Fußball:Gemeinheiten und Sticheleien bei 1860 München

13 04 2019 Fussball 3 Bundesliga 2018 2019 33 Spieltag TSV 1860 München Preußen Münster im G; 1860 München: Plakate gegen Hasan Ismaik im Spiel gegen Münster

Gegen Münster demonstrieren im Grünwalder Stadion einige Sechzig-Anhänger gegen Saki Stimoniaris und Hasan Ismaik.

(Foto: imago images / MIS)

Die Atmosphäre bei den Löwen ist politisch aufgeladen wie lange nicht: Der Streit zwischen dem e.V. und Investor Hasan Ismaik spaltet den Verein. Eine Chronologie der bisherigen Nadelstiche.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die Frage, ob der Fußball-Drittligist 1860 München noch Geld von Investor Hasan Ismaik annehmen soll, spaltet die Fans seit Jahren. Am Samstag beim Heimspiel gegen Münster (0:1) war die Atmosphäre politisch aufgeladen wie nie zuvor. Der Verlauf einer Zuspitzung seit dem Abstieg aus der zweiten Liga.

Der Insolvenzspezialist (3. Juni 2017)

Nachdem Peter Cassalette zurückgetreten ist, wird umgehend Robert Reisinger neuer Präsident - eine Mitgliederversammlung muss ihn später noch bestätigen. Was das Verhältnis zu Ismaik angeht, sagt Reisinger zur Begrüßung: "Mit mir fährt niemand Schlitten, das kann ich versprechen, und mich schüchtert auch keiner ein." Ismaik versucht ihn einzuschüchtern, indem er ankündigt, er werde gegen 50+1 klagen. Das Präsidium setzt den Sanierungsexperten Markus Fauser als Geschäftsführer ein - mittels 50+1. "Eure Vertreter (...) haben sich entschieden, nicht für diesen großartigen Klub zu kämpfen", schreibt Ismaik an die 1860-Fans, "sie haben einen neuen Geschäftsführer ernannt, dessen einzige Expertise die Insolvenz ist!"

Schande für Deutschland (8. Januar 2018)

Nachdem der Insolvenz- und Sanierungsexperte Fauser die Insolvenz abgewendet und die Sanierung eingeleitet hat, verlässt er 1860 wieder. Als Nachfolger setzen die e.V.-Vertreter Michael Scharold ein - wieder mittels 50+1. Ismaik, der ihn als Finanzfachmann von Schalke 04 zum TSV 1860 geholt hat, zetert: Scharold sei "kein Anführer" und "schwach". Neuer Sportchef wird, - selbstredend ebenfalls per 50+1, wie Reisinger berichtet - Günther Gorenzel, der schon zwei Mal bei Sechzig gearbeitet hat: von 2006 bis 2008 als Co-Trainer und von 2014 bis 2015 in der Nachwuchsabteilung. "Ich versuche, mit ihnen zu kooperieren, aber sie tun, was sie wollen", beklagt sich Ismaik. "Sie respektieren ihren Partner nicht, sie nutzen 50+1, das ist eine Schande für den deutschen Fußball und für ganz Deutschland. Was gerade stattfindet, ist die Zerstörung dieses Klubs."

Der Scheidungsantrag (23. Juli 2017)

Auf der Mitgliederversammlung wird Robert Reisinger, mit dem niemand Schlitten fährt, mit großer Mehrheit im Amt bestätigt, Hasan Ismaiks Bruder Yahya hingegen nicht in den Verwaltungsrat gewählt und ausgelacht. Dazu pfeift die Menge subtil die Melodie des bekannten Scheichlieds ("Scheiß auf den Scheich, scheiß auf sein Geld"). Die Mitglieder, darunter viele pfeifende Ultras, entscheiden mit 346 Ja- und 79 Nein-Stimmen, den Kooperationsvertrag mit Ismaik aufzukündigen, der längst ein Konfrontationsvertrag geworden ist. Dass so eine Scheidung rechtlich nicht einfach umzusetzen ist, ahnen die Vereinsvertreter: Am Tag der Abstimmung streichen sie die Formulierung, der Vertrag sei "unverzüglich" zu kündigen. In den Verwaltungsrat gewählt wird unter anderen der MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris, als einziger Kandidat, der nicht zu den Ismaik-Gegnern zu zählen ist. Er wird allerdings schon im Dezember zurücktreten.

Durchgestochene Nadelstiche (15. Januar 2018)

In einem Kicker-Artikel wird aus einer E-Mail des Verwaltungsratsvorsitzenden Markus Drees zitiert, die ausschließlich seinen acht damaligen Gremiumskollegen zugegangen war. Darin schreibt Drees von einer "Politik der Nadelstiche" gegen Ismaik. Davon distanziert sich der Verwaltungsrat so vielsagend wie selbstredend nicht, der stellvertretende Vorsitzende Sascha Königsberg teilt aber mit: "Aus den Reihen der aktuell amtierenden Verwaltungsräte hat niemand den im Kicker zitierten vertraulichen E-Mail-Verkehr an Dritte weitergereicht. Der Verwaltungsrat kennt jedoch mittlerweile den Urheber des Vertrauensbruchs." Nachdem unlängst auch Richard Ostermeier abgetreten ist, kann man Königsberg nicht unterstellen, direkt Stimoniaris genannt zu haben. Stimoniaris wird kurz darauf KGaA-Aufsichtsrat als Vertreter der Investorenseite.

