TSV 1860 München:Freudig singt Moll

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Christl Estermann lief nach zweieinhalb Jahrzehnten als Wirtin des Löwenstüberls eine Ehrenrunde im Stadion – und erhielt von 1860-Geschäftsführer Scharold ein Bild, das sie als Münchner Bavaria zeigt.

(Foto: Bernd Feil/imago/MIS)

Im Duell der Traditionsklubs ohne Geld besiegt der TSV 1860 den 1. FC Kaiserslautern. Die Münchner verabschieden sich als Neunter in die Pause - und Wirtin Christl in den Ruhestand.

Von Christoph Leischwitz

Der Freitag war der kürzeste Tag des Jahres, doch der Samstag war düster. Dunkle Wolken fegten über das Grünwalder Stadion in Giesing, der einsetzende Regen sah aus wie Gischt auf einem Schiff in einem tiefen Wellental. Das Flutlicht hatte trotzdem niemand angeschaltet. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass der TSV 1860 München nicht über allzu viel Geld verfügt. Aber musste man gleich am Strom sparen?

Vergangene Woche tat sich der Verein sogar schwer, zu dementieren, dass die Absage der Weihnachtsfeier für die Mannschaft, an deren Stelle es nun einen Neujahrsempfang geben wird, nichts mit fehlendem Geld zu tun hatte. Dass die Feier nicht am Samstag nach dem 2:1 gegen Kaiserslautern stattfand, was ja der perfekte Zeitpunkt gewesen wäre, lag allerdings nicht am Sparkurs. Sondern daran, dass die Geschäftsführung zu dem Zeitpunkt, als die Feier hätte organisiert werden müssen, sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen musste: Bekanntlich wartete 1860 im Zuge der Nachlizenzierung auf eine Überweisung aus Abu Dhabi, die erst auf den letzten Drücker auf dem Konto einging.

Das Anknipsen der Stadionlampen wiederum kostet einen kleinen vierstelligen Betrag - egal übrigens, ob dies zu Beginn oder erst kurz vor Schluss passiert. In der 85. Minute ging es nicht mehr anders, es wurde einfach zu dunkel, das Licht ging an. Und siehe da, plötzlich lohnte es sich für die Sechzig-Fans, hinzuschauen: Phillipp Steinhart trat einen Freistoß in den Strafraum des 1. FC Kaiserslautern, Torwart Wolfgang Hesl lenkte den aufprallenden Ball leicht zur Seite ab. Dort stand Quirin Moll und köpfelte zum 2:1-Sieg ein. Hinter der Westkurve wurde, gut getimt, sogleich ein Feuerwerk gezündet. Wenn schon keine Geldgeschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen werden, so zumindest ein einstelliger Tabellenplatz: Die Löwen stehen bis Ende Januar auf Rang neun. Und auch, wenn sich Molls anschließende Gesänge auf dem Zaun vor der Kurve so gar nicht nach Dur anhören wollten, konnte der 27-Jährige nach dem Drittliga-Duell zweier früherer deutscher Meister sagen: "Es tut brutal gut, mit so einem Sieg in die Winterpause zu gehen. Hauptsache die drei Punkte stehen."

Die Gäste wiederum durften sich zumindest als moralische Sieger fühlen. Während die Sechziger noch mit ihren Fans feierten, stand ein Lauterer Fan neben dem Kabinengang und rief jedem Spieler mit aufmunterndem Applaus zu: "Weiter, weiter!" Die Spieler nickten traurig. Janek Sternberg hatte kurz vor der Pause Gelb-Rot gesehen, für den neuen Trainer Sascha Hildmann eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, konkret formuliert: "Quatsch". Wenngleich der Linksverteidiger bei seinem ersten Foul, einem Bodycheck gegen Stefan Lex, sehr ungestüm zu Werke ging, und beim zweiten Foul völlig unnötig den Gegner festhielt. Schon vor der Pause hatten die Gäste die besseren Chancen, Sternberg etwa traf den Außenpfosten (29.). Dann aber traf Sechzigs Efkan Bekiroglu mit einem pferkten Fernschuss (55.). "Im Training gehen die immer überall hin, Hauptsache heute war er drin", freute sich Quirin Moll über den sehenswerten Treffer. Doch die Sechziger taten sich, wie schon mehrmals in dieser Saison, auch diesmal in Überzahl schwer.

Lauterns Angreifer Timmy Thiele wurde in der 66. Minute eingewechselt und traf nur zwei Minuten später zum verdienten Ausgleich, als Torwart Marco Hiller einen Schuss zur Seite abwehrte. Aus purer Freude wurde Thiele von den eigenen Fans mit Bierbechern beworfen. Die Sechziger hatten die Mannschaft in Unterzahl mit ihrem unentschlossenen Spiel eher noch aufgebaut. Die Mannschaft eines Traditionsklubs, der mit einer ungewissen finanziellen Zukunft kämpft. Aktuell fehlen dem FCK rund elf Millionen Euro zur Finanzierung der nächsten Drittliga-Saison. Am Samstag wurde Vorstandschef Rainer Keßler abberufen, weil dieser nicht, wie ursprünglich geplant, zurücktreten wollte.

Auf dem Rasen aber waren es die Sechziger, die über weite Strecken verunsicherter wirkten. Trotzdem fand Trainer Bierofka, dass man sich beim elf gegen zehn diesmal "wesentlich besser" angestellt habe als in früheren Partien: "Wir haben besser über die Flügel gespielt, und rausgelöst und Räume geschaffen", sagte er.

Der Jahresabschluss fiel für Sechzig versöhnlich aus. In der Halbzeit war die 75-jährige Löwenstüberl-Wirtin Christl Estermann mit viel Applaus in den Ruhestand verabschiedet worden. Weihnachtlich wurde es aber nicht so sehr, Sascha Mölders und die Fans stimmten recht unflätige Gesänge an. "Das ist ein toller Traditionsverein. Ich hoffe, dass sie in Zukunft weiter eine gute Rolle spielen im deutschen Fußball", sagte Bierofka. Über Kaiserslautern. Er hätte das auch über den eigenen Verein sagen können.

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