Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:"Der Verein hat einen negativen Kaufpreis, oder höchstens: Null"

Lesezeit: 3 min

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Als Treffpunkt hat Gerhard Mey diesmal nicht das urige Bräustüberl in seinem Heimatort Planegg vorgeschlagen, sondern einen nüchternen Konferenzraum in einem Bürogebäude in der Münchner Innenstadt. Er ist ein Urbayer, der dem TSV 1860 München helfen will - aber er ist eben auch ein rational handelnder Unternehmer. So lässt sich dieser Wechsel der Örtlichkeiten deuten, nachdem der aktuelle 1860-Investor Hasan Ismaik mit ihm erst in konkrete Verhandlungen über den Wert seiner Anteile am Fußball-Regionalligisten getreten war - um dann kurz darauf in der Öffentlichkeit zu verkünden, er werde seine Anteile am Klub niemals verkaufen.

Mey indes setzt ungebrochen auf die "unternehmerische Einsicht" Ismaiks. Er nimmt einen Schluck Mineralwasser, dann sagt er zur Eröffnung: "Es handelt sich beim TSV 1860 um einen ganz klaren Businessfall. Wir hätten 1860 sehr gerne im Interesse der Fans, des Vereins und auch der Stadt - und natürlich in unserem Interesse - neu aufgebaut. Das Geld wäre da, die nötigen Fußballexperten auch. Das ist das Angebot."

Wäre das nicht, wenn schon nicht unehrlich, zumindest ziemlich unhöflich?

Ein Angebot, das Ismaik, so berichtet es Mey abermals sehr detailliert, zunächst in Erwägung zog unter der Voraussetzung, alle seine bisherigen Finanzspritzen ersetzt zu bekommen - was einen Kaufpreis von über 70 Millionen Euro bedeuten würde. Dazu nimmt Mey klar Stellung: "Der Verein hat jetzt nach kaufmännischen Regeln einen negativen Kaufpreis, oder höchstens: Null", meint er. "Da ist der aufgerufene Kaufpreis absurd, das ist ein Abwehrangebot, und an diesem Punkt stehen wir."

Möglicherweise ist dieses Abwehrangebot aus Sicht Ismaiks gleichbedeutend mit der Aussage, er werde generell gar nicht verkaufen. Allein: Empfängt man, wenn man nicht verkaufen möchte, einen Investor, von dem man weiß, dass er kaufen möchte, mit seiner Delegation in Spanien? Und wäre das nicht, wenn schon nicht unehrlich, zumindest ziemlich unhöflich?

Er hatte nur höflich sein wollen, habe deshalb Mey empfangen, hat Ismaik auf seiner Facebook-Seite beteuert. Andererseits: Dass er verkaufen werde, sollte er sein ganzes Geld zurückerhalten, hat Ismaik schon vor zwei Jahren in einer Runde mit drei Münchner Journalisten kurz vor Weihnachten in London gesagt - die Aussage hat er anschließend autorisiert.

Womöglich ist der Jordanier tatsächlich gewillt, die Sache so lange ohne weitere Investitionen in der vierten oder dritten Liga auszusitzen, bis die 50+1-Regel fällt - dann würde ihm gemäß des Kooperationsvertrags sofort die Mehrheit an der Geschäftsführungs-GmbH, mithin das Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer und damit die Kontrolle über die Profifußball-KGaA zufallen. In dem Vertrag heißt es: "Sofern es rechtlich, insbesondere verbandsrechtlich zulässig ist, wird die HAM (Firma Ismaiks, d. Red.) 51% der Geschäftsanteile der GmbH vom Verein zum Nennwert übernehmen. Ein entsprechendes Optionsrecht wird zugunsten von HAM bereits hiermit vereinbart." Ismaiks Problem ist nur: Keiner weiß, ob und wann die 50+1-Regel fällt. Noch in diesem Jahr will das Bundeskartellamt entscheiden, ob es Ismaiks Beschwerde überhaupt zulässt.

Mey glaubt, dass der TSV 1860 nicht so lange warten kann. Erstmals erzählt er, dass noch weitere Investoren hinter ihm stehen, die im Gegensatz zu ihm aber nicht in der Öffentlichkeit auftreten wollen, bis Fakten geschaffen sind. "Ich bin ja nicht alleine, es sind Firmen interessiert, es sind Einzelpersonen interessiert, die jetzt natürlich noch nicht genannt werden wollen. Ich stehe da vorne dran", sagt Mey. "Ich habe mich bereit erklärt, das zu machen. Dann bin ich losgegangen und habe diese Diskussion eingeleitet, denn sonst passiert ja nie etwas."

"Die Tür ist nicht zu"

Angesichts von Ismaiks irritierender Reaktion auf sein Angebot sei er "nicht ehrkäsig und nicht verärgert", betont Mey: "Das kommt im Geschäftsleben vor, dass einer nicht mag. Aber das Angebot steht, dass man in diesen Verein investiert. Wer zu uns kommt und sagt, ich möchte mit euch reden und ich möchte verhandeln, mit dem reden wir, selbst nach dieser Geschichte. Wenn sich Hasan Ismaik auf uns zubewegt, können wir weiterhin reden. Die Tür ist nicht zu."

Mey ist überzeugt davon, dass Ismaik sein Angebot, bei dem er einen guten Teil des investierten Geldes im Erfolgsfall über Besserungsscheine zurückbekommen würde, als rationaler Kaufmann nicht ausschlagen kann. "Ich komme aus einem stark unternehmerisch geprägten Umfeld, da ist so etwas wie ein Secondary Deal nichts Besonderes", sagt Mey. "Ein Investor hat investiert, und offensichtlich, das ist ja nicht bestreitbar, hat die Investition nicht alle Erwartungen erfüllt. Ich glaube, das kann wirklich keiner negieren. Seine Investition hat nicht funktioniert, Ende der Durchsage."

Es sei "neben den ganzen Emotionen und der Liebe zum Verein" aber "die richtige Betrachtungsweise, 1860 als Asset anzuschauen und auf die betriebswirtschaftliche Ebene zu gehen", meint er. "Das ist der Punkt. Und wenn er das nicht will, dann will er es nicht. Dann muss man irgendwann auch sagen, dass der Deal halt erledigt ist."

Wie lange der Deal noch lebt, zumindest aus der Perspektive Meys und seiner Partner, bleibt offen. Er wolle "momentan aber keine Frist setzen", sagt Mey. "Es kommt meistens irgendwann der Punkt, wo Menschen wieder anfangen, miteinander zu reden. Wenn er nicht will, kann ich auch nicht helfen, das ist ganz klar. Aber wenn dann doch einmal ein Einsichtsprozess gekommen ist: Natürlich, warum nicht?"

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SZ vom 02.12.2017
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