Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Der Zaunkönig zaudert

Die Löwen schaffen mit der Qualifikation für den DFB-Pokal einen versöhnlichen Saisonabschluss. Doch Trainer Köllner lässt offen, ob er bleibt. Es geht ihm nicht nur um die Höhe des künftigen Etats, sondern auch darum, wofür das Geld ausgegeben wird.

Von Christoph Leischwitz

Von Spielern kennt man es ja zur Genüge, aber bei einem Trainer ist das schon noch einmal etwas anderes, der Aufstieg auf einen Zaun am Fanblock. Und würde Michael Köllner sich in so eine Verletzungsgefahr begeben, mit den Fans feiern und ihnen per Megafon Dinge zurufen, die Anhänger gerne hören wollen, wenn er beim TSV 1860 München überhaupt keine Zukunft mehr sähe?

Viele Fragen waren schon geklärt nach dem 6:3 (2:2) gegen Borussia Dortmund II, dem torreichsten Löwen-Spiel der Saison, und in den Minuten nach dem Saisonabpfiff fühlte sich der vierte Platz, also der Nichtaufstieg, überhaupt nicht schlimm an, im Gegenteil. "Wir wollten Giesinger Pokalnächte schaffen", sagte Köllner mit Blick auf die Qualifikation zum DFB-Pokal. Zur Halbzeit, als es 2:2 stand, hatten die Löwen diesen Trostpreis kurzzeitig an Waldhof Mannheim verloren. Eine andere wichtige Frage war bereits nach 21 Minuten geklärt, jene, ob Marcel Bär alleiniger Torschützenkönig werden würde. Und wie: Mit einem Volley-Heber traf er zum zwischenzeitlichen 2:0 und wurde ausgiebig für seinen 20. Saisontreffer gefeiert. Er legte auch noch drei Assists und einen weiteren Treffer (zum 4:2, 59.) obendrauf und wurde Sekunden vor Schluss mit tosendem Applaus verabschiedet. "Das war eine Marcel-Bär-Show", schwärmte der Trainer. Wie kein anderer Spieler steht Bär damit für die so erfolgreiche Rückrunde, in der die Sechziger elf Punkte mehr holten und elf Tore mehr schossen als in der Hinrunde. Bär erzielte in dieser Zeit 15 seiner am Ende 21.

Es wurde ein feuchtfröhlicher Samstag. Aber: Alle Fragen waren immer noch nicht beantwortet.

"Nächstes Jahr müssen wir schauen, dass wir, hm ja, wenn ich hierbleibe, dann aufsteigen", sagt Köllner

Als Köllner vom Zaun heruntergeklettert war, drehte er minutenlang eine leere Bierflasche in den Händen und redete offen wie selten. "Nächstes Jahr müssen wir schauen, dass wir, hm ja, wenn ich hierbleibe, dann aufsteigen", sagte er - und das, obwohl es kommende Saison geschätzte acht Aufstiegskandidaten geben werde. Aber warum er nicht einfach sage, dass er bleibt? "Nee!", rief Köllner trotz Vertrag, das gehe jetzt noch nicht. Er habe dem Verein "eine klare Vorstellung gegeben", wie man sich aufstellen wolle, und betonte dabei mehrmals, dass diese Vorstellung nicht mehr Geld benötigt als zuvor: "Ich will den Verein ja nicht aussaugen!"

Andererseits analysierte Köllner auch, Sechzig habe "in dieser Saison mit einem zu dünnen Kader gespielt" - was dann ja doch mit Geld zu tun hat. Präsident Robert Reisinger wünschte sich tags darauf auf SZ-Nachfrage Klarheit von Köllner. "Wir kommen wieder ungefähr auf den Etat von dieser Saison, und er wird damit sogar besser, als er es bei der Vertragsunterschrift war", sagte Reisinger. "Daher gehe ich davon aus, dass der Trainer bleibt."

Köllner geht es aber offenkundig nicht nur darum, wie hoch der Etat ist, sondern auch darum, wie Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel das Geld ausgibt. Er hatte ja betont, es gebe noch keine offiziell bestätigten Verpflichtungen, er könne nicht "auf der Basis von irgendwelchen Vermutungen" vollendete Tatsachen schaffen. Zumal drei Leistungsträger - Richard Neudecker, Merveille Biankadi und Dennis Dressel - am Samstag noch nicht offiziell verabschiedet wurden. Bevor ihre Zukunft nicht feststeht, wird der Verein auch nicht bekanntgeben, ob kolportierte Kandidaten wie Tim Rieder, Albion Vrenezi oder Moritz Leitner tatsächlich zu Sechzig kommen werden. Köllner sagte dann aber auch noch, dass er den Eindruck habe, "dass Sechzig München nicht unbedingt ohne mich in die Saison gehen will".

"Wir hatten Spiele mit der halben A-Jugend auf der Bank", sagt Torschützenkönig Marcel Bär

Köllner bekam bei seiner Forderung nach einem breiteren Kader auch Unterstützung von Spielern, die bleiben werden. "Wir hatten Spiele mit der halben A-Jugend auf der Bank", sagte Marcel Bär. Wobei, nichts gegen die A-Jugend! Die machte den feiernden Profis am späten Samstagnachmittag auf dem Vereinsgelände mit einem 4:0 über den FC Memmingen dann noch vor, wie man aufsteigt, zurück in die Bundesliga.

"Das war ein schöner Abschluss. Ich werde immer auf schöne Momente zurückblicken", sagte Stephan Salger über sein letztes Spiel für Sechzig. Der scheidende Abwehrchef hatte gegen Dortmund noch ein paar letzte, wichtige Klärungsaktionen. Als Salger gefragt wurde, was der Trainer denn nach einer 2:0-Führung und dem anschließenden Ausgleich der Gäste in der Kabine gesagt habe, zeigte sich, wie offen es an diesem Tag zuging: "Ganz ehrlich, es war gefühlt mein letztes Profispiel, da kann er auch ein bisschen erzählen, was er will."

Es gab auch Tränen. Dem einen oder anderen Funktionär war anzusehen, dass gerade ziemlich viel Anspannung abfiel. Und das, obwohl der Aufstieg auch diesmal wieder nicht gelungen war. Trotzdem hatte der Tag etwas Versöhnliches. "Das Ding ist schwer. Auch schwer zu bekommen", sagte Bär grinsend über die Torjägerkanone in seinen Händen. Und prophezeite: "Dieser Verein wird in naher Zukunft in der zweiten Liga spielen." Manche Spieler muss man gar nicht ersetzen, es genügt, wenn bei ihnen das Selbstvertrauen wächst.

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