicht trugen auch die impulsiven 7500 Zuschauer in Rostock zur Hektik bei diesem Drittliga-1:1 bei, Köllner konnte sich jedenfalls nach eigenen Angaben nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt vor einer solchen Kulisse gearbeitet hatte. Er diagnostizierte "ein hartes intensives Spiel" und "keine leichte Fußballkost", und diese lag ihm offenbar noch im Magen. Jedenfalls entbrannte ein Streit mit Pieckenhagen - zum Thema Fahrräder.

"Ich habe mich nur bedankt bei ihm", erklärte Köllner. "Wir wollten fünf Fahrräder haben zum Ausradeln, weil wir eine englische Woche haben." Diese habe Rostock den Sechzgern nicht gegeben - und dann? "Dann kommen wir rein, und es stehen 40 Fahrräder bei denen im Raum rum." Seine Fahrräder nicht zu verleihen, erklärte Köllner, finde er "sportlich nicht fair".

Auch auf dem Rasen war nicht alles sportlich fair abgelaufen. Der frühere Rostocker Dennis Erdmann wurde bei seiner Einwechslung für den verletzten Daniel Wein (39.) ausgepfiffen, erzielte dann prompt mit dem Kopf nach einer Ecke die Führung der Löwen - und jubelte mit einem hochgestreckten Finger, zwar mit dem Ringfinger, aber es sah schon ähnlich aus wie die bekannte unschöne Geste. Zu einem nicht gegebenen Elfmeter nach Handspiel seines Kollegen Stephan Salger (74.) erklärte Erdmann im MDR, die Situation sei ihm "scheißegal", denn: "Er hält ihn überragend auf der Linie. Er war mit den Fingerspitzen dran. Alles richtig gemacht, Hut ab. Es ist mir auch scheißegal, dass die Rostocker den Schiedsrichter belagern. Was will er jetzt noch machen? Fehlentscheidungen gehören zum Fußball dazu." Auch in den Zweikämpfen ging es hoch her, der 25-jährige Schiedsrichter Konrad Oldhafer wirkte überfordert, was Köllner ihm verzieh. "Ein Schiedsrichter muss auch mal seine Erfahrung sammeln, leider muss man das als Trainer aushalten", sagte er: "Welches Spiel soll er denn pfeifen, wenn er irgendwann mal in der ersten Liga Schiedsrichter werden will?"

Begonnen hatte die Partie noch strukturiert, aufgrund einer konzentrierten und abgeklärten Leistung der Löwen. Für Köllner waren es "vielleicht die stärksten 20 Minuten dieser Saison, trotz der Kulisse haben wir sehr ruhig und abgeklärt gespielt". Stefan Lex hatte die erste große Chance, sein Schuss nach Steilpass von Phillipp Steinhart wurde aber geblockt (13.). Mitte der ersten Hälfte wurden die Rostocker dann stärker. "Hansa hat sich reingebissen, jede Standardsituation war Schwerstarbeit für uns zu verteidigen", sagte Köllner. Es ging zudem darum, "immer den letzten Pass zu verhindern, sich reinzuwerfen". Zu Beginn des zweiten Durchgangs gelang das dann nicht mehr: Bentley Baxter Bahn nutzte eine flache Hereingabe von Nico Neidhart mit einem Schuss von der Strafraumgrenze zum 1:1 (50.), als Steinhart weggerutscht war.

Die Schlussphase mussten die Löwen in Unterzahl überstehen. Steinhart, der wegen Ballwegschlagens bereits die gelbe Karte erhalten hatte, sah nach einem Foul Gelb-Rot (83.). "Diese Entscheidung schmeckt mir auch nicht", konterte Köllner die Rostocker Schiedsrichter-Schelte; die erste Verwarnung gegen seinen Linksverteidiger fand er überzogen. Zu zwei gefährlichen Szenen kam der FC Hansa in Überzahl noch: Der kurz zuvor eingewechselte frühere Sechziger Korbinian Vollmann kam aus neun Metern zum Abschluss, seinen Schuss blockte Quirin Moll (89.). Und in der Nachspielzeit parierte 1860-Torwart Marco Hiller stark gegen Nik Omladic.

Am Mittwoch (19 Uhr) treffen die Sechziger zu Hause in Giesing auf den 1. FC Saarbrücken - es wird das Spitzenspiel der dritten Liga, denn der Aufsteiger steht nach seinem Last-Minute-2:1 gegen die SpVgg Unterhaching auf Rang zwei direkt hinter den Löwen - und zwar mit einem Punkt, aber auch mit einem Spiel weniger. Zuschauer werden dann angesichts der Münchner Corona-Zahlen wohl wieder nicht dabei sein. Für Köllner, der in Rostock die Wechselwirkung mit dem Publikum mal wieder live erleben durfte, ist das nur noch schwer zu verstehen. "Ich finde es schwierig, im selben Land zu leben, und es gibt tausend verschiedene Richtlinien. Das ist auf Dauer fatal", sagte er schon vor dem Rostock-Spiel - er ahnte ja, was ihn dort erwarten würde: "Eine grundsätzliche Linie würde dem Land nicht schaden." Vorerst müssen sich die Sechziger wohl weiterhin auf ihre eigene Energie verlassen - und auf ihre eigenen Fahrräder.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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