TSV 1860 München:Nicht alle Tassen im Schrank

TSV 1860 München - Energie Cottbus

Neues Eskalationsstufe erreicht: Schmidt (links) und Monatzeder beim Heimspiel am Wochenende gegen Cottbus.

(Foto: dpa)

Paradoxon Sechzig: Investor Ismaik poltert, Trainer Schmidt und Präsident Monatzeder schimpfen über den Geldgeber: Beim TSV 1860 München tragen derzeit alle dazu bei, dass die Lage bald eskalieren könnte. Und wohl auch wird.

Ein Kommentar von Gerald Kleffmann

Jeder Mensch mit gesundem Verstand muss zur Entwicklung beim Zweitligisten 1860 München sagen: Die haben nicht alle Tassen im Schrank! Potentielle Sponsoren? Müssen sich abgeschreckt fühlen. Fans? Müssen sich verschaukelt fühlen. Journalisten? Müssen den Glauben an jegliche Glaubwürdigkeit verloren haben. Es ist schlicht nicht mehr zu vermitteln, dass an der Personalkonstellation in diesem Klub noch etwas gut sein soll. Und dass Hoffnung bestünde, es könnte noch zwischen den Gesellschaftern konstruktiven Austausch geben.

Man rufe sich in Erinnerung, was sich in den vergangenen Wochen abgespielt hat. Da stürzt der Aufsichtsrat, zum Teil mitverantwortlich für manche schuldenreiche Entwicklung im Klub, den verdienten Präsidenten. Diskreditiert ihn. Stellt aus den eigenen Reihen den Nachfolger. Verspricht, alles besser zu machen - und 20 (!) Tage (!!) später stehen die Gesellschafter 1860 und Investor Hasan Ismaik vor der ultimativen Zerreißprobe.

Alle, das ist das Erschreckende, tragen dazu bei, dass die Lage bald eskalieren könnte. Ismaik gibt dieses Bild ab: Interessiert sich kaum für seinen Klub, in den er fast 30 Millionen Euro gepumpt hat. Wenn er mal einschwebt, fordert er Strategiewechsel und Köpfe, droht direkt oder indirekt mit Geldentzug, walzt mit Wünschen alles nieder. Dann ist er weg. Die Löwen geben gerade jenes Bild ab: Werter Investor, der du uns gerettet hast, gib uns sofort, bis zu diesem Dienstag, 13 Millionen oder mehr, dann bekommst du den Strategiewechsel, ansonsten machen wir keinen Finger krumm, aber vorher müssen wir sagen, dass uns deine respektlose Art, hier reinzuschneien und maßlos rumzupoltern, tierisch auf den Keks geht. Und jetzt, bitte, darfst du überweisen!

Glaubt noch jemand ernsthaft, diese erste Partnerschaft zwischen einem deutschen Profiklub und einem arabischen Investor könnte überhaupt einmal, geschweige denn dauerhaft funktionieren?

Allein die jetzige Ausgangslage ist ein gelebtes Paradoxon: Wollen Geschäftsführer Robert Schäfer, Sportchef Florian Hinterberger, Trainer Alexander Schmidt im Amt bleiben, müssen sie hoffen, dass Ismaik NICHT überweist. Nur dann bliebe alles wie bisher. Ergo: Nur dann würden sie ihre Jobs retten. Das könnte auch die plötzlichen Attacken Richtung Abu Dhabi erklären.

Das Problem nur: Ohne externe jährliche Geldzufuhr ist der Klub, als Zweitligist, vielleicht zwei Jahre überlebensfähig, nicht viel länger. Springt Ismaik aber wider Erwarten über seinen Herrscherschatten und überweist, wäre das wohl das Ende des Wirkens von Schäfer, Schmidt & Co. Sie müssten sich öffentlich freuen, dass 1860 neue Millionen für die Zukunftsplanung zur Verfügung hat - und sich dann selbst entsorgen.

Ein großes Fragezeichen muss man auch hinter das Verhalten von Neu-Präsident Monatzeder setzen, der doch "den Investor in unser Team integrieren" wollte und nun kundtat (nachdem Ismaik abgereist war): "Dass Herr Ismaik ein bisschen viel redet, ist sein Thema." Diplomatie sieht sicher anders aus. Oder geht es auch hier um eine zweite Ebene? Will man den impulsiven vermögenden Querulanten vergraulen? Vielleicht reichen ja schon die nächsten 20 Tage, um eine Antwort darauf zu erhalten.

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