TSV 1860 München:Der Nächste, bitte!

Der Rücktritt von Geschäftsführer Robert Niemann nach nur 106 Tagen im Amt offenbart Zerwürfnisse mit der Vereinsführung. Auffällig ist, dass niemand bei 1860 München seinen Rückzug bedauert.

Gerald Kleffmann

Beim Fußball-Zweitligisten 1860 München hören die personellen Querelen nicht auf. 106 Tage nach dem Amtsantritt gab Geschäftsführer Robert Niemann am Sonntag nach dem 0:0 bei Energie Cottbus seinen Rücktritt bekannt. Er nannte "persönliche Gründe". Der 44-Jährige war am 1.August als Nachfolger von Manfred Stoffers angetreten. Stoffers hatte zuvor die persönliche Verantwortung für den verlorenen Prozess gegen den FC Bayern, in dem es um Catering-Kosten in der Arena ging, übernommen und war gegangen; 1860 ist Mieter im Stadion des Erstligisten.

Robert Niemann 1860

Der nächste Rücktritt bei 1860 München: Diesmal ist es Geschäftsführer Robert Niemann.

(Foto: imago sportfotodienst)

Nachfolger von Niemann wird Robert Schäfer, 34. Der Jurist arbeitet seit fünf Jahren beim 1860-Vermarkter IMG, seit 2008 als Projektleiter. Schäfer muss den Sanierungskurs einleiten, den Niemann angekündigt hat. 1860 war Ende Oktober knapp einer Insolvenz entgangen. Mitte Oktober hatte die Deutsche Fußball-Liga Sechzig bereits zwei Punkte in der Tabelle wegen Verstößen im Lizenzierungsverfahren abgezogen. Niemann hatte das milde Strafmaß ausgehandelt, der frühere Geschäftsführer einer DFL-Firma verlässt 1860 nicht ohne Verdienste. Nachdem Stoffers einen Anti-FCB-Kurs gewählt hatte, strebte Niemann "eine Politik der Stabilität" an. Das Verhältnis Sechzigs zu Bayern entspannte sich. Niemann bewirkte eine Schuldenstundung.

Zuletzt jedoch sorgte sein Handeln für Irritationen. In der Arena wollte er vor dem Spiel gegen Aachen ein Plakat ("Raus aus der Arena") kritischer Fans abhängen lassen. Anhängern sprach er teilweise das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ab. Nach SZ-Informationen geriet Niemann auch mit Klubgremien aneinander. Ihm wurde vorgeworfen, die DFL auf das Lizenzierungsvergehen aufmerksam gemacht und die Strafe voreilig akzeptiert zu haben. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten legte einen erfolgversprechenden Einspruch nahe. Seine Ankündigung jüngst, 1860 bleibe in der Arena und kehre nicht ins mutmaßlich günstiger zu mietende Olympiastadion zurück, sei "mit dem Aufsichtsrat nicht abgesprochen" gewesen.

Im Kontrollgremium sieht man es so, dass das Thema Olympiastadion "nicht vom Tisch" ist. Auch wollte Niemann Fachkräfte installieren, was ihm wegen der Finanznot verweigert wurde. Niemann habe die Absicht gehabt, unter anderem einen Finanzgeschäftsführer und einen Mediendirektor einzustellen, eine halbe Million Euro hätten die Pläne den TSV gekostet.

Im Verein sei man nun verbittert darüber, dass Niemann sofort hinwirft. Die Funktionäre wurden wie die Öffentlichkeit überrascht, sie wussten es nur ein paar Tage früher. Vor dem Aachen-Spiel am 7. November habe Niemann erstmals den Rücktritt mitgeteilt, das Präsidium habe ihn gebeten, bis zu einer Sitzung am Mittwoch die Entscheidung zu vertagen. Dort wollte man ihn umstimmen. Das gelang nicht. Das Präsidium habe daraufhin den Rücktritt angenommen. Bizarr wirkt im Rückblick ein Trainingsbesuch Niemanns am Donnerstag, er verbreitete bei der Mannschaft gute Laune, als sei nichts gewesen. Bei einem Gespräch mit einer Bank soll er am selben Tag seinen Entschluss aber bekannt gegeben haben.

Auffallend ist, dass kaum jemand den Rückzug Niemanns bedauert. Mitarbeiter sagten der SZ, "die Stimmung war noch nie so schlecht wie unter ihm", herablassend, besserwisserisch sei er aufgetreten. Ein Aufsichtsrat glaubt, Niemann habe aus "Angst vor persönlicher Haftung im Insolvenzfall" hingeworfen, zudem sei er so eitel, dass er dem Makel einer beruflichen Pleite zuvorkommen wollte. Den hat er aber auch so.

Ende Oktober musste der TSV, wie es heißt, binnen Stunden den Nachweis von Garantien erbringen, eine Auflagenfrist der DFL lief ab. Niemann hatte es alleine nicht geschafft. Im letzten Moment habe sich Dieter Schneider, 63, der neue Vizepräsident, eingeschaltet. Der Unternehmer aus Markt Indersdorf, dessen Hauptfirma "Liedtke Kunststofftechnik" Plastikteile für die Autoindustrie herstellt, sprach mit Banken, unter seiner Leitung sei auch ausgemacht worden, dass "alle in den Gremien nun privates Geld bei 1860 drin haben", wie ein Kontrolleur bestätigt. Es handle sich um einen sechsstelligen Betrag. Die DFL hätte 1860 sonst sieben Punkte abgezogen.

Schneider, der angeblich besonders viel zahlte, gilt als neuer starker Mann bei 1860. Am 27. November findet die Delegiertenversammlung statt. Fans spekulieren in Foren bereits, ob Schneider den Posten mit Präsident Rainer Beeck tauscht. Schneider sagte der SZ: "Das ist Quatsch." Er fügte aber hinzu: "Wenn ich es machen müsste, würde ich natürlich helfen."

Auch an anderer Stelle setzte sich Niemann nicht durch. Vor drei Wochen wollte er den Vertrag mit IMG laut AZ kündigen, er hatte mit den Konkurrenten Ufa und Sportfive verhandelt. Ironie des Schicksals: IMG-Mann Schäfer ist sein Nachfolger.

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