TSV 1860 München:Kleine oder große Löwen?

TSV 1860 München: Frust bei den Spielern des TSV 1860 München nach der knappen Niederlage gegen Osnabrück.

Frust bei den Spielern des TSV 1860 München nach der knappen Niederlage gegen Osnabrück.

(Foto: Sven Leifer/foto2press/Imago)

Nach dem 2:3 gegen Osnabrück müssen sich die Münchner die Frage gefallen lassen, warum es in dieser Saison wieder nicht für den Aufstieg reichen wird - Trainer Köllner lässt seine Zukunft offen.

Von Gerhard Fischer

Wer nach dem Schlusspfiff auf den Rasen des Grünwalder Stadions blickte, sah ein Wimmelbild mit vielen Menschen, mit glücklichen und enttäuschten. Zum Beispiel den Löwen-Kapitän Quirin Moll, der die Binde vom ausgewechselten Stefan Lex übernommen hatte. Moll bedankte sich pflichtschuldig beim Schiedsrichter und sank später geknickt zu Boden. Oder Rolf Meyer, den allseits geschätzten Torwarttrainer des VfL Osnabrück. Meyer umarmte seine Spieler und lächelte dabei so glücklich, dass sein ergrauter Schnurrbart maximal in die Breite gezogen wurde. Dann winkte er den 2000 Osnabrücker Fans zu, die an diesem Ostersamstag aus dem fernen Niedersachsen nach München gefahren waren.

In der Tabelle sind 1860 München und der VfL Osnabrück Nachbarn. Aber nach dem 3:2-Sieg der Gäste haben die einen nun Rückenwind im Aufstiegsrennen - und die anderen eigentlich keine Chance mehr, ihren Traum von der zweiten Liga zu verwirklichen. Der Rückstand der Löwen auf Relegationsplatz drei beträgt nun, vier Spiele vor Schluss, neun Punkte. Wie wahrscheinlich ist es, dass 1860 noch einmal herankommt? Es ist wahrscheinlicher, dass ein Dackel einen Windhund in einem 100-Meter-Rennen schlägt. Oder? "So lange rechnerisch noch etwas möglich ist, werden wir die weiße Fahne nicht hissen", sagte Günther Gorenzel, Geschäftsführer der Löwen, bei Magentasport. Man kann das bei vorteilhafter Auslegung als kämpferisch bezeichnen.

Der Frage, ob er seinen bis 2023 laufenden Vertrag erfüllen werde, weicht Trainer Köllner aus

Dennoch mussten sich die Löwen von wirklichkeitsnahen Menschen die Frage gefallen lassen, warum es in dieser Saison wieder nicht reichen wird. Trainer Michael Köllner, der das Spiel wegen einer Gelbsperre von der Tribüne aus verfolgt hatte, wollte bei der Pressekonferenz noch keine Saisonanalyse anstellen. Er sagte bloß, dass seine Mannschaft "der schlechten Vorrunde immer noch hinterher laufe". Der Frage, ob er, Köllner, seinen bis 2023 laufenden Vertrag erfüllen werde, wich der Trainer aus. Nach der Saison werde über "alle Themen" gesprochen.

Köllner ist seit November 2019 bei den Löwen. Er festigte das Team nach dem Weggang des ausgebrannten Dampfmachers Daniel Bierofka und führte es in der vorigen Saison auf Platz vier. Köllner gilt als umgänglich und kompetent, und ein Drittligist darf sich eigentlich glücklich schätzen, einen Trainer wie ihn zu haben. Dennoch stellt sich die Frage, ob es ein Erfolg ist, die Löwen (nur?) im Vorderfeld dieser Liga zu etablieren. Ob man nicht mehr verlangen darf, vom Trainer und von den Spielern. Köllner sprach in dieser Saison vor Spitzenspielen oft davon, seine Mannschaft sei Außenseiter, manchmal sogar "krasser Außenseiter". Vielleicht redete er intern anders, aber draußen kam das Bild der kleinen Löwen an, die sich eh bloß in den Kreis der Großen verirrt haben, und tatsächlich hat 1860 in elf Duellen mit den Top-7-Teams nur einmal gewonnen. Köllner, der begabte Förderer, hätte öffentlich von seinen Spielern mehr fordern können - weil Druck auch stark machen kann, und Optimismus sowieso.

Oder hat der Trainer vielleicht doch das Beste aus den Mannschaften heraus geholt, die ihm seit 2019 zur Verfügung gestellt wurden?

Dass das Team eine schlechte Hinrunde spielte, lag auch an den Querelen um den Egozentriker Mölders

Dass sein Team diesmal eine schlechte Hinrunde spielte, lag auch an den Querelen um den Egozentriker Sascha Mölders, der im Dezember schließlich abgegeben wurde. Es wurde kein Ersatz geholt, was den Geschäftsführer Sport in die Verantwortung nimmt. Gorenzel sagte jedoch, er habe zu wenig Geld zur Verfügung gehabt. Wie dem auch sei, die Löwen bewegen sich im Frühjahr 2022 zu Recht in der Region zwischen Platz vier und sieben. Wenn sie denn aufsteigen würden, wer hätte denn stabiles Zweitliga-Format? Der reaktionsschnelle Torwart Marco Hiller, der erfahrene Lex, der torgefährliche Marcel Bär, der kampfeslustige Yannick Deichmann, der beschlagene Richard Neudecker? Wobei Neudecker in den wichtigen Spielen, wie gegen Osnabrück, phasenweise mit Tarnkappe kickt.

1860 hat gegen die knorrigen Osnabrücker ein passables Spiel gezeigt. Beim 0:1 stand Torschütze Marc Heider im Abseits (24.), was Gorenzel eingedenk anderer fragwürdiger Schiedsrichter-Beschlüsse in der Vergangenheit (und einer Statistik des Portals liga3-online) zu der Aussage veranlasste, 1860 führe "die Tabelle der Fehlentscheidungen an". Er verschwieg freilich, dass Sechzig auch häufig von Fehlentscheidungen profitiert hat. Beim zweiten Gegentor patzten Moll, der einen Fehlpass fabrizierte, und Fabian Greilinger, der dem rasenden Aaron Opoku nicht folgen konnte (35.).

Die Löwen kämpften, was die Zuschauer goutierten, und sie kamen zurück, als Erik Tallig noch vor der Pause mit einem Flachschuss traf (41.); und als Bär zum 2:2 ausglich, nachdem er Maurice Trapp lässig ins Leere laufen ließ (59.). Weil Lukas Kunze das 3:2 für die Gäste erzielte (79.) und Braunschweig gegen Würzburg gewann, wurde der Abstand nach oben aber zu groß. Oder? "Ich weiß jetzt gar nicht, wie viele Punkte Braunschweig weg ist", sagte Torwart Hiller, als er das Wimmelbild verlassen hatte.

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