TSV 1860 München:Kreuzer kommt zum kuriosen Zeitpunkt

Oliver Kreuzer

Ehemaliger Bayer im Dienste des Löwen: Der frühere Bundesligaprofi Oliver Kreuzer soll als Sportdirektor bei 1860 für bessere Zeiten sorgen.

(Foto: Marcus Brandt/dpa)
  • Elf Tage vor der wegweisenden Präsidentenwahl installiert der TSV 1860 München in Oliver Kreuzer einen neuen Sportdirektor.
  • Die Reihenfolge ist kurios, zumal der TSV erst vor kurzem Benno Möhlmann als neuen Trainer verpflichtet hat.
  • Hier geht es zur Tabelle der 2. Bundesliga.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Es ist ein bisschen ruhiger geworden um Oliver Kreuzer, nachdem er im Juli 2014 freigestellt wurde als Sportchef und Vorstands-Mitglied beim Bundesligisten Hamburger SV.

Allerdings nicht so ruhig, dass Kreuzer nicht noch vor seinem Amtsantritt als Sportdirektor beim Zweitligisten TSV 1860 München, bei dem er an diesem Donnerstag vorgestellt werden wird, ein Interview gegeben hätte, in dem er die Probleme bei seinem neuen Arbeitgeber treffend beschrieb: "In so eine Situation kommt man, wenn man ständig mehr ausgibt, als man einnimmt. Die letzten vier Jahre lag man bei Transfers daneben, dabei wurde viel Kapital vernichtet", sagte Kreuzer - und weiter: "Der sportliche Erfolg blieb aus und somit war vor einem Jahr der Punkt erreicht, dass man eine Vollbremsung hinlegen musste, um den Verein nicht an die Wand zu fahren. Dabei haben Verein und Stadt unheimliches Potenzial." Blöderweise meinte Kreuzer mit seiner Analyse den HSV, nicht 1860.

"Bestens vernetzter Fachmann für diese Position"

Und obwohl Sechzig nun in Kreuzer, 49, einen Sportchef gefunden zu haben glaubt, über den die Verantwortlichen in ihrer Pressemitteilung sagen dürfen, er sei ein "bestens vernetzter Fachmann für diese Position", ist dessen Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt durchaus erstaunlich. Allein schon, weil nicht klar war, dass sich die Geschäftsführer Noor Basha und Markus Rejek überhaupt seriös auf die Suche nach einem Nachfolger für den Bis-auf-Weiteres-Sportdirektor Necat Aygün begegeben hatten. Aygün, ein ehemaliger Scout, wird Kreuzer fortan assistieren.

Die 1860-Sportchefs

Oliver Kreuzer (November 2015 - ?)

Necat Aygün (Juli 2015 -November 2015)

Gerhard Poschner (April 2014 - Juli 2015)

Florian Hinterberger (Mai 2011 - März 2014)

Miroslav Stevic (Februar 2009 - Juni 2011)

Stefan Reuter (Januar 2006 - Februar 2009)

Roland Kneißl (Juli 2004 - Januar 2006)

Dirk Dufner (April 2000 - Juni 2004)

Zudem hatte der Verwaltungsrat von 1860 erst in der vergangenen Woche in Peter Cassalette einen Kandidaten für den Nur-bis-zur-nächsten-Mitgliederversammlung-Vereinspräsidenten Siegfried Schneider vorgestellt. Und Cassalette, der von den Mitgliedern auf der Versammlung am 15. November noch mit einfacher Mehrheit bestätigt werden muss, hatte auf die Frage recht ausweichend geantwortet, ob Sechzig so ein bestens vernetzter Fachmann als Sportchef nicht vielleicht doch ganz gut zu Gesicht stehen würde: Grundsätzlich sei das ein Thema, sagte Cassalette lediglich.

Kreuzer, ein gebürtiger Mannheimer, war beim HSV nach nur einjähriger Tätigkeit beurlaubt worden; nach angeblich vereinsschädigenden Aussagen erhielt er kurz darauf die fristlose Kündigung. Dagegen hatte Kreuzer geklagt, im April 2015 gab es eine außergerichtliche Einigung. Zuvor war er in Basel sowie in Österreich bei Red Bull Salzburg und Sturm Graz. Mit dem KSC schaffte er nach dem Absturz in die dritte Liga den sofortigen Wiederaufstieg und wurde vom HSV abgeworben.

Alles wegen Magath?

Dass nun bei 1860 elf Tage vor der wegweisenden Präsidentenwahl noch schnell ein neuer Sportdirektor installiert wird, ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass jene Stimmen nicht leiser werden, die fordern, der Klub solle endlich Felix Magath anstellen. Der ehemalige Meistertrainer hatte sein grundsätzliches Interesse an 1860 kürzlich erst wieder mit einem Auftritt im Bayerischen Fernsehen bekräftigt, bei dem er sich eine schöne blaue Krawatte um den Hals gebunden hatte.

Im Vereinsumfeld gab es zuletzt sogar Geraune, auf der Mitgliederversammlung wolle sich möglicherweise ein Magath-freundlicher Gegenkandidat zu Cassalette in Stellung bringen. Mit der Ernennung eines neuen Sportchefs ist diese Gefahr aus Sicht der klubinternen Magath-Opposition, zu der dem Vernehmen nach neben Investor Hasan Ismaik und seinem Vertreter Basha auch fast die gesamte Geschäftsstelle zählt, nun gebannt.

Auch für Trainer Möhlmann ist die Situation kurios

Kurios bleibt so oder so die Reihenfolge, in der die Löwen neues Personal einstellen: Erst verpflichten sie in Benno Möhlmann einen neuen Trainer, dann kommt ein neuer Sportchef, und dann erst wird der Präsident gewählt. Dabei erfordert auch die Verpflichtung eines neuen Sportdirektors die Zustimmung von mindestens zwei Vereinsvertretern - also eine des Übergangspräsidiums von Schneider und nicht etwa die von Cassalette.

Für Möhlmann wiederum ist die Situation auch kurios - sie wäre womöglich nur aufzulösen gewesen, hätte sich der TSV für Uwe Stöver, Möhlmanns langjährigen Sportchef beim FSV Frankfurt entschieden. Hat er aber nicht. Und nun steht Kreuzer vor dem Problem, dass Möhlmann bereits in der kurzen Zeit ohne ihn hierarchische Fakten geschaffen hat, als er verkündete: "Es wird kein Spieler geholt, den ich nicht will." Denn Spieler, die Möhlmann haben will, hätte die nicht auch Aygün verpflichten können?

Kreuzer also. Der 282-malige Bundesligaspieler, der pikanterweise 150 Partien für den Lokalrivalen FC Bayern bestritt, kehrt nach mehr als einem Jahr Pause auf die Fußballbühne zurück. Ziemlich bald dürfte er sich mit Möhlmann austauschen, der ja zwei bis drei neue Spieler im Winter fordert. Und was die kuriose Einstellungs-Chronologie angeht: Womöglich haben sie bei Sechzig schlicht Lehren aus der Vergangenheit ziehen wollen, als erst Präsident Gerhard Mayrhofer gewählt wurde, der Sportchef Gerhard Poschner holte, der Trainer Ricardo Moniz verpflichtete. Die richtige Reihenfolge hat bekanntlich auch nicht richtig funktioniert.

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