Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Neue Zeitrechnung bei 1860

Der Gehaltsverzicht bei 1860 München verbessert die Verhandlungsposition des Klubs gegenüber Banken und dem Arena-Vermieter FC Bayern. Aus der Angelegenheit darf jedoch keine Neid-Debatte werden.

Gerald Kleffmann

Das ist zunächst eine gute Nachricht: Der von 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer durchgedrückte Gehaltsverzicht verbessert die Verhandlungsposition des finanziell klammen Klubs bei Bittgesuchen, etwa beim Arena-Vermieter FC Bayern oder bei Banken. Er ist aber auch ein schlechtes Zeichen: Er kommt einem Offenbarungseid gleich.

Die Führung um Präsident Rainer Beeck hat wohl aus gutem Grund diesen Schritt bei der Delegiertenversammlung verheimlicht. Die Bekanntgabe der Gehaltskürzungen hätte die Kompetenz der Gremienmitglieder, die sie selbst hoch einschätzen (Beeck: "Ich glaube, dass wir noch nie so produktiv die Zielaufgaben gelöst haben"), nicht unterstrichen.

Natürlich ist die Gesamtaufgabe - die Rettung der Löwen - schwierig, aufgrund der Arena-Konstellation nahezu unlösbar. Der Groll vieler 1860-Mitarbeiter ist dennoch groß, sie haben in den vergangenen Jahren miterlebt, wie Sechzig zig Euros verschwendet und Managementfehler in Serie begangen hat. Hatte Beeck nicht gerade betont, im Sanierungsprozess sei auch "Phantasie" notwendig? 300 Euro weniger sind für einen einfachen Angestellten nicht geistreich, sondern ein konkreter Verlust, der verglichen mit anderen Zahlen noch schmerzhafter erscheint.

3,5 Millionen Euro ist der jetzige Kader teurer als der von 2007. Dieser Fakt steht dafür, dass mitnichten nur Wildmoser, Arena und Bayern die Krise befeuerten - auch wenn diese Faktoren ihre Rolle gespielt haben. Bedenkt man, dass 1860 inzwischen noch mehr Talente im Kader hat, die eher weniger verdienen, drängt sich die Frage auf: Was verdienen dann jene am anderen Ende der Gehaltsliste?

Angesichts der Notlage darf aus der Antwort freilich keine Neiddebatte werden, dafür aber muss es bei 1860 zu einer harten Auseinandersetzung darüber kommen, wer diese offensichtlichen Schieflagen zu verantworten hat und wie diese korrigiert werden können.

Es darf auch nicht mehr passieren, dass wie im Sommer am letzten Transfertag ein Profi (Juan Barros) verpflichtet wird, obwohl welche gehen sollten. Warum Präsidium und Aufsichtsrat den selbstzerstörerischen Kurs des früheren Geschäftsführers Manfred Stoffers gegen den FCB nie korrigiert haben und immer noch Stoffers verteidigen, ist auch so ein Rätsel. Viel zu lange wurde bei 1860 Kontrolle - vor allem Finanzkontrolle - halbherzig betrieben. Bezeichnend der Satz eines Mitarbeiters: "Der Gehaltsverzicht hätte vor einem Jahr passieren müssen."

Nun beginnt eine neue Zeitrechnung, eingeleitet von Schäfer und dem neuen Vizepräsidenten Dieter Schneider, einem erfahrenen Sanierer. Beeck war der Richtige für den Beruhigungsprozess nach vereinspolitischen Chaosjahren. Es sieht aus, als wüssten immerhin die Neuen, was endlich zur finanziellen Rettung des Klubs zu tun ist. Auch wenn es für einige schmerzhaft werden wird.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2010/ebc
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