TSV 1860 München:Ein Weigl macht noch keinen Sommer

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Zeigt gerne mal, wie es richtig geht: Seit Michael Köllner Trainer beim Drittligisten TSV 1860 München ist, hat sich die Spielweise der Mannschaft deutlich verändert. Das sieht er selbst auch so. "Wir spielen mittlerweile sehr intensiven, guten Fußball", findet Köllner. (Foto: Lackovic/imago)

Die hohe Transferbeteiligung führt bei 1860 München lediglich dazu, dass der Etat weniger stark schrumpft als gedacht. Sportchef Günther Gorenzel will die 1,5 Millionen Euro auf die kommenden zwei Saisons verteilen

Von Philipp Schneider

Am Donnerstag hüllte sich der Winter auch an der Grünwalder Straße in jenes trügerische Kleidchen, in dem ihn ein unbedachter Beobachter glatt für einen Frühling halten konnte. Die Sonne schien satt aus einem blauen Himmel, die Zugvögel waren nur deshalb noch nicht zurück, weil sie niemand informiert hatte, und wer sich am Morgen nach einem Blick auf den Kalender eine dicke Daunenjacke angezogen hatte, der stand nun schwitzend vor dem Löwenstüberl und fragte sich, ob die legendär unzuverlässige Rasenheizung des TSV 1860 München in diesem Jahr überhaupt noch einen ernsthaften Härtetest erleben würde.

Michael Köllner ist noch nicht lang genug Trainer an der Grünwalder Straße, als dass er schon mal einen Winter auf einem der legendär unaufgetauten Trainingsplätze erlebt hätte. Aber Köllner ist garantiert schon lang genug Trainer, um nicht auf eine Winter-Tabelle hereinzufallen, die sich noch als ähnlich trügerisch herausstellen könnte wie die gegenwärtige Wetterlage.

"Servus zusammen, auf ein löwenstarkes 2020", sagte Köllner textsicher zur Begrüßung bei einer Pressekonferenz, auf der sich die Besucher eine Antwort auf eine zentrale Frage erhofften: Wohin fließen die 1,5 Millionen Euro, die Sechzig zum Jahreswechsel verdient hatte, weil sein ehemaliger Spieler Julian Weigl vom Bundesligisten Borussia Dortmund zu Benfica Lissabon gewechselt war, woran der Münchner Drittligist noch immer finanziell partizipieren durfte? Die konkreteste Antwort auf die Frage gab Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel: Erst einmal fließt gar nichts!

Im Winter ergäben Transfers nur Sinn, "wenn du eine Kurskorrektur vornehmen musst"

Er habe mit Michael Scharold, dem Geschäftsführer Finanzen, die Etats geplant, sagte Gorenzel. Diese Budgetaufteilungen würden in den kommenden Wochen mit den Gesellschaftern diskutiert. "Aber bis dato ist es ein theoretisches Konstrukt."

Ein theoretisches Konstrukt, von dem sich die Anhänger von 1860 auch praktisch keine unmittelbar anstehenden Kracher-Transfers erhoffen sollten. Denn aus seiner Sicht, sagte Gorenzel, ergebe es im Winter nur Sinn, Verpflichtungen vorzunehmen, "wenn du eine Kurskorrektur vornehmen musst". Diese Notwendigkeit sehe er nicht. Und die sieht auch Köllner nicht.

Köllner gab dafür die garantiert schönste Erklärung ab, weswegen sich Aktionismus auf dem Transfermarkt auch angesichts von derzeit vier Punkten Rückstand auf Platz drei nicht lohne. "Die Zukunft steht vor der Tür. Sie kommt aber immer aus der Vergangenheit", referierte er. "Manche träumen jetzt von gewissen Dingen. Aber man muss am Ende immer die Vergangenheit als Anker hernehmen. Und dieser Anker zeigt uns, dass wir in den vergangenen Wochen trotz vieler Dinge, die nicht gut gelaufen sind, am Ende neun Punkte vom Abstiegsplatz weg sind." Zack! Das saß. Nicht vom Aufstieg träumen. Denn der einzige Kurs, den Sechzig zu Saisonbeginn eingeschlagen hatte, war der Nichtabstiegskurs. Und Gorenzel fügte an: "Wir haben vollstes Vertrauen in den momentanen Kader - und unsere Zielsetzung bleibt, eine solide Saison zu Ende zu spielen."

Ursprünglich war Sechzigs Budget für die kommende Saison mit 2,4 Millionen Euro kalkuliert. Das aktuelle Budget beläuft sich allerdings auf etwas mehr als drei Millionen Euro. Insofern war es Gorenzel ein mathematisches Anliegen, vorzurechnen, dass die Weigl-Gelder nicht etwa ein Upgrade des Kaders ermöglichen. Sie mildern allenfalls seine künftige Schrumpfung. "Wir sind aktuell mit interessanten Spielern aus unserem Bestandskader und mit externen Spielern in Gesprächen", sagte Gorenzel. Er sei zuversichtlich, dass viele Spieler des aktuellen Kaders auch nächste Saison noch da sind. Selbstverständlich ist das nicht. Es laufen schließlich die Verträge von insgesamt 20 Spielern aus, darunter die von Efkan Bekiroglu, Felix Weber und Sascha Mölders, den ja noch irgendwer überreden muss, seine Profikarriere über den Sommer hinaus zu verlängern.

Auf keiner Position sehe er zwingenden Handlungsbedarf, sagte Köllner, der über ein gewisses Talent verfügt, die eigene Leistung auf charmante Weise nonchalant hervorzuheben. Als er unterschrieben habe bei Sechzig, da habe die Mannschaft auf dem 15. Platz gestanden und es habe geheißen: "Wir brauchen zwei, drei Zugänge, ansonsten ist die Mannschaft in der Liga nicht zu halten." Die Information, wer das damals gesagt hatte, überließ Köllner auf höfliche Weise dem Erinnerungsvermögen seiner Zuhörer. Etwas konkreter betonte er dafür den Zugewinn an Spielkultur, der sich ja zweifelsfrei seit seinem Amtsantritt beobachten lässt. "Die Spielweise hat sich deutlich verändert. Wir spielen mittlerweile sehr intensiven, guten Fußball." Er habe auch "eine andere Herangehensweise, was den Teamspirit betrifft".

Und wenn am Saisonende der intensive, gute Fußball und der neue Teamspirit doch noch zum Aufstieg führen, dann wäre Köllner sicher nicht sauer. Auch ohne Transfers. Er weiß ja: Ein warmer Wintertag macht noch keinen Frühling. Und 1,5 Millionen Euro machen keinen Aufsteiger.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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