Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Furios und schläfrig

Die Löwen kommen beim Tabellenletzten TSV Havelse zum ersten Auswärtssieg der Saison. Gegen Mannheim und Magdeburg zeigt sich nun, ob Sechzig sich im Kampf um den Aufstieg zurückmelden kann.

Von Markus Schäflein

Es war 217 Tage her. Am 24. April hatte der TSV 1860 München zum letzten Mal ein Auswärtsspiel in der dritten Fußballliga gewonnen, in der laufenden Saison stand mithin noch kein einziger Auswärtssieg zu Buche. Das ist ein bisschen wenig für eine Mannschaft, die nach wie vor aufsteigen will, und so kam die Reise nach Hannover zum abgeschlagenen Tabellenletzten TSV Havelse, der auch in der Heimtabelle das Ende ziert, recht gelegen. Heraus kam dann tatsächlich ein 3:2 (2:0) der Löwen - allerdings nach einem Samstagnachmittag, der den 1343 Zuschauern in der überdimensionierten HDI-Arena mehr Spannung bot, als es aus Münchner Sicht nötig gewesen wäre. "Ich glaube, wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht", meinte 1860-Trainer Michael Köllner, "bis auf ein paar Momente."

Und von den paar schlechten Momenten nutzte der zur Halbzeitpause eingewechselte Havelser Stürmer Yannik Jaeschke eben zwei - zu zwei Toren. Zuerst: Ecke, Kopfball, Pfosten, dann schaltete Jaeschke am schnellsten (51.) - 1:2. "Das hat uns nicht sonderlich beeindruckt oder frustriert, sondern die Mannschaft hat mit dem 3:1 relativ schnell reagiert", sagte Köllner; es dauerte ja nur vier Minuten, bis Merveille Biankadi auf Zuspiel von Sascha Mölders den alten Abstand wiederherstellte. Wesentlich ärgerlicher fand Köllner Jaeschkes 2:3 aus der 85. Minute, das eine offene Schlussphase einleitete: "Am Ende haben wir uns das Leben schwer gemacht mit einer Schläfrigkeit bei einem Freistoß, der vorher genau so schon mal gespielt worden ist."

Und damit zum Positiven aus Sicht der Löwen: Sie hätten die Partie genauso gut 5:1 oder 6:2 gewinnen können - dem seifigen Platz im riesigen Zweitligastadion von Hannover 96 zum Trotz, in das der TSV Havelse wegen der Drittligaauflagen umziehen musste. Köllner hatte in der ersten Hälfte ein "unheimlich schnelles, direktes", ja gar "furioses Spiel" seiner Mannschaft gesehen. Dieses führte zum frühen 1:0; ein Schuss von Richard Neudecker, der im Mittelfeld den verletzten Daniel Wein ersetzte, wurde von Havelses Kapitän Tobias Fölster ins Tor gelenkt (8.). Biankadi vergab die nächste große Chance im Eins-gegen-Eins gegen Torwart Norman Quindt (16.), doch dann erhöhte stattdessen Marcel Bär, nach einer Flanke von Stefan Lex gänzlich ungedeckt (32.). Die Havelser waren da unsortiert und im Kopf offenbar noch bei einer Szene, die sich unmittelbar zuvor ereignet hatte: Nach einem Foul von 1860-Innenverteidiger Semi Belkahia an Linus Meyer war ihnen ein Elfmeter verwehrt geblieben.

Trainer Michael Köllner mahnt, seine Mannschaft müsse bei Standardsituationen "sauberer verteidigen"

Sascha Mölders traf kurz vor Pause noch die Latte, die Löwen mussten sich längst vorwerfen lassen, nicht höher zu führen, und auch unmittelbar nach dem Seitenwechsel ließen sie die "Vorentscheidung liegen", wie sich Köllner ärgerte: Lex lief ungedeckt aufs Tor zu, doch Quindt konnte sich erneut auszeichnen. Wie schon in vielen Spielen zuvor zeigte sich, dass die Havelser den Profifußball wohl nach nur einem Jahr wieder verlassen müssen, ihr Torwart aber bleiben könnte.

So lag es neben den Löwen selbst und Jaeschke auch an Quindt, dass es am Ende noch mal spannend wurde - Torgefahr brachte Havelse nach dem Anschlusstreffer in der Schlussphase aber nicht mehr zustande. "Morgen wird kein Hahn mehr danach krähen, ob es 3:2, 3:1 oder 4:0 ausgegangen ist", meinte Köllner; nach einem 3:3 hätten allerdings die Hühner gelacht. Daher mahnte der Trainer eindringlich, seine Mannschaft müsse insbesondere bei Standardsituationen "sauberer verteidigen". Das will er üben lassen, noch ehe zwei Spitzenteams zu Gast in Giesing sind: Am Dienstag (19 Uhr) steht bereits die Nachholpartie gegen den Tabellenvierten SV Waldhof Mannheim an, am Samstag kommt der Tabellenführer 1. FC Magdeburg ins Stadion an der Grünwalder Straße (14 Uhr).

Es sind wegweisende Spiele, die darüber entscheiden, ob Sechzig sich vor Weihnachten im Kampf um den Aufstieg zurückmeldet. Das 3:2 beim Tabellenletzten Havelse bedeutete nach dem 3:2 gegen den Drittletzten Duisburg - tabellarisch betrachtet - in erster Linie mal: drei weitere Punkte für den Klassenverbleib. Zwei Schritte gegen den Abstieg ermöglichen zwei Schritte Richtung Aufstieg: So komisch ist sie eben, die dritte Liga.

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