TSV 1860 München:Erinnerungen an den Herbst

TSV 1860 München: "Unnötige Ballverluste": Michael Köllner sprach die Probleme in Mannheim nur oberflächlich an.

"Unnötige Ballverluste": Michael Köllner sprach die Probleme in Mannheim nur oberflächlich an.

(Foto: Oliver Zimmermann/Foto2press/Imago)

Nach dem 1:3 in Mannheim schwindet der Rückhalt für 1860-Trainer Michael Köllner. Die Mannschaft bleibt auf Rang sechs - und sie stagniert in ihrer Leistung, auf niedrigem Niveau. 

Von Christoph Leischwitz

Nach dem Schlusspfiff stand Raphael Holzhauser neben Tim Rieder, also ein Mittelfeldspieler, der vor wenigen Tagen zum Drittligisten 1860 München gekommen war, neben einem, der seit dem Sommer für die Löwen spielt. Holzhauser zog sich das Trikot über den Mund, Rieder hielt sich eine Hand vor, man darf also davon ausgehen, dass sie sich klare Worte zu sagen hatten. Ihren Gesichtsausdrücken nach könnte der Dialog sich in etwa so angehört haben: "War das in den letzten Spielen immer so schlecht?", fragt Holzhauser. Rieder: "Ja." Vielleicht noch mit dem Zusatz: "Sonst hätten wir dich ja nicht holen müssen."

Nun war dem 29-jährigen Holzhauser bei seinem 1860-Debüt, drei Tage nach Beginn des Leihgeschäfts vom belgischen Erstligisten OH Leuven, durchaus anzusehen, dass er das Zeug hat, einer verunsicherten Mannschaft weiterzuhelfen. Doch trotz einiger guter Momente des Routiniers knüpften die Sechziger an ihre schlechten Leistungen vor der Winterpause an, sie verloren trotz Führung hochverdient 1:3 (1:1) beim SV Waldhof Mannheim. Die Mannschaft stagniert damit auf Rang sechs, und sie stagniert in ihrer Leistung, auf niedrigem Niveau.

Das erste Pflichtspiel des Jahres hinterließ den Eindruck, dass in den zwei Monaten Pause entgegen allen Bekundungen keinerlei spielerische Probleme angegangen wurden. Vieles erinnerte an die Partien im vergangenen Herbst: die Probleme im Spielaufbau, die viel zu kurzen Ballbesitzphasen, das geringe Tempo. Obendrein wirkte Abwehrchef Jesper Verlaat gegen seinen früheren Arbeitgeber unsicherer als sonst. "Das hat uns sicher auch nicht geholfen, weil wir im eigenen Ballbesitz keine Ruhe reingebracht haben", kritisierte Köllner. Dass Verlaat oft aber schlicht keine Anspielstation fand, sprach Köllner nicht an, so wie er alle Probleme nur oberflächlich ansprach ("unnötige Ballverluste").

Ein Banner von Fans thematisiert das Verhalten Köllners in den vergangenen Wochen

Während Holzhauser anschließend bei Magentasport erwähnte, dass die Mannschaft am Zaun bei ihren Fans neben Kritik auch Zuspruch erhalten habe, waren schon während der Partie recht deutliche "Köllner raus"-Rufe zu hören gewesen. Außerdem hatten in der 74. Minute einige Anhänger - mehr als 3000 waren mit in die Kurpfalz gereist - ein Banner hochgehalten, dass das Verhalten des Trainers in den vergangenen Wochen thematisierte: "Wildes Geschwurbel und Qatar relativieren - ,Fußballer spielen Fußball' und Trainer trainieren". Köllner hatte die WM in Katar besucht und dort, wie auch schon früher, die Meinung vertreten, dass Fußballer nicht in politische Fragen hineingezogen werden sollten; einige Fans scheinen ihm nun aber vorzuwerfen, seinem Kerngeschäft zuletzt auch nicht richtig nachgekommen zu sein. Am vergangenen Dienstag, ganz zum Ende des Trainingslagers in der Türkei, hatte Köllner mit Gestänkere auf sich aufmerksam gemacht, als er sich öffentlich darüber beschwerte, wie lange der Holzhauser-Transfer auf sich warten lasse.

Von Präsident Robert Reisinger, der am Sonntag seinen 59. Geburtstag feierte, war am Sonntag ebenso wenig zu hören wie vom Rest der Vereinsspitze. Eine Beurlaubung des Trainers scheint zumindest nicht unmittelbar bevorzustehen, auch wenn sein Rückhalt zu schwinden scheint. Nach der Leihe von Raphael Holzhauser müsste mehr denn je zunächst geklärt werden, wie der Verein die Verpflichtung eines neuen Trainers überhaupt finanzieren könnte.

Ganz kurz wirkte es in Mannheim, als ob Köllner den Spielern ein paar gute Vorsätze mitgegeben hätte fürs neue Jahr. In den Anfangsminuten waren sie physisch präsent, zeigten Zweikampfwillen und waren unbeeindruckt von der Atmosphäre mit über 17 000 Zuschauern. Glück hatten sie auch. Nach sieben Minuten erreichte eine eigentlich viel zu hohe Flanke von Rieder den Mannheimer Strafraum, wo Phillipp Steinhart erstaunlich frei zum Kopfball kam - und die erste Gelegenheit der Partie nutzte. Sein Gegenspieler Adrien Lebeau hatte sich in dieser Situation zwar recht dumm angestellt, entpuppte sich später aber als einer der besten Akteure auf dem Platz. Doch gerade gegen Lebeau setzte Holzhauser ein erstes Ausrufezeichen: Nach einer knappen Viertelstunde packte der Österreicher eine meisterhafte Grätsche aus, die Chef-Attitüde ausstrahlte. Später wurde der ehemalige Augsburger aber auch innerhalb weniger Sekunden zweimal getunnelt.

Mannheim jedoch war oft drückend überlegen und erspielte sich bis zur Pause zahlreiche Chancen, auch wenn der Ausgleich durch Pascal Sohm nur wegen eines verunglückten Befreiungsschlags des Sechzig-Torhüters Marco Hiller fiel (39.). Später musste selbst Köllner anerkennen, dass das 1:1 zur Pause ein eher glücklicher Zwischenstand war. Nach einem klugen Gegenstoß traf erneut Sohm zum 2:1 (57.). Ein Aufbäumen Sechzigs blieb aus, auch mehrere Einwechslungen, wie etwa des früheren Mannheimers Joseph Boyamba, belebten das Offensivspiel kaum. Die endgültige Entscheidung fiel allerdings erst mit dem Schlusspfiff: Wie schon vor dem 2:1 verloren die Sechziger den Ball nach eigenem Einwurf, Dominik Kother traf zum 3:1 (90.+5).

Am kommenden Samstag empfangen die Löwen die abstiegsbedrohte Mannschaft vom FSV Zwickau. "Für mich geht's darum, die Mannschaft aufzubauen." Das sagte nicht etwa der Trainer am Samstag nach der Niederlage, sondern Zugang Holzhauser. Er dürfte schon jetzt realisiert haben, dass er sich ziemlich viel Arbeit aufgehalst hat.

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