Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Große Party, riesiger Kater

  • Der TSV 1860 München hat gerade noch den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga geschafft, nun herrscht ein Zerwürfnis über Sportchef Gerhard Poschner.
  • Präsidium und Verwaltungsrat würden Poschner gerne loswerden, doch Hasan Ismaik, der jordanische Investor, hat etwas dagegen.
  • Die Debatte führt unweigerlich zur Trainerfrage, weil eine gemeinsame Zukunft von Coach Thorsten Fröhling und Poschner unwahrscheinlich ist.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Fremde Menschen lagen sich in den Armen, Tränen des Glücks flossen, und aus den Lautsprechern dröhnte das Lied: "1860 ist stark wie noch nie." Das stimmte selbstredend nicht nach einer Saison, in der der TSV 1860 München schwach gewesen war wie seit Langem nicht mehr und den Abstieg in die Dritte Liga durch Kai Bülows umjubeltes Tor in der Nachspielzeit zum 2:1 gegen Holstein Kiel so haarscharf wie nur vorstellbar vermieden hatte. Aber für diesen einen, glückseligen Abend vor 57 000 Menschen war das allen egal.

Bis morgens um sechs feierte die Mannschaft in einer Bar in der Altstadt - nicht dabei waren allerdings die von Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner nach München transferierten spanischen Profis Rodri, Edu Bedia und Ilie Sanchez, die Trainer Torsten Fröhling für die Relegation nicht mehr berücksichtigt hatte. Und auch nicht Rubin Okotie, der als Torjäger der Hinrunde noch als einziger Glücksgriff Poschners gegolten hatte, zuletzt allerdings als eine Diva in der Sinnkrise auftrat und bei seiner Auswechslung gegen Kiel von den Anhängern ausgebuht wurde.

Auch Verwaltungsratschef Siegfried Schneider fordert Poschner zum Rücktritt auf

Es verwunderte also kaum, dass nach der großen Party der noch größere Kater einsetzte bei Sechzig. Noor Basha, der Münchner Vertreter des jordanischen Investors Hasan Ismaik, setzt nämlich weiterhin auf eine Zukunft mit Poschner. Das würde unweigerlich zu einer Trainerfrage führen, denn eine gemeinsame Zukunft von Fröhling und dem Sport-Geschäftsführer dürfte eher unwahrscheinlich sein.

Fröhlings Aufstellung war ja wochenlang ein öffentliches Statement gegen Poschners Transferpolitik - indem er den Klassenverbleib fast ausschließlich mit den wenigen verbliebenen alten Recken und ein paar Hochbegabten aus der U21 vorangetrieben und so manchen einst hochgelobten Techniker nicht nur ignoriert, sondern gar aus dem Kader entfernt hatte.

Das Präsidium um Gerhard Mayrhofer hätte Poschner gerne schon im vergangenen Herbst verabschiedet und forderte ihn mittlerweile mehrmals - ohne Erfolg - zum Rücktritt auf. Rückendeckung bekommt es nun vom Verwaltungsrat des Vereins, dessen Vorsitzender Siegfried Schneider nach dem Wunder von Fröttmaning deutlich Stellung bezog. "Das sportliche Konzept von Gerhard Poschner ist ganz offensichtlich gescheitert", sagte Schneider der SZ, "ich gehe davon aus, dass er Manns genug ist, selbst die Konsequenzen zu ziehen und den Weg freizumachen für einen sportlichen Neuanfang."

Davon geht Schneider aus. Aber Poschner hat inzwischen bereits mehrmals erklärt, dass er gar nicht daran denke, Manns genug zu sein, um zurückzutreten. Er hat ja auch noch für zwei Jahre einen feinen Vertrag. Die Unterstützung für Poschner von der Seite des Investors führt im Beirat der sogenannten Geschäftsführungs-GmbH von 1860 zu einer Pattsituation.

Dieses Gremium allein wäre befugt, Geschäftsführer zu entlassen oder einzustellen. In der Theorie könnte der Verein den Beirat abschaffen oder ihm eine Entscheidung vorschreiben. Er befürchtet aber, dass er mit einem derartigen Verstoß gegen die Vereinbarungen mit Ismaik den Investor derart brüskieren könnte, dass der vor Zorn seine Darlehensverträge aufkündigt.

Ob dieses Szenario Realität werden könnte, lässt der Klub juristisch prüfen - denn in der kommenden Woche will der Verwaltungsrat, der das Präsidium anweisen könnte, Poschner zu entlassen, tagen. Zwar wäre Ismaik nicht abgeneigt, seine Anteile zu verkaufen, und nach SZ-Informationen suchen die Vereinsvertreter auch Interessenten. Doch so lange in dieser Hinsicht nichts passiert, könnte die 50+1-Regel der Deutschen Fußball-Liga, die vorschreibt, dass die Vereine selbst über die Geschicke ihrer Fußballfirmen entscheiden, de facto untergraben sein.

Offensichtlich vertraut Poschner darauf, dass die Vereinsvertreter im Zuge einer Ende Juni anstehenden Mitgliederversammlung zurücktreten oder abgewählt werden. Tatsächlich darf er ja darauf hoffen, dass die Mitglieder das Präsidium dafür verantwortlich machen, Poschner eingestellt zu haben. Wer es schon völlig irre fand, was bei Sechzig auf dem Fußballplatz passierte, kann für die Vorgänge auf der Geschäftsstelle schwerlich Worte finden.

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Quelle:
SZ vom 05.06.2015/fued
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