TSV 1860 München:Rätselhaftes Treiben des Gönners

Streit bei 1860 Muenchen um das Engagement des Investors

Ungewisse Zukunft bei den Löwen: 1860-Investor Hasan Ismaik (l.), Hamada Iraki und Robert Schäfer bei einem Besuch in der Arena im Frühjahr 2011

(Foto: Sebastian Widmann/dapd)

Wie sieht die Zukunft von 1860 München aus? Die Absichten des arabischen Investors des Zweitligisten sind undurchsichtig: Nach SZ-Informationen soll Hasan Ismaik versucht haben, seine Klubanteile zu verkaufen. Der Verein arbeitet an einem Notfallplan, Spielerverkäufe drohen.

Von Andreas Burkert, Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Die Stimmung ist prima gewesen, als der große Gönner diesen Mai beim Italiener "Raffaele" dabei war. Die Zweit- liga-Fußballer des TSV 1860 München ließen in der Schwabinger Pizzeria die Saison ausklingen, und Hasan Ismaik, 35, kalauerte immerzu. "Viel Spaß mit der Rechnung!", hinterließ der Mann mit den lebendigen braunen Augen seinen Gastgebern, deren Verein er ein gutes Jahr zuvor mit einem Investment von rund 20 Millionen Euro vor der sicheren Pleite und dem Absturz in den Amateursport gerettet hatte. Im Mai 2012 schaute er also mal wieder vorbei bei seinem Hobby, das der Jordanier sonst aus der Ferne beobachtet, von seinem Hauptwohnsitz Abu Dhabi. Seine Laune steckte an, "wenn er da ist, hat das immer eine tolle Wirkung auf alle", schwärmte 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer.

Nur, von der "ansteckenden Euphorie", die auch die AZ spürte, ist ein halbes Jahr später wenig geblieben in München-Giesing, der Heimat des deutschen Meisters von 1966. Das hat nicht mal mit dem unbefriedigenden Tabellenplatz sechs des Aufstiegskandidaten zu tun. Sondern auch mit Ismaik, dem ersten arabischen Investor im deutschen Fußball, dessen Absichten inzwischen ebenso mysteriös erscheinen wie er selbst: Ismaik war seit Mai nicht mehr in München - und der direkte Kontakt zu ihm gestaltet sich schwierig.

Das Letzte, was die Sechziger von ihm erfuhren, war seine Forderung, den soeben zum Chefcoach beförderten U21-Trainer Alexander Schmidt durch den früheren englischen Nationalcoach Sven-Göran Eriksson zu ersetzen - und, als dies misslang, Geschäftsführer Schäfer zu feuern.

Zumindest die Episode mit Eriksson ließ sich nicht ganz verbergen. Er war ja zuletzt dreimal bei 1860-Spielen, ohne dass der Klub zunächst davon wusste. Nach und nach stellte sich heraus, dass Ismaik den Schweden installieren wollte. Der Verein lehnte ab, weil ihn die Finanzierung überfordert hätte. Ismaik unternahm einen letzten Vorstoß: Er entsandte einen Bruder und einen Cousin, die der Klubspitze eindringlich Eriksson empfahlen und zugleich die Verpflichtung afrikanischer Profis avisierten. Das alles geschah nach SZ-Informationen in der Halbzeit gegen Paderborn (1:0) - als Schmidt sein Heimdebüt gab. Ein im deutschen Fußball einmaliger Vorgang unlauterer Einflussnahme durch Geldgeber, die die 50+1-Regel der DFL verhindern soll. Diese schreibt vor, dass die Klubs die Entscheidungshoheit behalten. "Ich würde mich aber auch nicht unter Druck setzen lassen", betont Schäfer.

Die geschlossen wie selten auftretenden Vertreter von 1860 lehnten höflich ab mit dem Hinweis, erst müsse sich Ismaik vertraglich und zu annehmbaren Darlehens-Konditionen zu einem offensiveren "Strategiewechsel" bekennen. Hasan Ismaiks Verwandte eilten noch vor Spielende bedient aus der Arena. Sie flogen nach Abu Dhabi. Zum Rapport bei Ismaik.