Ein Paket voller leckerer Genussscheine

Das Angebot (November 2017)

Der Münchner Unternehmer Gerhard Mey trifft Investor Ismaik in einem feinen Spa im Mittelmeerraum, er möchte dessen Anteile an 1860 kaufen. Die reichen Männer reden und essen. Sie essen allerdings nicht so viel, wie sie es sich leisten könnten. Sie essen bewusst, wie es so schön heißt. Es gibt Apfel, sehr fein geschnitten, dazu eine Misosuppe. Und Rote-Rüben-Saft. Ismaik gibt zu verstehen, dass er 1860 gar nicht verkauft - und wenn doch, so berichtet es Mey, möchte er unheimlich viel Geld haben. Weit mehr jedenfalls, als der damalige Viertligist nach dem Ermessen eines in diesem Moment noch immer hungrigen Geschäftsmanns wert ist. Ohne Ergebnis gehen die reichen Männer auseinander. Einer von ihnen geht nach dem Treffen noch lecker essen. Und zwar ganz zackig.

Retourniertes Paket (8. Mai 2018)

Mit Paketen ist es so eine Sache. Wer als Empfänger keinen Röntgenblick besitzt, weiß nicht, was drin ist, bevor er es ausgepackt hat. Von diesem Prinzip profitiert in der normalen Welt der Absender, der in das Paket reinpacken kann, was er will. Kann er doch davon ausgehen, dass es neugierige Menschen in jedem Fall öffnen. Als Hasan Ismaik über Statthalter Stimoniaris ankündigen lässt, ein "überzeugendes Paket", gemeint ist ein finanzielles, verabredet zu haben, "das den Wünschen und Zielen aller Löwen gerecht wird", ist die Sache selbstredend noch komplizierter. Gehört es doch zu den Wünschen und Zielen vieler Löwen, kein Geld mehr anzunehmen von Hasan Ismaik. Jene Löwenvertreter, die zwar von nicht allen, doch aber vielen Löwen zum Präsidium gewählt wurden, schicken das Paket ungeöffnet wieder zurück an den Absender. Weil der Inhalt des Pakets mit ihnen nicht verabredet worden war. Und weil selbst aus dem Kreis der engsten Vertrauten des Absenders durchgesickert ist, dass sie nicht wussten, was drin sein sollte in dem Paket. Erst sehr viel später erfährt die Welt, was von Anfang an drin sein sollte: leckere Genussscheine.

Profis unter Palmen (17. Juli 2018)

Das "Team Profifußball" empfängt allerlei Löwenprominenz in der schicken Isarpost Eventlocation zum "weißblauen Abend". Miso-Suppe gibt es nicht, dafür ist Karotten-Ingwer-Suppe vorbereitet, Palmen sind aufgebaut. Das Interieur setzt möglicherweise bewusst einen Kontrapunkt zum Schmuddelcharme des Grünwalder Stadions - in dem sich die sogenannten "Ruinenanbeter" zuhause fühlen. Das Team Profifußball um die Unternehmer Klaus Ruhdorfer und Thomas Hirschberger präsentiert sich vor der anstehenden 1860-Verwaltungsratswahl als Opposition und strebt eine gemeinsame Grundlage mit dem Investor an. Zum neunköpfigen Team gehört auch Bernhard Winkler, der ehemalige Löwenstürmer, der für das steht, wofür gekämpft werden soll: richtigen Profifußball wie in guten alten Tagen.

Scheidungsparty mit Pornostar (22. Juli 2018)

Die Suche nach Kandidaten, die Ismaik wohlgesonnen sind und sich allen Ernstes ein Amt im neu zu wählenden Verwaltungsrat bei 1860 vorstellen können, führt selbstredend zu bemerkenswerten Ergebnissen. Unter anderen bewirbt sich neben dem Team Profifußball mit Senta Auth ("Dahoam is dahoam") auch ein anderer Schauspieler. Helmut Kirmaier, nach eigenen Angaben ehemaliger Pornodarsteller, hat einen teils erfolgreichen Prozessmarathon gegen 1860 hinter sich, weil seiner Meinung nach so gut wie alle vorherigen Wahlen ungültig gewesen sind. Als er selbst gewählt werden will, hält er auf der Mitgliederversammlung allerdings nur eine kurze Rede: "Ich bin für eine Satzungsreform mit Briefwahl, für das Team Profifußball und pro Hasan Ismaik." Und er hoffe, "dass es nicht so lange dauert, denn ich bin noch auf eine Gruppensexparty eingeladen und will nicht, dass die ohne mich anfangen". Kirmaier wird nicht gewählt, das Team Profifußball auch nicht, stattdessen ausschließlich Ismaik-Gegner; im Verwaltungsrat steht es nun 9:0. Nicht einmal der frühere Torjäger Winkler schafft den Sprung. "Ein Hasan Ismaik kann nichts dazu, dass wir sportlich abgestiegen sind", erklärt Winkler bei seiner Wahlkampfrede, Schuld seien ja schließlich die Spieler und der Trainer. Dass aber Ismaik Beratern vertraute, die das Team zusammenstellten, ist offenbar an Winkler vorbeigegangen. Er wird ausgebuht, ausgelacht und muss sich ausgestreckte Mittelfinger gefallen lassen. Selten bis nie ist ein Löwenrudel so gemein zu einem verdienten Alphalöwen gewesen wie an diesem Tag.

