TSV 1860 München:Ein seltsames Debakel

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Viel Energie: Doppeltorschütze Lucas Copado ist auf dem Weg zum 3:1, Leroy Kwadwo am Boden. (Foto: Steffen Beyer/Imago)

Ballbesitz, Zweikämpfe, Torschüsse: In allen wichtigen Statistiken ist Sechzig in Cottbus besser - und verliert durch katastrophales Abwehrverhalten 1:5.  Jetzt wird es darum gehen, ob die sicherlich aufkommende Unruhe überhaupt noch konstante Leistungen zulässt.

Von Christoph Leischwitz

Die schnuckelige Park-Eisenbahn fährt nur wenige Meter entfernt am Stadion der Freundschaft vorbei, sie verbindet mehrere Cottbusser Sehenswürdigkeiten, begibt sich allerdings schon kommende Woche in die Winterpause. Deshalb waren die Anhänger des TSV 1860 München die letzten Gästefans des Jahres, die eine Fahrt buchen konnten, und nach dem, was sich am Sonntagnachmittag im Stadion ereignete, wäre das Sightseeing-Programm sicherlich pittoresker gewesen als dieses abgefahrene Spiel. Schon zur Halbzeit lagen die Sechziger 1:4 zurück, am Ende hieß es 1:5. Ein seltsames Debakel, denn wichtige Statistiken (Ballbesitz, Zweikämpfe, Torschüsse) sprachen klar für die Mannschaft von Argirios Giannikis. „Ziemlich gut? Waren wir nur nach vorne“, gab der Trainer nach Schlusspfiff zu bedenken, er redete nichts schön. „Wir werden jeden Stein umdrehen“, um eine Antwort zu finden, warum Sechzig zurzeit so viele Gegentore fängt. Während Energie Cottbus am Sonntag dank des starken Torverhältnisses die Tabellenführung eroberte und Trainer Pele Wollitz vor der Mannschaft seinen Hut zog, weisen die Löwen die meisten Gegentore der dritten Liga auf. Offen war am Sonntag noch, ob die Vereinsführung nach diesem Debakel nicht auch noch Steine umdreht, um Grundsätzliches zu hinterfragen.

Vielleicht war es keine gute Idee von Sechzigs Kapitän Jesper Verlaat gewesen, die so lange ungeschlagenen, mit viel Energie auftretenden Cottbuser nach gewonnener Platzwahl gleich auf ihre eigene Kurve spielen zu lassen. „Wir sind vorbereitet“, hatte Giannikis mit Blick auf die offensive Wucht der Cottbuser vor dem Spiel gesagt. Das war falsch. Nach drei Minuten schoss Yannik Möker zum ersten Mal aufs Tor – drin. Löwen-Keeper René Vollath war an diesem Nachmittag weitgehend schuldlos, das Problem war vielmehr das schludrige Verhalten seiner Vorderleute, allen voran von Leroy Kwadwo, der das erste und das dritte Tor verschuldete. Der Linksverteidiger wurde zur Pause ausgewechselt.

Kurios war, dass die Auswärtsmannschaft über weite Strecken das Spiel machte. „Ich habe Sechzig nicht so gut erwartet, da bin ich ehrlich“, sagte Cottbus-Trainer Wollitz bei Magentasport. Für den Heim-Trainer war der eigene Torwart Elias Bethke ein entscheidender Mann, weil der einen Kopfball von Verlaat aus kurzer Distanz von der Linie gekratzt hatte (14.). Morris Schröter hatte sechs Minuten später noch eine Riesenchance zum Ausgleich, im Gegenzug fiel das 2:0. In nur neun Minuten erzielte Lucas Copado, der Sohn des ehemaligen Unterhaching-Angreifers Francisco Copado, einen Doppelpack, auch wenn Schröter nach einem Bolzplatz-Tor mit viel Gestochere der zwischenzeitliche Anschlusstreffer gelungen war (26.). Der entscheidende „Nackenschlag“ aus Schröters Sicht war das 4:1 per Traumtor durch Tolcay Cigerci in der Nachspielzeit, denn „mit einem 1:3 in die Pause zu gehen, ist nochmal was anderes“. Nach der Pause zeigten sich die Löwen bemüht, ein ärgeres Fiasko zu verhindern, nach vorne ging allerdings nicht mehr viel. Den Schlusspunkt setzte Timmy Thiele schon nach 61 Minuten.

Zuletzt hatten die Löwen zweimal 2:2 gespielt, dabei insgesamt viermal geführt und die Führung immer wieder verloren

Eigentlich hatte sich in Giesing in den vergangenen Wochen viel um die Frage gedreht, ob die Mannschaft nun das Potenzial für ganz oben hat oder nicht. Giannikis hatte nicht ohne Stolz mehrmals darauf hingewiesen, die beiden englischen Wochen der aktuellen Saison ungeschlagen überstanden zu haben – freilich noch, bis es nach Cottbus ging. Auswärts war die Mannschaft auch stets selbstbewusst aufgetreten, eine schöne Randgeschichte diesbezüglich ist die Krönung des 60-Meter-Treffers in Bielefeld von Thore Jacobsen vor fünf Wochen zum Tor des Monats. Zuletzt hatten die Löwen zweimal 2:2 gespielt, dabei insgesamt viermal geführt und die Führung immer wieder verloren. Hauptgründe dafür sind individuelle Abwehrfehler und zu große Abstände zu gegnerischen Stürmern.

Nun war die Vorstellung in Cottbus in gewisser Weise sogar besser als etwa beim 2:2 eine Woche zuvor in Unterhaching. Doch jetzt wird es bei Sechzig darum gehen, ob die sicherlich aufkommende Unruhe überhaupt noch konstante Leistungen zulässt. Die Mannschaft ließ sich nach dem Spiel nicht einmal mehr bei den Fans blicken, diese reagierten wütend. Als sie sich auf den Heimweg machten, beschlich einige das Gefühl, dass der Zug für diese Saison vielleicht schon abgefahren ist.

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