Für 1860 München stehen in diesen Tagen drei Pflichtspiele innerhalb von 142 Stunden an, also innerhalb von knapp sechs Tagen. Aber Trainer Patrick Glöckner kündigte schon vor dieser englischen Woche an, trotz seines exquisiten Kaders nur zu rotieren, wenn es absolut nötig ist. „Ich bin ein großer Freund von Automatismen. Solange es die ersten Elf gut machen, bleiben sie bei mir auf dem Feld“, sagte er.
Doch am späten Sonntagabend flog zum einen Stammspieler Kevin Volland mit Gelb-Rot vom Platz (85.), er wird also am Mittwoch auswärts bei Hansa Rostock fehlen. Zweitens machten diesmal, gegen den krassen Außenseiter und Tabellenletzten TSV Havelse, wahrlich nicht alle ihre Sache gut: 2:2 stand es nach einem Schock-Ausgleich des eingewechselten John Posselt, bis in die fünfte Minute der Nachspielzeit hinein. Dann traf der eingewechselte Patrick Hobsch doch noch zum 3:2-Sieg – und meldete damit sehr überzeugend Ansprüche an, öfter in der Startelf zu stehen. Der TSV 1860 klettert in der Tabelle der dritten Liga damit auf Rang zwei.
Viel war in den jüngsten Drittliga-Partien die Rede davon gewesen, dass die Löwen das Nervenkostüm ihrer Fans arg strapaziert hätten, wegen der so späten Siegtore. Sie waren gegen den Aufsteiger TSV Havelse sichtlich bemüht, keine Spannung aufkommen zu lassen, doch nach vier hochkarätigen Chancen in der ersten Viertelstunde rauften sich die Fans wieder einmal die Haare: Manuel Pfeifer verzog (5.), Sigurd Haugen scheiterte mit einer Art Schienbein-Aufsetzer (10.), Kevin Volland aus kurzer Distanz am Torwart (12.), und dann setzte Marvin Rittmüller bei einem Heber über den heraus eilenden Tom Opitz den Ball an die Latte.
Marvin Lee Rittmüller hatte sofort auf beiden Seiten des Platzes seine Aktionen
Schon in den ersten Minuten wurde jedoch deutlich: Bei Marvin Lee Rittmüller, dessen Name beim Verlesen der Startelf noch nicht so laut von den Rängen zurück hallte, dürfte es sich um eine Bereicherung handeln. Gekommen war der 26-Jährige, weil sich der Flügelspieler Morris Schröter erneut schwer verletzt hatte. Der Zugang hat in dieser Saison 90 Minuten für Eintracht Braunschweig und dann 27 Minuten im Toto-Pokal gegen den FV Illertissen gespielt (3:1). Er ist ein fleißiger, schneller sogenannter Schienenspieler, der sofort auf beiden Seiten des Platzes seine Aktionen hatte. In den vergangenen drei Jahren hatte er genau ein Pflichtspieltor erzielt, in der Relegation der Braunschweiger traf er Ende Mai auswärts in Saarbrücken (2:0). Bei seinen ersten Minuten im Grünwalder Stadion hätte er sofort zwei Treffer erzielen können, er war schon nach sieben Minuten am Strafraumrand frei zum Schuss gekommen.

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Gegen Havelse waren nicht viele Auswärtsfans angereist, das Häuflein rot-weißer Anhänger passte in den kleinen Block unter dem VIP-Bereich; dafür war am Sonntagabend auch mal wieder die Ostkurve fest in der Hand der Gastgeber. Und sie durften aus nächster Nähe erleben, dass die Löwen doch noch vor dem Seitenwechsel begannen, für vermeintlich klare Verhältnisse zu sorgen. Wenige Sekunden vor seinem Tor hatte sich Kevin Volland noch etwas unrühmlich Aufmerksamkeit verschafft, er hatte einen Havelser Freistoß aus kurzer Distanz geblockt und für diese Spielverzögerung Gelb gesehen, übrigens schon zum dritten Mal an diesem fünften Spieltag. Doch gleich darauf stand er genau richtig, als Havelse-Torwart Opitz von Haugen zu einem ungenauen Befreiungsschlag gezwungen wurde. Der landete direkt vor Vollands Füßen, der Routinier ließ den Ball einmal tropfen, dann schlenzte er aus gut 30 Metern den Ball ins leere Tor, es war sein zweiter Saisontreffer (39.). In der 45. Minute erhöhte Haugen mit einem perfekt getimten Kopfball nach einem Chip-Ball von Florian Niederlechner, eine offenbar einstudierte Freistoß-Variante – für den Norweger war es schon das dritte Tor der Spielzeit. Aber: Es sollte trotzdem noch einmal spannend werden.
Havelse nennt sich gerne „der professionellste Feierabendklub Deutschlands“
In Havelse sprechen sie gerne davon, „der professionellste Feierabendklub Deutschlands“ zu sein, gesagt hat das immerhin der kickende Sportvorstand und Rechtsverteidiger Florian Riedel. Aber auch, wenn sich die Gäste aus dem Städtchen Garbsen defensiv schwertaten gegen die Routine der Löwen, so wussten sie doch, offensiv ihre Akzente zu setzen. Robin Müller düpierte schon nach sechs Minuten die gesamte Sechziger-Abwehr und blieb nur im Abschluss zu ungenau.
Noch mal still wurde es, als der Ball plötzlich in der 58. Minute im Netz des Löwentores zappelte. Besfort Kolgeci trat einen Eckball an den ersten Pfosten, dort stand Niederlechner – und der bugsierte den Ball mit seinem Oberschenkel unhaltbar für Thomas Dähne ins Netz. Fortan tauchte Havelse mehrmals im Sechziger-Strafraum auf. Als Volland dann nach einer eher unnötigen Grätsche vom Feld musste, trug das erheblich zur schlechten Laune bei, die sich gerade breitmachte. Rittmüller traf plötzlich noch einmal die Latte, dann Hobsch mit Ablauf der Nachspielzeit ins Tor – pure Freude, doch noch, aber rein nervlich eine Katastrophe.

