Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Die Rückkehr des Investors

Fluch oder Segen? Der Berliner Unternehmer Nicolai Schwarzer hat schon fast zwei Millionen Euro in den finanziell klammen Zweitligisten 1860 München gesteckt - nun interessiert er sich erneut für Klubanteile.

Markus Schäflein

Bevor er in die Geschäftsstelle ging, holte sich Dieter Schneider im Löwenstüberl einen schönen Becher Kaffee und plauderte mit einem Fan am Stammtisch. Der neue Vizepräsident sucht den Kontakt zu den Leuten, das ist seine Welt - er ist ein hemdsärmeliger Sanierer aus der Welt des Mittelstands. Mit seiner "Dieter Schneider Holding" hat er zuletzt ein Autohaus in Dachau gerettet.

Vor dem Spiel gegen Hertha BSC suchte er den persönlichen Kontakt zu den Spielern, "das gehört fürs Präsidium dazu, bei jedem Fußballverein, auch in der A-Klasse", meinte Schneider. "Ich habe den Jungs gesagt, dass sie nicht für die Sanierung spielen müssen. Das wäre ein bisschen viel verlangt", sagte er, "unser Konzept hängt nicht davon ab, ob wir ein Spiel gewinnen oder verlieren." Ein paar Steinchen sind Schneider nach dem 1:0-Sieg gegen Berlin natürlich trotzdem vom Herzen gefallen, immerhin ist das chronisch panische Klubumfeld jetzt ein bisschen ruhiggestellt.

Bei der Partie machte Schneider im Vip-Raum Bekanntschaft mit Nicolai Schwarzer, der an größeren Rädern dreht und statt in Dachauer Autohäuser in Berliner Topimmobilien und internationale Fußballprofis investiert. Ein Jahr lang hatte der Verein daraus ein Geheimnis gemacht, nun ist es doch bekannt geworden: Knapp zwei Millionen Euro hat Schwarzer bereits in den TSV 1860 gesteckt, über eine Million Euro davon in die Löwen Sportrechte Vermarktungs (LSV) GmbH.

Deren Investoren musste der Verein, wie Präsident Rainer Beeck der SZ nach der Delegiertenversammlung sagte, beim Lizenzierungsverfahren der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nicht offenlegen. Dort war die geplante Übernahme von Klubanteilen durch Schwarzer Anfang 2009 missliebig beäugt worden, Schwarzer sollte offenbar erhebliche Mitspracherechte erhalten; der Deal scheiterte damals auch an Widerstand in den eigenen Reihen. Die Verhinderer wie Oberbürgermeister Christian Ude, damals Aufsichtsrat, und der frühere Geschäftsführer Markus Kern gehören den 1860-Gremien heute nicht mehr an.

Und so hat Schwarzer erneut wegen eines Kaufs von Klubanteilen angefragt. Jedenfalls wird mit ihm geredet, wie mit anderen möglichen Geldgebern auch. Schneider gab sich da noch bedeckt. Noch herrscht im Verein aber nicht ganz Einigkeit, ob ein externer Retter jetzt an Bord soll.

Während einige TSV-Funktionsträger ein Ende des Teufelskreises nach wie vor nur über frisches Geld für möglich halten, meinte Schneider: "Ich denke, dass das in der jetzigen Situation nicht das Thema ist, wir müssen den Verein operativ auf die Beine bringen; danach müssen wir die Bilanzen in Ordnung bringen, und dabei würde uns der eine oder andere Investor sicher guttun. Aber jetzt im Moment ist es nicht der geeignete Zeitpunkt."Zumal im Moment wohl nur mäßige Preise für 1860-Anteile zu erzielen wären: "Wenn wir operativ auf sicherem Boden sind, haben wir gegenüber Investoren eine ganz andere Verhandlungsposition", sagte Schneider.

Womit der Vizepräsident ein weiter ausgebautes Engagement Schwarzers an der Grünwalder Straße nicht ausschließen wollte - Begeisterung klingt allerdings anders. "Grundsätzlich ist jeder solide Investor willkommen", sagte er. Ob dies auf Schwarzer zutreffe? "Ich könnte nicht das Gegenteil behaupten, das wäre unfair, ich kenne ihn ja nicht", antwortete Schneider. "Ich habe ihn bisher nur für Small Talk getroffen. Es kann sein, dass die Bedenken der DFL nicht an Herrn Schwarzer lagen, sondern an der Konstellation des damaligen Deals."

Unter anderem war damals von einigen Beobachtern eine Nähe Schwarzers zu Sportdirektor Miroslav Stevic moniert worden; wenngleich Stevic damals sagte, er habe mit dem Investor "nichts zu tun", und Vizepräsident Franz Maget erklärte: "Es gibt diese Verquickung nicht direkt."

Schneider wird sich die Konstellation genau ansehen, und wie seit Montag feststeht, wird ihm der frühere Vizepräsident Otto Steiner dabei helfen. Steiner, bisher normales 1860-Aufsichtsratsmitglied und erfolgreicher Medienunternehmer in München, leitet nun das Kontrollgremium der Fußball-KGaA und löst damit den Anwalt Peter Lutz ab.

Der hatte diese Position kommissarisch geführt, da der bisherige Aufsichtsratschef Christoph Öfele in den mutmaßlich größten Aktienskandal Deutschlands verwickelt sein soll; er lässt daher sein Amt bei 1860 ruhen. Wie man hört, sollen Geschäftsführer Schäfer, Schneider und Steiner die Aufräumarbeiten im Verein konsequent angehen.

Schneider geht es vorerst nun darum, die Zehn-Prozent-Kürzung der Gehälter durchzubringen ("ich denke, unter dem Strich wird die Sache funktionieren") und im Winter Spieler aus dem großen Kader abzugeben. Dass es dabei um jene zwei Millionen Euro geht, die Vorgänger Robert Niemann genannt hatte, mochte Schneider nicht bestätigen: "Die Zahlen waren damals anders, als sie sich Dr. Niemann vielleicht dargestellt haben." Ein Insider spricht gar von "nebulösen Dingen", die Schneider und Schäfer erst entschlüsselt hätten.

Immerhin für eine Hotelübernachtung vor dem Auswärtsspiel beim FC Ingolstadt (Sonntag, 13.30 Uhr) ist doch noch Geld vorhanden. Schäfer hatte angekündigt, sie werde im Rahmen der Sparmaßnahmen gestrichen, Trainer Reiner Maurer klärte die Sache nun auf. "Wir machen das ganz normal, es war doch alles schon gebucht", sagte Maurer. "Wir reden von 2000 Euro. Es ist nicht so, dass wir in Luxusherbergen nächtigen." Mit einem Trainingslager sehe es aber nach wie vor schlecht aus.

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SZ vom 07.12.2010/ebc
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