TSV 1860 München:Löwen im Salat

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Einziger Torschütze des Tages: Marcel Bär (Mitte) erzielte den goldenen Treffer für den TSV 1860 München. (Foto: Wunderl/Beautiful Sports/imago)

Sechzig schafft mit einem dezimierten Kader und einer Willensleistung einen wichtigen 1:0-Auswärtssieg bei Viktoria Köln.

Von Markus Schäflein

Auf neun Spieler musste der TSV 1860 München bei seinem Ausflug zum Drittliga-Fußballspiel bei Viktoria Köln verzichten. Wegen des Corona-Ausbruchs standen die Stammkräfte Stephan Salger (der am Spieltag seinen 32. Geburtstag in Quarantäne verbrachte), Stefan Lex und Yannick Deichmann nicht zur Verfügung, der gesetzte Regisseur Richard Neudecker fehlte gesperrt. Verletzt oder angeschlagen waren Fabian Greilinger, Daniel Wein, Nathan Wicht und Marius Willsch. Dazu meldete sich kurzfristig, Ausfall Nummer zehn, auch noch Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel krank. Auf der Bank saßen also neben dem Trainerteam ausschließlich Nachwuchsspieler mit wenig bis gar keiner Profierfahrung.

Wer das alles verblüffend fand, hatte aber noch nicht Kölns Trainer Olaf Janßen gehört. "Da muss ich ein bisschen schmunzeln. Bei uns fallen auch acht Spieler aus", sagte er vor dem Spiel bei Magentasport. "Diese Widerstände, die Sechzig jetzt hat, haben wir jede Woche." Nun ja, die prominenter besetzte Bank hatte Janßen schon. Am Ende ließ sich jedenfalls feststellen, dass die Münchner mit all den Widerständen besser umgingen: Sie gewannen ein unterdurchschnittliches Drittligaspiel, in dem es nur darum ging, es zu gewinnen, mit 1:0 (1:0).

1860-Trainer Michael Köllner war darob dermaßen gut gelaunt, dass er sich sogar an dem ebenso unterdurchschnittlichen Witz erfreute, es sei schön, als Köllner in Köln zu gewinnen. "Wir haben alles gegeben, alles reingeworfen, alles gezeigt", jubilierte er angesichts der Kampfleistung, "wir haben uns schon bei der Kaderplanung Gedanken gemacht, dass wir genau solche Typen brauchen." Typen, die "mit einem großen Herz Fußball spielen, sich für ihre Mannschaft und ihren Verein zerreißen". So half etwa Flügelstürmer Merveille Biankadi für Deichmann als Rechtsverteidiger aus, Quirin Moll überzeugte in der Zentrale der Fünfer-Abwehrkette als Salger-Ersatz, im Sturm spielte Tim Linsbichler als Ersatz für Lex erstmals über die volle Spielzeit. Der schlaksige junge Österreicher, von Alter und Gewicht her das Gegenteil einer Wampe von Giesing, sieht auf dem Platz ja immer aus wie ein Storch im Salat, aber er erzwang mit seinem Einsatz viele Ballgewinne durch gegnerische Fehlpässe oder Fouls.

Auch Köllners Stiefsohn Alexander Freitag kommt zu seinem Drittliga-Debüt

Linsbichler, 22, hatte selbst die erste Chance, die Löwen in Führung zu bringen, schoss aber vorbei (19.). Auf der anderen Seite zeichnete sich 1860-Torhüter Marco Hiller zum ersten und nicht zum letzten Mal an diesem Sonntagnachmittag aus, nach einem Solo des früheren Fürthers und Würzburgers Patrick Sontheimer (27.). Und dann war Linsbichler sogar ein winziges bisschen an der Löwen-Führung beteiligt. Er lief auf den 19-jährigen Kölner Ersatztorwart Elias Bördner zu, als der einen Rückpass empfing; Bördners Abschlag missglückte, und so konnte am Ende Neudecker-Ersatz Keanu Staude einen schönen bzw. "sensationellen" (Köllner) Steilpass auf Marcel Bär spielen, der zum 1:0 einschob (39.). Hiller musste dann noch zwei weitere Paraden aufbieten, um diese Führung in die Halbzeitpause zu bringen - gegen Seok-ju Hong (43.) und Simon Handle (45.).

Auch die zweite Hälfte begann mit einer Großchance der Kölner - ein Schuss von David Philipp ging am entfernten Pfosten vorbei (50.). Lange konnte die Mauertaktik der Löwen nicht mehr gutgehen? Doch, konnte sie, weil die Kölner in der Folge plötzlich keinerlei Zielstrebigkeit und keinerlei Ideen mehr aufwiesen. Sechzig verteidigte dem Ende entgegen, kam ab und an auch noch mal zu Entlastung, etwa durch eine Eckballserie in der Mitte der zweiten Spielhälfte oder durch einen Schuss von Semi Belkahia, an den sich Diskussionen um einen Handelfmeter anschlossen (71.). In der Schlussphase kamen der 17-jährige Abwehrspieler Leandro Morgalla (75.) und Köllners 22-jähriger Stiefsohn Alexander Freitag (90.+2) zu ihren Drittliga-Debüts, da verging auch noch mal ein bisschen Zeit, und dann war der wichtige vierte Sieg in Serie geschafft: Fünf Punkte beträgt der Rückstand der Löwen auf Aufstiegs-Relegationsplatz drei - bei zwei Nachholspielen, aus denen sie sechs Punkte holen können.

Kölns Trainer Janßen rechnete übrigens nach dem Spiel angesichts von Verletzungen und einer gelb-roten Karte gegen Niklas May kurz vor Schluss vor: "Jetzt sind wir bei 13 Ausfällen. Wir haben eigentlich gar keine Mannschaft mehr." Die gute Nachricht für die Münchner ist im Gegensatz dazu, dass die meisten ihrer fehlenden Spieler zügig zurückkehren werden.

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