Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Gespielt wie Kinder

Beim 0:4 gegen Mannheim zeigt die Mannschaft des TSV 1860 Auflösungs­erscheinungen. Der erneut nur eingewechselte Timo Gebhart könnte das Spiel strukturieren.

Von Thomas Hürner

Timo Gebhart verließ am Dienstagnachmittag als letzter Spieler die Kabine in Richtung Trainingsplatz, ein Kopfnicken in Richtung der Handvoll Löwenfans an der Grünwalder Straße, dann die Frage an einen Betreuer: "Soll ich die Tür hinter mir zu machen?" Der Mittelfeldspieler schloss die Tür, trabte langsam los und bekam von einem Teamkollegen einen Ball in den Fuß gespielt. So ähnlich soll das ja sein mit Timo Gebharts Rückkehr zum TSV 1860: Die schwierigen, von zahlreichen Verletzungen getrübten Zeiten hinter sich lassen, langsam an Fahrt aufnehmen und dann ganz viele Bälle von seinen Mitspielern in den Fuß gespielt bekommen.

Am Montagabend, bei der heftigen 4:0 Niederlage bei Waldhof Mannheim nach Toren von Michael Schultz (32. Minute), Gianluca Korte (49./53.) und Dorian Diring (89.), entschied sich Löwentrainer Daniel Bierofka aber einmal mehr gegen Gebhart in der Startelf. Der 30-Jährige wurde in der 52. Minute eingewechselt, da stand es schon 2:0 für die Heimmannschaft. Für Gebhart erwies sich dieser Zeitpunkt hinterher als der vielleicht schlechtestmögliche, die Mannheimer entfalteten jetzt noch mehr Druck auf die Löwendefensive, ein flott vorgetragener Angriff nach dem anderen rollte auf sie zu. Und vorbei an Gebhart, dessen erster Ballkontakt ein Fehlpass war, der auch noch postwendend mit dem nächsten Mannheimer Treffer zum 3:0 bestraft wurde.

Nun lassen sich die Auflösungserscheinungen, die sich bei den Sechzigern zeigten, keinesfalls Gebhart alleine anlasten, vollzogen sie sich doch durch alle Mannschaftsteile und über jeden einzelnen Löwenspieler hinweg. Stabiler, griffiger sind die Münchner mit ihm auf dem Rasen aber eben auch nicht aufgetreten. So jedenfalls ließ sich auch die Analyse von Trainer Daniel Bierofka interpretieren: In der ersten Halbzeit habe man wenig zugelassen, sagte Bierofka, gerade das Umschaltspiel sei aber gerade nach der Pause schlecht gewesen. Für Kapitän Felix Weber war die zweite Halbzeit sogar "total zum Vergessen". Worüber bei den Münchnern ebenfalls Einigkeit bestehen dürfte: Ein Timo Gebhart in einer guten körperlichen Verfassung, mit seinen fußballerischen Qualitäten und seiner Erfahrung, hätte dem konfusen Spiel der jungen Löwenmannschaft gutgetan. Für Bierofka scheint die Zeit dafür jedoch noch nicht gekommen. Immer wieder hatte der Trainer betont, dass Gebhart erst hundertprozentig fit und sich an seinen Fußball akklimatisieren müsse.

Auch über dem Startelfeinsatz von Kapitän Weber stand lange ein Fragezeichen, hatte sein Vertreter Aaron Berzel beim 3:0 Sieg gegen Zwickau doch einen guten Eindruck in der Innenverteidigung neben dem gesetzten Zugang Dennis Erdmann hinterlassen. "Felix hat sich vor seiner Sperre nichts zu Schulden kommen lassen", sagte Bierofka über seine Entscheidung, Weber von Beginn an spielen zu lassen. Erdmann, vor der Saison aus Magdeburg nach München gewechselt, fand jedenfalls die wohl deutlichsten Worte zum Auftritt in Mannheim: "Wenn man spielt wie Kinder, kommst du in dieser Liga nicht weiter."

Infolge des finanziellen Konsolidierungskurses wurden die sportlichen Ziele ja mancherorts auf den Klassenverbleib beschränkt. Trainer Bierofka betonte abermals: "Dass es diese Saison schwer wird, haben wir gewusst." Das Spiel gegen Waldhof müsse man "analysieren, abhaken und weitermachen." Die Analyse sollte dann bestenfalls nicht nur die löchrige Defensive, sondern auch den harmlosen Angriff betreffen. Bis auf eine gute Chance von Stürmer Sascha Mölders in der ersten Hälfte konnten sich die Sechziger keine nennenswerten Gelegenheiten herausspielen, das gegnerische Pressing hatte teils haarsträubende Fehler im Aufbauspiel zur Folge.

Nach vier Spielen haben die Löwen jetzt vier Zähler vorzuweisen, am Samstag kommender Woche empfangen sie im Grünwalder Stadion den punktgleichen SV Meppen. Dann will auch Timo Gebhart endlich in der Startformation stehen, darauf lässt zumindest sein einziger Satz am Ende des Trainings am Dienstagnachmittag schließen: "Bevor ich von Anfang an spiele, sag' ich erstmal gar nichts mehr." Beim Auslaufen der Ersatz- und Einwechselspieler und einem anschließenden Trainingsspielchen war der Trainer jedenfalls nicht anwesend. Bierofka beschäftigte sich wohl lieber umgehend mit der Analyse des Montagabends.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2019
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