Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Ungewöhnlich harmonisch

Lesezeit: 3 min

Von David Fuhrmann und Markus Schäflein

Er nehme "den Verein schon sehr geschlossen" wahr, "auch, wenn es womöglich anders ist". Der neue Trainer Michael Köllner hat die Lage beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München hübsch eingeschätzt. Mit der Adventszeit scheint ja Ruhe an die Grünwalder Straße eingekehrt zu sein, die Aufsichtsratssitzung der zerstrittenen Gesellschafter am Mittwochabend ist offenbar ungewöhnlich harmonisch, geradezu konstruktiv verlaufen. Köllner, der als Gast geladen war, fühlte sich dort jedenfalls sehr wohl.

Auf die Frage, wie denn seine "Feuertaufe" im Aufsichtsrat verlaufen sei - Investor Hasan Ismaik hatte Köllners Vorgänger Daniel Bierofka ja verfußballgöttert - berichtete Köllner mit strahlenden Augen: "Für mich war es eine kurzweilige Veranstaltung, ich habe einen sehr interessierten Aufsichtsrat vorgefunden, von meiner Seite her war es ein tolles Kennenlernen."

Dass er ziemlich toll empfangen wurde, kam - Bierofka hin, Bierofka her - angesichts von vier Punkten und zwei überzeugenden Spielen zum Start nicht sonderlich überraschend. Als es in der Sitzung dann um die Frage ging, ob Ismaik Darlehen von rund fünf Millionen Euro in Genussscheine wandeln würde, um eine Strafzahlung an den Deutschen Fußball-Bund und mithin den Gang zum Insolvenzgericht zu vermeiden, war Gast Köllner natürlich nicht mehr anwesend. Aber, siehe da, es ging ganz toll weiter: Ohne Forderungen und ohne großes Taktieren sagten die Vertreter des Investors die Wandlung zu.

Geschäftsführer Gorenzel möchte "die gesamte Löwenfamilie in eine Richtung" lenken

Ja, es wirkt beinahe so, als bereite sich das sonst so uneinige Löwenrudel auf ein besinnliches Familienfest vor, das zahlreiche Geschenke verspricht. Einer dieser warmherzigen Geschenkeverteiler ist Ismaik, der zusammen mit anderen Sponsoren sowohl das Wintertrainingslager in La Manga finanzieren wird als auch die Betriebskosten für die Rasenheizung auf dem Trainingsplatz übernimmt. "Dafür einen expliziten Dank der Familie Ismaik, die ein weiteres Mal bereit ist, uns zu helfen", sagte der Sport-Geschäftsführer der Sechziger, Günther Gorenzel, auf der Pressekonferenz zur Partie gegen Großaspach (Samstag, 14 Uhr) glückselig. "Konkret ist es so, dass wir die Rasenheizung Anfang Januar in Betrieb nehmen werden."

Es ist nicht die Aussicht auf das Weihnachtsfest, die für die positiv gestimmten Herzen in Giesing sorgt, sondern die sportliche Tendenz. "In den letzten Wochen haben wir es gemeinsam geschafft, einen kleinen Trend einzuleiten", sagte Gorenzel. Aber, Vorsicht: "Alles, was spaltet, schadet dieser Entwicklung und den sportlichen Ergebnissen - ganz klares Statement von meiner Seite."

Heißt im Umkehrschluss: "Wenn wir es weiterhin schaffen, die gesamte Löwenfamilie in eine Richtung zu lenken, dann spielen wir eine tolle Saison." Nun wäre die Löwenfamilie nicht die Löwenfamilie, wenn man sie in eine Richtung lenken könnte. Trainer Köllner meinte zwar: "Wenn ich den Sport in Haching gesehen habe, waren da alle möglichen Leute auf dem Fußballplatz, die sich angeblich sonst nicht so gerne begegnen." Und von Präsident Robert Reisinger bis hin zu Investorenvertreter Anthony Power freuten sich in der Tat alle über den Derbysieg in Unterhaching. Aber Plakate der investorenkritischen Fans während der Partie hatten Ismaik dennoch in Wallung gebracht, was der Sport-Bild zu entnehmen war, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, irre Ismaik-Sprüche einzusammeln, bevor sie auf Facebook landen. Die Protestaktion zeige, dass jene Fans "schwach sind, unbeholfen und unfähig, etwas zu bewegen", wurde Ismaik zitiert: "Was sie können, ist beleidigen. Genau das zeigt ihr niedriges menschliches Niveau."

Niedriges Niveau ist am Samstag vermeintlich auch von der SG Sonnenhof Großaspach zu erwarten - der Drittliga-Drittletzte hat aus den vergangenen sieben Partien nur vier Punkte geholt. Betrachtet man die jüngsten Ergebnisse der Löwen, scheint die Begegnung gegen die Schwaben eine klare Angelegenheit zu werden, wenn da nicht eine unbekannte Variable wäre, die Großaspach ins Spiel bringt - eine für den Profifußball sehr ungewöhnliche Art der Raumaufteilung. Die SG Sonnenhof agiere "extrem mannorientiert über den gesamten Platz", hat Köllner festgestellt. "Der Fokus im Training liegt deswegen darauf, den Spielern das richtige Werkzeug mitzugeben. Wir brauchen spielerische Lösungen, die haben wir in den vergangenen Spielen gefunden." Finden sie sie auch am Samstag, dürfen die Löwen, mit dem Ziel Klassenverbleib in die Saison gegangen, gar nach oben schielen. Bei einem solchen Aufwärtstrend kann man schon mal Geschlossenheit wahrnehmen, auch wenn es womöglich anders ist.

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SZ vom 06.12.2019
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