Einigung mit Ismaik:TSV 1860 München findet Kompromiss im Rosenkrieg

Hasan Ismaik

Hasan Ismaik: Neue Forderung für die Stundung

(Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Der TSV 1860 München wendet vorerst eine Insolvenz ab.
  • Die Löwen einigten sich am Dienstag mit Investor Hasan Ismaik - der stundet ein Darlehen in Höhe von acht Millionen Euro.
  • Allerdings klafft weiterhin ein Etatloch in Höhe von zwei Millionen Euro, für das der Investor offenbar nicht aufkommen will.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Irre detailliert wird es auf Seite 64 von 198. Dort, wo es so richtig ans Eingemachte geht. Dort, wo sich etwa die "Koffermassagebank" findet, die der TSV 1860 München e.V. am 15. Februar 2002 aus den Händen gab. Ihr Wert: "537 DM". Auch schön, ein offenbar schon etwas länger über die Rasen dieser Welt gerollter "Rasenmäher: 1 DM". Dann die "Theke", platziert wo auch immer an der Grünwalder Straße: "178 DM". Oder, hier: "Frankiermaschine". Ihr Wert, warum auch immer: "1860 DM". Ja, 1860 DM für eine Maschine, die einem das Lecken erspart.

Man kann sich als Leser stundenlang verlieren im sogenannten "Ausgliederungsplan" vom "fünfzehnten Februar zweitausendzwei", an dem Dr. Dietrich Mayer sich "auf Ansuchen in die Geschäftsräume des TSV München von 1860 e.V." begab, "und traf dort an: a) Herrn Karl-Heinz Wildmoser, b) Herrn Dr. jur. J. Paul Wonhas". Es ist nämlich so: Wäre der Notar Mayer von niemandem angesucht worden, die Herren a) Wildmoser und b) Wonhas anzutreffen, wäre die Profifußballabteilung von 1860 niemals in eine KGaA ausgegliedert worden.

Niemals hätte der e.V. von 1860 sonst bis aufs allerletzte Hemd und den letzten rostigen Nagel wirklich alles und jeden (man denke etwa an das "Abfallhäuschen: 4473 DM" und den "Immateriellen Vermögensgegenstand Torben Hoffmann: 1 221 429 DM") übertragen auf die damals neugegründete Kapitalgesellschaft. Und um deren Fortbestand ging es auch mal wieder am elften Juli zweitausendsiebzehn, fünfzehneinhalb Jahre später, am Dienstag.

Hin und Her zwischen den Gesellschaftern

Da wollte der gegen den Widerstand von Investor Hasan Ismaik ins Amt gehobene Geschäftsführer Markus Fauser Gewissheit haben, ob jener Ismaik das von ihm nur bis zum kommenden Sommer gewährte Darlehen in Höhe von rund acht Millionen Euro stunden würde. Und falls ja, unter welchen Bedingungen. Es ging am Dienstag den ganzen Tag über wieder hin und her zwischen den Gesellschaftern und Fauser. Und dann wieder her und hin.

Am Abend leistete Ismaik dann endlich seine Unterschrift - gerettet ist die KGaA damit aber wohl noch nicht, denn für ein Etatloch von über zwei Millionen Euro wird der Investor dem Vernehmen nach nicht aufkommen. Mit der Entscheidung Ismaiks ist aber der Weg wiederum frei für die Versicherung "Die Bayerische". Der Hauptsponsor könnte die Etatlücke, mit der Zusage des Investors im Rücken, schließen. Am Mittwoch um 15 Uhr ist eine Pressekonferenz angesetzt.

Bis zum Stichtag hatte der Jordanier ja weiterhin an seinen sechs Forderungen festgehalten, von denen manche rein rechtlich gar nicht umzusetzen gewesen wären, selbst wenn es die Vereinsvertreter gewollt hätten. Deren Nichterfüllbarkeit hatte in Kombination mit der inzwischen legendären Sturheit Ismaiks schon die Nichtüberweisung der für die Drittliga-Lizenz notwendigen elf Millionen Euro zur Folge gehabt. Und am Dienstag soll Ismaik zudem noch die Rücktritte des Verwaltungsrats Robert von Bennigsen (mit dem Ismaik über Kreuz ist, seit er von ihm vor ein paar Jahren mal gefragt wurde, ob er als millionenschwerer Investor nicht Lust verspüre, in ein millionenschweres Riesenradprojekt in Hamburg zu investieren) und von Fußballabteilungsleiter Roman Beer (mit dem Ismaik über Kreuz ist, seit er es wagte, öffentlich die Zahlung ausstehender Gelder für die Nachwuchsabteilung einzufordern), gefordert haben. Darauf ging der Verein nicht ein.