Gut drei Wochen ist das her. Wie es weitergeht, wissen die Löwen nicht wirklich. "Beunruhigt bin ich noch nicht, dass wir zu Herrn Ismaik keinen Kontakt haben", versichert Präsident Dieter Schneider, dessen Rücktritt die Investorenseite schon mal gefordert hatte wegen dessen Verhandlungsstil im Sinne des Klubs. "Wir haben ja noch einen Zeitrahmen, in dem wir sprechen können." Doch der wird kleiner, die Zeit drängt: Bis zum 15. März muss 1860 bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) die Lizenzunterlagen für nächste Saison einreichen. Rund 5,5 Millionen Euro als neue Darlehen von Ismaik waren dafür eingeplant, davon zwei Millionen, um Banken zu bedienen.

Es ist davon auszugehen, dass Ismaik die Löwen schon bald mit neuerlichen Vorstößen unter Druck setzt: Zahlung gegen Zugeständnis. Oder er gibt sein Engagement sogar auf. Nach SZ-Informationen hat Ismaik erst kürzlich versucht, seine 49 Prozent der Aktien mit Stimmrecht (und elf Prozent ohne) an der 1860 GmbH & Co. KGaA in Nahost zu verkaufen. Hat er den Spaß verloren an seinem deutschen Spielzeug? Oder braucht er das Geld zurück? Jene 18,4 Millionen Euro, die er Ende Mai 2011 überwies als Kaufsumme für die Anteile (13 Millionen) und als Bürgschaft bei der DFL (5,4 Millionen).

Der Verein macht sich jedenfalls keine Illusionen, dass Ismaik seine Anteile für immer behalten möchte. Aufsichtsratschef Otto Steiner sagt: "Es kann gut sein, dass Ismaik mit einem namhaftem Trainer schnell aufsteigen möchte, um seine Anteile gewinnbringend zu verkaufen."

Ismaik nur schwer zu erreichen

Leider kann man Ismaik zu allem nicht befragen. Seine sehr herzliche Vorzimmerdame Elena stellte mehrfach den Kontakt in Aussicht. Aber dazu kam es nicht. Und so geht die Suche weiter nach Details zum geheimnisvollen Geschäftsmann Hasan A. Moh'd Ismaik, der sein Firmenkonglomerat HAMG nennt und dessen Adresse eine Post-Box in Abu Dhabi ist.

Durch Öl- und Immobiliengeschäfte sei er zu Geld gekommen, hatte Ismaik im April 2011 der SZ erklärt und ergänzt: "Diese Investition (in 1860) ist, zugegeben, nicht enorm groß für mich." Er wolle mehr "in Deutschland investieren", "1860 nach oben bringen" und "global vermarkten". Global vermarkten. 1860. Das klang gut.

Doch nun hat Ismaik nach SZ-Informationen im Zuge des Machtkampfs um Eriksson den Dreijahresplan auf Eis gelegt. Jene Abmachung über ein Investment von etwa fünf Millionen Euro pro Jahr bis 2015, die er im Mai 2012 öffentlich als von ihm "bedingungslos akzeptiert" bezeichnet hatte. Nur: Schriftlich fixiert hatten seine Statthalter und die KGaA-Geschäftsführung diese Zusage nicht. Es galt sein Wort.

Doch was zählt das Wort eines Mannes, der trotz Ankündigungen nicht mehr in München erscheint, wo er sich sogar mal eine Wohnung kaufen wollte? Unklar sind auch Ismaiks Vermögensverhältnisse. Er mag vermögend sein, aber doch nicht so reich, wie es den Anschein hatte, diese Möglichkeit stellen mehrere Gesprächspartner vorsichtig in den Raum. Dient er bei dem Deal mit den Löwen gar nur als Strohmann, etwa für einen Fond? An der Vermarktungsfirma H.I. Squared, deren Briefkasten in der 1860-Geschäftsstelle hängt, ist neben Ismaik und dessen bisherigem Münchner Vertrauten Hamada Iraki auch Mohamed A. Badawy Al-Husseiny beteiligt, mit zehn Prozent. Einlage: 2500 Euro. Al-Husseiny ist CEO des milliardenschweren Staatsfonds aabar in Abu Dhabi.

