TSV 1860 München:Kneipenpublikum

TSV 1860 München: Enttäuscht und gelobt: Die eingewechselten Tim Linsbichler (links) und Keanu Staude (Mitte) nach dem Schlusspfiff mit Semi Belkahia.

Enttäuscht und gelobt: Die eingewechselten Tim Linsbichler (links) und Keanu Staude (Mitte) nach dem Schlusspfiff mit Semi Belkahia.

(Foto: Stefan Matzke/sampics)

Beim 0:1 gegen den Karlsruher SC entgeht dem TSV 1860 München nicht nur ein Fußballfest, sondern auch rund eine Million Euro. Die Frage ist aber nicht nur, ob das Budget einen Winterzugang überhaupt hergäbe - sondern auch, ob die Verantwortlichen auf Tim Linsbichler setzen.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Michael Köllner war mit der Leistung seiner Mannschaft nach eigenen Angaben vollauf zufrieden, aber eine große Grundgenervtheit brach sich zum Ende der Pressekonferenz nach dem Pokalaus gegen den Karlsruher SC (0:1) dann doch Bahn. Solche Partien gegen klassenhöhere Klubs sind für Fußball-Drittligisten ja normalerweise als solche schon ein Höhepunkt, unabhängig vom Resultat; davon konnte beim TSV 1860 München an dem kalten, stillen Dienstagabend in Giesing jedoch keine Rede sein. Während auf St. Pauli immerhin 2000 Menschen die Sensation gegen Dortmund feierten, stehen in Bayern weiter Geisterspiele auf dem Programm. "Schade" fand das Köllner, "weil das Erlebnis DFB-Pokal am Ende auch von Emotionen und vom Publikum lebt". Dieses Publikum, in den vorherigen, erfolgreichen Pokalrunden gegen Darmstadt und Schalke noch im Grünwalder Stadion anwesend, hatte sich in die umliegenden Sky-Kneipen verzogen.

Um wenigstens noch einen rauschenden Abend gebracht worden zu sein, war ein Gefühl, das angesichts des Ausscheidens bei den Löwen überwog. "Viele Entscheidungen, die in der Pandemie immer wieder getroffen werden, schmecken mir persönlich nicht, weil ich ja nicht 500 Jahre lang Trainer bin, sondern nur ein paar Jahre, und die Spieler sind auch nur ein paar Jahre Spieler", sagte Köllner - keine neue Meinung des 1860-Trainers, aber erstmals auf großer Bühne kundgetan. Für viele Profis der Löwen war es womöglich das einzige Achtelfinale ihrer Karriere - "und dann ist es ohne Zuschauer. Das kann dir am Ende in deinem ganzen Leben keiner mehr zurückgeben." Er hoffe, was in der Tat mehr Hoffnung als Konzept ist, "dass die Politik und Gesellschaft jetzt irgendwann mal Lösungen findet, dass wir mit dem Virus klarkommen und nicht immer alles wegsperren. Dass das Leben normal weitergeht, so wie das am Anfang, vor langer Zeit, mal versprochen worden ist - ohne dass man die Gesundheit und das Risiko zu hoch setzt". Das ist natürlich weit leichter gefordert als entschieden.

Trainer Köllner nimmt auch Keanu Staude ausdrücklich in sein Lob auf

Wenn das Spiel schon kein Fußballfest werden konnte, hatten die anwesenden Sechzig-Funktionäre wenigstens gehofft, auf eine knappe Million Euro als Prämie für den Viertelfinal-Einzug anstoßen zu können - auch hier blieb es bei der Hoffnung. Die Frage, ob ein Teil des Geldregens für den Spielerkader verwendet werden könnte oder Gesellschafter Hasan Ismaik dies ablehnen würde, stellte sich nun gar nicht mehr. Die Frage nach einem Winterzugang angesichts der Trennung von Sascha Mölders stellte sich aus sportlicher Sicht hingegen schon - als nämlich Marcel Bär wie auch Stefan Lex im Angriff müde wurden.

Der einzige weitere nominelle Mittelstürmer im Kader, der dann auch ins Spiel kam, ist Tim Linsbichler. Der 22-jährige Österreicher hat seine Drittligatauglichkeit bislang noch nicht nachweisen können, allerdings auch mangels Einsatzzeit. An der Entstehung der größten 1860-Chance gegen den KSC, die Erik Tallig vergab, war er immerhin beteiligt (76.). Die Frage ist aber nicht nur, ob das Budget einen Winterzugang überhaupt hergäbe - sondern auch, ob die Verantwortlichen auf Linsbichler als erste Alternative setzen und ihm eine entsprechende Entwicklung zutrauen.

Köllner nahm jedenfalls ausdrücklich die Eingewechselten in sein Lob auf, auch Keanu Staude, der am Samstag im Drittligaderby bei Türkgücü München den gelbgesperrten Richard Neudecker ersetzen dürfte. Staude habe nach seiner Einwechslung für Neudecker "das Spiel anders interpretiert als Richy und uns trotzdem immer wieder in gute Positionen gebracht, vor allem auch die Außenspieler". Sportlich wollte Köllner jedenfalls nicht meckern: "Wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht, und das werden wir auch mitnehmen für die nächsten Wochen." Das kann nicht schaden - schließlich wollen die Löwen ja noch in den Aufstiegskampf eingreifen. Und nach dem Auftritt im Olympiastadion bei Türkgücü steht am Dienstag schon das Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Kaiserslautern an. Womöglich dann wieder mit Publikum - und mit anderen Emotionen als Genervtheit.

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