Ein nicht zugelassener Besserkönner und "zu viel Politik"

Schluss mit Verdrussscheinen (11. Dezember 2018)

Am Ende sind in das überzeugende Paket zwei Millionen Euro gegen Genussscheine gepackt worden, und tatsächlich ausgepackt - um die Mannschaft für die dritte Liga zu verstärken. Die ersten 1,4 Millionen Euro kommen allerdings mal wieder deutlich später als erwartet, statt Ende Oktober erst im Dezember. Das Präsidium dankt in einer schriftlichen Stellungnahme und teilt mit, es habe der KGaA-Geschäftsführung mittels 50+1 die "Weisung erteilt, Planungen für den Profifußball nur noch mit nachgewiesenen und tatsächlich eingegangenen Mitteln zu führen. Genussscheine, Darlehen und vergleichbare Finanzierungsformen können auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens künftig nicht mehr akzeptiert werden." Später lenkt Reisinger etwas ein: Genussscheine seien schon noch okay, aber nur gegen Vorkasse. Darauf gehen Ismaik und seine Aufsichtsräte nicht ein - der Konsolidierungskurs beginnt, 3 Millionen Euro Budget für 2019/20 statt 4,5 Millionen Euro "Wir haben keinen Handlungsspielraum", klagt Gorenzel nach dem Auswärtsspiel in Würzburg im März, "wenn du - von einem Jahr auf das andere - die Mittel sehr stark reduzieren musst, ist es für jedes Unternehmen eine Herausforderung. Aber wir werden auch nächstes Jahr eine Mannschaft stellen, die seriös um den Klassenerhalt mitspielen kann." Da Gorenzel solche Sachen öfters sagt, was ihm als Investorennähe ausgelegt wird, erfinden 1860-Fans als Synonym für wehklagen, jammern das Wort herumgorenzeln.

Nicht zugelassener Besserkönner (4. April 2019)

Saki Stimoniaris, einer der Investorenvertreter im Aufsichtsrat und von Ismaiks Statthaltern in München, hat sich für das Präsidentenamt beworben. "Weil ich nicht einverstanden bin mit dem aktuellen Kurs. Ich bin gegen diesen Kurs, knallhart", sagt er im SZ-Interview. "Ich weiß, dass ich mit Abstand der bessere Präsident sein werde. Das ist so. Die anderen Kandidaten sind alles gute Menschen, aber ich kann es besser. Viel, viel besser." Der Verwaltungsrat, der den Präsidentschaftskandidaten für die Mitgliederversammlung nominiert, ist nicht dieser Ansicht und ernennt Reisinger. "Erstens respektiere ich die Satzung", sagt Stimoniaris. "Zweitens fände ich es demokratischer, wenn nicht nur der oder der zugelassen würde, sondern alle."

T-Shirts und Plakate (13. April 2019)

Nachdem die Gruppierung "Löwenfans gegen Rechts" T-Shirts mit dem durchgestrichenen Konterfei von Hasan Ismaik verkaufen will und die Geschäftsführer Scharold und Gorenzel ob dieser Unverschämtheit gewaltig herumgorenzeln, ist die Stimmung beim Heimspiel gegen Preußen Münster so politisch aufgeladen wie noch nie. Diesmal gibt es auch ein durchgestrichenes Konterfei von Stimoniaris, nicht als T-Shirt, aber als Plakat. Und die "Löwenfans gegen Rechts" erklären auf einem Banner, in Anspielung auf Ismaiks Firma HAM International: "Mia miassn ned jeden gern ham." Nach der 0:1-Niederlage klagt Trainer Daniel Bierofka im Bayerischen Fernsehen: "Gerade in der ersten Halbzeit, wo die Mannschaft Unterstützung braucht, wird hier wieder alles andere gesungen. Es ist einfach momentan nicht gut, was hier passiert, es ist viel zu viel Politik."

Neuer Job für den Besserkönner (16. April 2019)

Der nicht für das Präsidentenamt nominierte Stimoniaris steigt wenigstens in der Aufsichtsrats-Hierarchie auf: Er wird der Vorsitzende des Gremiums und löst Yahya Ismaik ab, der aber als normales Mitglied in dem Rat bleibt. Zum Antritt sagt er, er wolle alles geben, "damit im Verein mehr miteinander gearbeitet wird", denn: "Wir wollen alle das Beste für 1860."

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