Zumindest gut vernetzt ist Ismaik demnach. Bei seinen fünf Stippvisiten schwebte er offenbar auch mit geborgten Privatjets ein. Einer trug die Kennung "VP-CSH" und war registriert auf eine Fremdfirma mit Sitz im Steuerparadies Cayman-Islands. Ismaik, das hat er zu Beginn erzählt, habe früher Geld der Herrscherfamilie Dubais verwaltet. Nun steht er wohl den Regenten in Abu Dhabi nahe. Seit September ist Ismaik "Managing Director" der Arabtec Holding, eines Baukonzerns mit Milliardenbilanz. Dessen Board besteht aus neun Vorständen, acht sind auf der Homepage mit Vita versehen. Ismaik nicht.

Es gab auch mal eine andere Version, wie Ismaik sein Geld vermehrt haben könnte: Vergangenes Jahr berichteten arabische Medien, Ismaiks Vermögen sei auf Anweisung der Geldwäscheabteilung der jordanischen Zentralbank beschlagnahmt worden. Man gehe davon aus, dass Ismaik Investments in Höhe von 100 Millionen Dollar vertuscht habe, schrieb nicht nur Jordan Zad. Es wurden Transaktionen veröffentlicht, die angeblich beanstandet wurden. Zudem wurde berichtet, gegen Ismaik sei in früheren Jahren Haftbefehl erlassen und Auslieferung beantragt worden wegen angeblich falscher Angaben zur Identität, ungedeckter Schecks und Urkundenfälschung. Im März 2012 erklärte die Justiz in Amman jedoch ihren Verzicht auf eine Anklage. Und der in Jordanien hoch angesehene Zentralbankchef Faris Sharaf, der auf Aufklärung der Geldwäsche-Vorwürfe drängte, wurde entlassen.

Klubchef Schneider hat von den früheren Vorwürfen gegen Ismaik gehört. "Die Gelder von ihm sind aber alle auf offiziellem Weg über Schweizer Banken zu uns gelangt", sagt er. Manager Schäfer ergänzt: "Wir haben intern natürlich darüber gesprochen. Er hat uns gegenüber versichert, dass an diesen Vorwürfen nichts dran ist."

Am Sonntag, beim 1:1 gegen Dresden, wurde Ismaiks Cousin mal wieder auf der Ehrentribüne gesichtet; "Wir stehen mit Noor in Kontakt", sagt Schäfer, inhaltliche Dinge würde man aber direkt mit Ismaik bereden. Er werde sich melden, sagte der Cousin den Funktionären. Bisher hat der Investor über Gewährsmann Iraki, 40, Einfluss genommen. Doch der Banker, der den Mann aus Tausendundeiner Nacht 2011 als Retter akquirierte und selbst eine erhebliche Summe investiert haben soll, zog sich jüngst als Aufsichtsrat und Beirat bei der 1860-KGaA zurück; aus beruflichen Gründen, erklärte er. Iraki telefoniert oft mit Ismaik, aber zu 1860 Stellung nehmen will er nicht mehr: "Ich bin da raus."

Und so entwerfen die Löwen einen Plan B - sie machen ihre Hausaufgaben. "Aufgrund unserer konservativen Planungen sind wir auf alle Eventualitäten eingestellt", bestätigt Schäfer. Diese Saison ist abgesichert, trotz Schulden von etwa neun Millionen Euro: Darlehen und Bürgschaft von Ismaik. Ein paar Überschüsse und die bald erhöhten TV-Gelder gäben im Sommer etwas Luft - und im Pokal-Achtelfinale an diesem Mittwoch in Bochum stehen wichtige 600 000 Euro auf dem Spiel, die der Unabhängigkeit dienen könnten. Doch Voraussetzung, um vielleicht ein, zwei Jahre mit neuem Sparprogramm überleben zu können, wären Spielerverkäufe im Winter. Wie den des Argentiniers Ismael Blanco, der mit Gehalt und Handgeld 800 000 Euro kostete, oder des Kroaten Marin Tomasov, der in einer Gehaltsklasse mit Topverdiener Benjamin Lauth rangiert - im Gegensatz zum Kapitän aber enttäuscht.

Sportchef Florian Hinterberger und Geschäftsführer Schäfer hatten sich bei derlei Investitionen, für die 1860 erneut Darlehen bei Ismaik aufzunehmen hatte, auf dessen Zusagen verlassen. Sie gingen davon aus, dass der große Gönner im "Raffaele" wirklich Spaß gemacht hatte, als er heiter sprach: "Die Sache mit dem Dreijahresplan und unserem Ziel aufzusteigen, war ein Scherz: Ich hab' gar kein Geld!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: