Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Klimaschaden

Bei den Münchner Löwen steigt nach dem 1:1 in Verl die Unruhe. Im Zentrum der Debatten steht die Frage nach der Leistungsfähigkeit von Sascha Mölders.

Von Christoph Leischwitz

Das erste Tor des Spiels hatte das Zeug zum "Brustlöser", wie Trainer Michael Köllner es später nannte: Gut nachgesetzt, gut kombiniert, und dann traf Merveille Biankadi, zuletzt ohnehin einer der auffälligsten Spieler, auch noch per Hacke, mit dem Rücken zum Tor, durch die Beine des Keepers (22.). Das Problem war nur, dass dem Gastgeber SC Verl in der zweiten Hälfte dieser Drittliga-Partie am Samstag gegen 1860 München ein noch viel schöneres Tor gelang: Stefan Lex köpfelte am Fünfmeterraum einen Eckball aus der vermeintlichen Gefahrenzone, doch dann erweiterte Nico Ochojski diese eigenmächtig, indem er aus rund 40 Metern einfach draufhielt und ins Kreuzeck traf (66.). "Wir haben aktuell schwere Wochen", sagte nach Schlusspfiff der enttäuscht dreinblickende Löwen-Torschütze Biankadi bei Magentasport, "deshalb hätte uns ein Sieg gutgetan." Wobei das 1:1 im Stadion der Sportfreunde Lotte, wo Verl derzeit seine Partien austrägt, in Ordnung ging. Sechzigs Trainer Köllner fand sogar, sein Team habe nach dem Ausgleich "zwei-, dreimal Glück gehabt", etwa, als Tom Baack den Ball knapp neben den Pfosten setzte (69.).

Der "endgültige Brustlöser", quasi das ultimative Eukalyptus-Bonbon, wäre ein 2:0 gewesen, glaubte Köllner. Doch, Verzeihung: Der Drops wurde nicht gelutscht. Wieder kein Sieg, wieder keine Befreiung aus dem Tabellenkeller; weiter kein Anlass, durchzuatmen und Ruhe einkehren zu lassen.

Auf Trainer Köllner dürfte nun mehr Moderationsarbeit zukommen als je zuvor seit seinem Amtsantritt

Köllner war durchaus ein Wagnis eingegangen, hatte Sascha Mölders, Kapitän und Torgarant der vergangenen Saison, wegen Formschwäche zunächst auf die Bank gesetzt. "Sehr schwer" sei ihm diese Entscheidung gefallen, die das Gefüge der Mannschaft nachhaltig beeinträchtigen kann - denn natürlich war Mölders, das Sechzig-Alphatier der jüngeren Vergangenheit, über die Entscheidung nicht erfreut, "der Sascha schon gleich zweimal nicht", so formulierte Köllner es. Und die Frage nach Mölders' Leistungsfähigkeit wird wohl erst dann verstummen, wenn sich wieder Erfolg einstellt. Zumal das Duell in Verl ja nun auch keine Antwort darauf gab, ob die Mannschaft ohne Mölders in der Offensive gefährlicher ist. Marcel Bär stand für den Kapitän in der Startelf. Mölders wurde in der 78. Minute eingewechselt, wenige Sekunden später hatte er die Chance zur nächsten Führung - scheiterte allerdings daran, dass die Flanke auf seinen Kopf etwas zu hoch geraten war.

Auf Köllner dürfte nun viel Moderationsarbeit zukommen, mehr als je zuvor seit seinem Amtsantritt im November 2019. In der erfolgreichen Vorsaison hatte es kaum Störfeuer gegeben, jetzt ist das anders. Eine Ultra-Fangruppe schießt im Internet gegen den Verein, weil ihr die Gäste-Auswahl für ein Wiesn-Ersatzfest nicht passte. Und der einstige Sechzig-Angreifer Olaf Bodden sagte im BR-Fernsehen, dass "so eine Plauze" wie jene von Mölders im Profifußball "nicht viel zu suchen" habe. Ein Sieg nach nunmehr fünf sieglosen Partien, das wird Köllner klar sein, wird nicht nur für die Tabelle, sondern auch fürs Binnenklima immer wichtiger. Die nächste Gelegenheit bietet am Samstag das Heimspiel gegen Viktoria Berlin.

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