Am Abend setzte sich bei Ismaik dann die Vernunft durch, sein Investment nicht noch weiter zu versenken. Mit einem knappen "Yes" bestätigte er per Whatsapp die Stundung des Darlehens und damit eine Meldung der Bild. Die SZ erfuhr außerdem, dass der e.V. in einem der sechs Punkte eingelenkt hatte: "Änderung der Satzung der KGaA durch Einführung eines Katalogs von Maßnahmen und Geschäften des Geschäftsführers der KGaA, die der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats der KGaA bedürfen." Der Verein verkündete in der Nacht auf seiner Homepage eine Einigung. "Löwen-Neustart in der Regionalliga Bayern gesichert", heißt es dort. Details sollen auf der Pressekonferenz am Mittwoch mitgeteilt werden.

Gebäude könnten verlorengehen

Im Falle einer Insolvenz könnten, wie aus dem Ausgliederungsplan hervorgeht, nicht nur Frankiermaschinen, Massagebänke und Torben Hoffmanns Nachfolger in die Insolvenzmasse geraten und mithin Gefahr gelaufen, verschachert zu werden. Sondern auch die Gebäude an der Grünwalder Straße 114. Das Erbpachtgrundstück droht zudem wieder an die Stadt München zurückzugehen. Wildmoser wollte allen Ernstes gar das "Clubhaus Tennis" (93 173 DM), die "drei Tennisplätze" (273 857 DM) und die dazu gehörigen "Beregnungsanlagen" (20 965 DM) an der Grünwalder Straße in die KGaA überführen, scheiterte aber in einer juristischen Auseinandersetzung am erbitterten Widerstand der Abteilung.

Vor dem Hintergrund, dass die Fußball-Gebäude verloren gehen könnten, ist ein Antrag von Herbert Bergmaier für die Mitgliederversammlung am 23. Juli zu betrachten: Sollte der durchgewunken werden und obendrein juristisch wasserdicht erdacht sein, dann wäre der e.V. von 1860 im Falle einer Insolvenz seiner 2002 ausgegliederten und vollkommen überschuldeten Profifußballabteilung wohl fein raus - obwohl er ihr 2002 einen "Wenderegner" (295 DM), eine "Behandlungsliege auf Rädern" (2240 DM), und den "Immateriellen Vermögensgegenstand Daniel Bierofka" (97 500 DM) übertrug.

Im Kern geht es bei der Mitgliederversammlung um eine Enthaftung der Verantwortlichen

In dem Antrag heißt es: "Das Präsidium wird beauftragt, zur Sicherung der Gemeinnützigkeit (...) das zumindest zum Teil mit e.V.-Geldern finanzierte Gebäude (Nachwuchsleistungszentrum incl. weiterer Räume) von der KGaA auf den e.V. zu übertragen." Der Wert des Gebäudes solle von einem Gutachter ermittelt werden, dann solle es zu "einer Verrechnung mit bestehenden sowie anfallenden Forderungen des e.V. an die KGaA aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag" kommen. Ein schlauer Plan: Rund 500 000 Euro sind ohnehin aus der vergangenen Saison noch offen. Zusammen mit den übrigen rund 1,1 Millionen Euro aus der unter Wildmoser vorgenommenen "Mietvorauszahlung" des e.V. an die KGaA, die zur Kapitalausstattung der Gesellschaft diente, könnte sich tatsächlich in etwa der Wert des Gebäudes ergeben. Vorausgesetzt, der Gutachter ermittelt in etwa diesen Wert - und ein anderer Gutachter widerspricht ihm nicht.

Der Antrag sieht vor, dass das Präsidium durch die Mitgliederversammlung beauftragt werden soll, die Geschäftsführung anzuweisen, "den hierfür notwendigen notariellen Vertrag abzuschließen". Indem die Mitgliederversammlung zwischengeschaltet wird, geht es im Kern um eine Enthaftung der Verantwortlichen. So wie bei weiteren Anträgen, die auf der Tagesordnung stehen - etwa bei der Bitte an das Präsidium, 50+1 stärker zu leben, oder auch beim Antrag auf Aufkündigung des Kooperationsvertrags. Das höchste Vereinsorgan, die Mitgliederversammlung, soll die Scheidung der seit sechs Jahren währenden Ehe mit Ismaik einreichen. Auch wenn er am Dienstag nach langem Gezerre ein Entgegenkommen zeigte.

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