TSV 1860 München:Ende der Illusionen

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Dreckige Niederlage: Benjamin Kindsvater nach dem 1:2 in Würzburg. (Foto: Renate Feil/imago)

1860 muss den fünften Platz nach der Derby-Niederlage an den Gegner Würzburger Kickers abgeben - und sich so langsam damit anfreunden, in der kommenden Saison ohnehin weiter unten zu stehen.

Von Sebastian Leisgang

Es ist noch nicht sicher, ob der TSV 1860 München in der nächsten Saison gegen den Abstieg spielen wird. Es ist ja noch nicht mal sicher, ob er in dieser Saison am Ende auf dem fünften oder vielleicht doch eher auf dem zwölften Platz der Tabelle der dritten Fußball-Liga stehen wird. Wer aber am Samstagnachmittag im Kabinentrakt des Würzburger Stadions am Dallenberg den Worten von Günther Gorenzel folgte, der musste beinahe zu dem Schluss kommen, dass 1860 in der kommenden Spielzeit absteigt.

Gorenzel, 47, sprach nicht allein über die vorangegangen 90 Minuten, die die Würzburger Kickers als Sieger und den TSV 1860 als Verlierer hervorgebracht hatten. Der Sportliche Leiter sprach auch noch mal über die wirtschaftliche Lage des Klubs. "Wir haben keinen Handlungsspielraum", sagte Gorenzel einmal, zweimal und später noch ein drittes Mal, als es um die Personalplanungen für die nächste Saison ging. Der Kader, meinte Gorenzel, müsse verkleinert werden, so mancher Nachwuchsspieler bekomme in Zukunft "noch früher" eine Bewährungschance im Männerfußball. Und: "Wenn du - von einem Jahr auf das andere - die Mittel sehr stark reduzieren musst, ist es für jedes Unternehmen eine Herausforderung."

"Es war kein Problem der Beine, sondern ein Problem des Kopfes."

Gorenzel zeichnete nicht gerade ein besonders farbenfrohes Bild - und sah sich deshalb irgendwann selbst veranlasst, die Dinge wieder in ein rechtes Licht zu rücken. Er sagte: "Fakt ist aber auch, und das will ich festhalten: Wir werden auch nächstes Jahr eine Mannschaft stellen, die seriös um den Klassenerhalt mitspielen kann."

Da hatte der TSV 1860 bei den Würzburger Kickers gerade einen Rückschlag in Form eines 1:2 (1:2) hinnehmen müssen und war nach einem Hoch mit vier Siegen aus fünf Spielen in der Tabelle wieder zurückgefallen - und dazu müssen sich die Sechziger auch noch mit der Botschaft anfreunden, dass die Mannschaft in der nächsten Saison vielleicht nicht direkt absteigen, aber wohl eher selten auf dem fünften Platz stehen wird.

Schon das Spiel selbst hatte den Klub irgendwie desillusioniert zurückgelassen. Mit all den Erfolgen der vergangenen Wochen hatte er sich ja bereits auf sechs Punkte dem vierten Platz genähert, der zur Teilnahme am DFB-Pokal berechtigt. Dann aber missachtete Daniel Bierofkas Team eine alte Regel menschlicher Psychologie, die gewiss nicht erst seit dem Jahre 1860 gilt: dass man in der Stunde des Triumphs am anfälligsten ist für Fehler. Eigentlich, sagte Gorenzel nach der Partie in Würzburg, habe die Mannschaft in den vergangenen Wochen doch "Fortschritte gemacht in vielen Dingen". Sie sei etwa "reifer geworden", meinte er - doch just im Augenblick der Selbstsicherheit habe sie "eine Watsch'n" bekommen. Gorenzel führte die "unnötige Niederlage" zum Abschluss der englischen Woche auf "eine geistige Müdigkeit" zurück: "Es war kein Problem der Beine, sondern ein Problem des Kopfes."

Bierofka sieht bei den Kickers "mehr Leidenschaft und Präsenz"

In der Annahme, die Dinge irgendwie schon zu regeln, ließ er am Dallenberg das Würzburger Spiel eine halbe Stunde lang über sich ergehen - und geriet durch die Tore von Orhan Ademi (20.) und Caniggia Elva (27.) gehörig ins Hintertreffen. So sagte Bierofka nach der Partie: "Die ersten 25 Minuten waren für mich entscheidend, weil wir da körperlich und mental nicht auf dem Platz waren." Stefan Lex gelang zwar zügig der Anschlusstreffer (31.), "dann haben wir alles probiert", sagte Bierofka - doch man mochte ihm zurufen: erst dann.

Wer sah, wie engagiert und leidenschaftlich Bierofka an der Seitenlinie war, wie er den Trainerstuhl 90 Minuten lang ignorierte und vor der Ersatzbank rastlos auf und ab hastete, dem war es ein Rätsel, welch markanten Kontrast in Sachen Einstellung seine Mannschaft zumindest in der Anfangsphase dazu herstellte. Auch Bierofka erkannte hinterher die Rechtmäßigkeit des Kickers-Sieges an, als er sagte: "Im Großen und Ganzen war es verdient, dass Würzburg gewonnen hat."

Die Unterfranken hätten "mehr Leidenschaft und Präsenz" gezeigt, meinte er, und ließ dabei unerwähnt, dass diese gerade in der ersten Hälfte auch fußballerisches Können bewiesen hatten. Jetzt sind es die Kickers, die auf Platz fünf der Tabelle stehen. Jetzt haben sie drei Spiele ohne Niederlage aneinandergereiht - und jetzt sind sie in jener psychologischen Position, in der sich Sechzig vor dem Samstag befand.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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